Alexander von Zemlinsky (1871-1942):

Sarema, die Rose vom Kaukasus

französisch Sarema, la rose du Caucase

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1894-95
Uraufführung: 10. Oktober 1897 in München (Königliches Hof- und Nationaltheater)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Erstdruck: Leipzig: E. Bethé, 1899

Zur Oper

Art: Oper in drei Akten
Libretto: nach dem dramatischen Gedicht „Die Rose vom Kaukasus“ von Rudolf Gottschall
Sprache: deutsch
Ort: in den Bergen des Kaukasus
Zeit: 18. Jahrhundert

Personen der Handlung

Sarema: eine Freiheitskämpferin
Dscherikoff: russischer Befehlshaber
Aslan: Saremas Jugendfreund
Amul Beg: Saremas Vater
Der „Prophet: Führer der Tscherkessen
Godunoff: russischer Hauptmann
Weitere: ein Bote, Soldaten

Handlung

1. Akt:

1. Szene:

Die Russen befinden sich auf einem Eroberungsfeldzug im Kaukasus und haben die Region Dargo besetzt. Der Oberbefehlshaber Dscherikoff und sein Hauptmann vertreiben sich die Zeit beim Würfelspiel. Godunoff verliert die erste Runde, doch er möchte weiterspielen und präsentiert einen Edelstein als Einsatz. Er würde es gern sehen, dass Dscherikoff seine jüngste Eroberung, das Mädchen Sarema, dagegensetzt, doch der der Fürst ist empört und rät ihm, sich die Tscherkessin aus dem Kopf zu schlagen. Er gibt vor, in die Schöne verliebt zu sein und keiner soll es wagen, sich ihr zu nähern. Der Hauptmann äußert Zweifel an den Gefühlen des Kampfgefährten und dieser erzählt ihm die Geschichte, wie er ihre Bekanntschaft machte.

Als sie die Gegend im Sturm nahmen, sah er, wie eine junge Frau, welche von seinen Kosaken verfolgt wurde, auf einen Felsen kletterte. Der Schmuck war ihr vom Kopf gefallen und ihr Pelz zerrissen. Er rettete die Unglückliche, welche ihn flehend ansah, vor dem Zugriff der Soldateska. Ein Zauberglanz verklärte ihre schönen braunen Augen und ihr lebhaftes Mienenspiel signalisierte Zuneigung und Vertrauen. Offenbar war es Liebe auf den ersten Blick, denn sie folgte ihm in sein Zelt.

Godunoff sieht ein, dass er keine Chance hat, die Schöne im Spiel zu gewinnen, also soll der Besitzer sie behalten und glücklich werden.

2. Szene:

Sarema tritt ein und wünscht ihrem Herrn einen angenehmen Tag. Sie erklärt, dass die Sonne soeben im Begriff sei zu sinken und sie möchte ihm die Zeit mit Saitenspiel verkürzen. Er will von ihr wissen, weshalb sie traurig sei, denn schon seit Tagen habe kein Lächeln ihr Gesicht erhellt. Die schöne Tscherkessin spricht von ihrer Angst, die ihr Tag und Nacht keine Ruhe lasse. Im Lager sei sie nur die verfluchte Fremde, die dem Feind ihrer Brüder gefolgt sei. Doch wenn sie ihn sehnsüchtig anschaut, bedeute das Linderung für ihre kranke Seele. Noch im Tod will sie ihm gehören. Sie bereue nicht, ihm gefolgt zu sein, weil sie einfach nicht anders konnte. Dscherikoff quittiert ihr Geständnis mit Genugtuung und drückt sie an sich. Dem zärtlichen Moment nicht angepasst, muss Sarema unbeabsichtigt an ihre Jugendliebe denken, die sie in ihrem Dorf zurückließ:

„Einst saß ich still am grünen Wiesenhang
im duft'gen Frühlingshain, die Sonne sank.
Die Berge hüllt ein düst'rer Kaftan ein,
die Wolken glühten rot im Widerschein!
Da stand ein Mann vor mir im Dämmerlicht,
rot angehaucht sein silbern Panzerkleid,
und heller als die Sonne war sein Auge,
so schlank die Gestalt, den Felsensäulen gleich.
Er sprach: „Sarema werde mein.
Ich bin Aslan, ein Fürstensohn!“

Sarema floh wie ein schüchternes Reh und der Ton seiner Stimme verfolgte sie. Seine Arme hielten sie umschlungen, so wie er sie jetzt hält und sie wusste nicht, wie ihr geschah. „Da war nichts in der klaren Luft als Vogelsang und Rosenduft. So klar und hell, so wie die Sonne war unsere Seele: Glück und Wonne.“

Dscherikoff ist verständlicherweise gereizt: Wozu erzählt sie ihm den Quatsch eigentlich? Sarema hat blitzschnell die passende Erklärung zur Hand. Er erfülle nun, was der Spielgefährte ihr verhieß. Mit Blumen hatten sie am Waldbach gespielt, aber Dscherikoffs Liebe sei für sie nun das große Meer. Für eine solche schöne Erklärung gibt es eine besonders fetten Schmatz vom Geliebten.

Soll mit der Affäre jetzt Schluss sein oder wird Sarema ihm an den Platz folgen, wohin der Zar von Russland ihn ruft? Dscherikoff stellt sie urplötzlich vor die Alternative. Erschrocken bittet sie ihn, vor Ort zu bleiben, denn vom Vaterland kann sie sich nicht trennen. Hält die Liebe zu Aslan sie etwa zurück? Dieser liebt nicht die Person, die ihr Volk betrog, zerstreut sie seinen Argwohn. Der Vater wird seinen Segen in Fluch verwandeln und ihre Brüder werden nicht diejenige schützen, die beim Feind lebt. Der Brüder Waffen darf sie nicht tragen, denn vor ihrem Hass erbebt ihr Herz.

Wenn sich alles so verhält, wie sie schildert, müsse ihr die Entscheidung zur Abreise nicht schwer fallen. Auf der einen Seite warten auf sie Verachtung, Bann und Fluch und auf der anderen Liebe, Segen, Glück und Ruhe. Die Süße soll nicht zögern, die richtige Wahl zu treffen!

3. und 4. Szene:

Wie die Antilope am Felshang bereit ist, sich in den Abgrund zu stürzen, verspürt Sarema in der Aussichtslosigkeit ihrer Situation den gleichen Drang. Ihr Herz bricht vor Trennungsschmerz, denn die hohen Berge soll sie vergessen und das Vaterland im Stich lassen. Aber hat sie überhaupt eine Wahl? Sie liebt Dscherikoff und wenn er ihre Liebe von sich weist, wird sie ihm trotzdem blind folgen. Ihrem Vaterland wird sie eine letzte Träne weihen und hoffen, dass Allah ihrer Verbindung gnädig sein möge, lautet ihre schwere Entscheidung.

Während sie auf den Ausgang des Zeltes zuschreitet, gewahrt sie plötzlich Aslan. Erkennt sie die Stimme des Freundes nicht mehr? Ha! Der Rächer naht. Will er sie töten? Aslan wirft den Mantel ab und zeigt sich in glänzender Rüstung. Er sei gekommen, sie zu warnen und zu retten. Er wagte sein Leben, um ihr Liebe und Freiheit zu bringen. Aslan, der Bruder flucht ihr nicht? Sie soll ihm rasch folgen und fliehen. Denn in der kommenden Nacht starten die Tscherkessen einen Angriff, die Köpfe der Feinde werden rollen und das Fort wird in Flammen aufgehen. Was muss Sarema hören? Aslan verdeutlicht: In der Talschlucht harren die Krieger und aus tausend Hinterhalten werden sie sich auf ihre Feinde stürzen. Doch Sarema will nicht mitkommen. Der Unselige soll entfliehen, denn hier erwarten ihn Ketten. Aslan fasst seine grenzenlos Überraschung in Worte:

„Ich gehe nicht ohne dich, Sarema!
Ich sehe dich an, immer wieder, wie lange habe ich dich nicht geschaut.
Jetzt aber schlürft mein trockenes Auge
der Schönheit Pracht, die dich umgibt.
O lass mich schauen, lass mich staunen
nach langen Tagen ohne Licht:
o lass mich schauen.
Lass mich in meine Sonne schauen,
wenn auch im Glanz das Auge bricht.
O komm, hier droht dir das Verderben!“

Weiß Aslan eigentlich, dass sie eine Verräterin ist und den Feind ihres Volkes liebt? Weshalb kommt er her, um sie zu bedrängen? Ihr Herz schlägt nicht mehr für ihn! Sie trägt jetzt Ketten, die ihr angenehm sind und sie will die Gefahren teilen, die ihres Mannes harren. Sie bittet den Jugendfreund, das Leben des ihr teuren Dscherikoff zu schonen. Wenn er für sie dieses Opfer bringt, wird sie es ihm ewig danken. Was mutet sie ihm zu? Beschützen soll er den Verhassten, der die armen Brüder mordete und sie ihm wegnahm? Doch ihretwegen wird er die Schmach erdulden. Er sieht eine Möglichkeit, ihren Heißgeliebten zu erretten, wenn er ihn in der Nacht der Gefahren bei seinem Volk versteckt.

5. Szene:

Doch dazu kommt es erst gar nicht. Dscherikoff taucht überraschend auf. Mit gezückten Schwertern stürzen beide Todfeinde aufeinander zu. Doch Sarema entreißt Aslan das Schwert, um Schlimmes zu verhindern. Den geliebten Dscherikoff bitter sie um Gnade für den unbedachten Landsmann. Doch ihr vermuteter Einfluss reicht nicht aus, den Russen umzustimmen. Nachsicht wird verweigert und Aslan gemäß den Gesetzen militärischer Logik in Fesseln gelegt. Eine letzte Frist bis zum Morgen ist ihm noch vergönnt, aber dann soll er hingerichtet werden.

6. und 7. Szene:

Sarema macht einen letzten Versuch, für Aslan zu sprechen, wird aber höhnisch abgewiesen: Dscherikoff sagt, dass er mit Rücksicht auf die Gefährten keine Milde walten lassen kann und auch nicht bereit ist, auf ihre Fürbitte zu reagieren. Was sollen seine Landsleute dazu sagen? Sie sei seine Sklavin und erst seine Liebe habe sie aus dem Staub erhoben. Daran soll sie denken! Die Flammen, die aus ihren Augen sprühen, soll sie sich für ein bräutliches Erglühen aufsparen.

Nun erkennt Sarema endlich, dass ihre Liebe mit Füßen getreten und ausgenutzt wurde. Die Enttäuschte flucht dem Fehler, mit dem Feind intim geworden zu sein. Die Rückkehr zu ihrem Volk gilt nun ihre Sehnsucht. Verbal schreit sie ihrem Verführer ihren grenzenlosen grenzenlos Hass, so wie nur eine Kaukasierin empfinden kann, ins Gesicht. Fluch über ihn!

Sarema fasst den Entschluss, die Landsleute zu mobilisieren, um für Aslan etwas zu tun. Wird ihr Volk für Aslan Verständnis aufbringen und sie selbst wieder bei sich aufnehmen?

2. Akt:

8. und 9. Szene:

Allah, der hoch in den Wolken thront, möge durch seine Macht die Kraft der Ungläubigen lähmen. So fleht der Anführer der Tscherkessen, den alle den „Propheten“ nennen und ihr geistiges Oberhaupt ist. Der Freiheit Morgenrot soll dem Volk wieder lachen. Die sich nähernde Sarema stimmt in den Refrain ein.

Unter den Versammelten vermisst man Aslan und Amul Beg. Sarema ist erschrocken, dass der Vater nicht anwesend ist. Der „Prophet“ verkündet, dass beschlossen wurde, das Fort zu stürmen und in der Nacht alle bereit sein sollen, den Feind zu vernichten. Erregt tritt Sarema vor und mischt sich lautstark in das Gespräch der Ältesten ein. Sofort müsse etwas passieren und nicht erst in der Nacht! Der Opernchor missbilligt die Störung und lässt die Verwegene fühlen, dass sie als Verräterin betrachtet wird, weil sie sich mit dem Feind einließ. Sie sei die Freundin der Russen. Verrat in ihrer Mitte! Fluch dir, Sarema!

„Du wagst es, wieder heimzukehren,
ist dir vor unserem Fluch nicht bang?
So wisse, zwischen beiden Meeren
kein Name ist von schlechterem Klang.
Saremas Schmach im Lied erschallt, das unsere Töchter singen,
die Hirten singen auf den Triften,
und das im Echo widerhallt.“

Die Frauen wiederholen: „Saremas Schmach im Lied erschallt... Fluch dir, Sarema.“

Sarema fasst ihren ganzen Mut zusammen: Man solle sie verdammen, aber trotzdem auf sie hören. Um Mitternacht sei es zu spät, denn dann könne Aslan bereits tot sein. - Ihr wird die Schuld zugeschoben, dass Aslan gefangen wurde. Sarema beteuert, dass er kam, um sie zu den ihren zu holen, und fleht, dass man auf sie hören und seine Rettung nun eilig in die Wege leiten solle.

10. Szene:

Amul Beg erscheint und warnt die Umstehenden, auf seine Tochter zu hören. Sie sei eine Überläuferin und wird wohl kaum die Wahrheit sprechen und auf ihrer Seite stehen. Sarema wusste nicht, dass die Russen den Vater geblendet hatten. Deshalb darf sie auch ungestraft zu ihm aufschauen, sagt er, denn die Blitze seiner Augen seien erloschen. Er nimmt ihre Bitte um Vergebung nicht an und stößt sie von sich. Er würde niemals mit ihrem Schicksal tauschen; ohne Sonne fehle zwar das Augenlicht, aber mit dem Verlust der Ehre erlösche das Lebenslicht. Sarema wird sich bewusst, was sie angerichtet hat und sieht auf dieser Welt für sich keine Hoffnung mehr. Sie bittet den Himmel, ihr die Chance zu geben, mit ihrem Leben zu büßen, doch den Jugendfreund möchte sie gerettet sehen.

Unerwartete moralische Hilfe wird ihr durch den „Propheten“ zuteil. Dieser lässt die anderen wissen, dass vor seinem Gang ins Feindeslager Aslan sich ihm anvertraut habe. Er liebe die Tochter Amul Begs und wolle eilen, sie aus dem Russenlager zu retten. Wer zögert, fragt der „Prophet“ jeden Einzelnen, wenn es darum gehe, eines Tapferen Leben zu retten. Das Leben eines Fürstensohns sei in Gefahr!

Im Gegensatz zu den Anderen vertraut der Weise auf die Bußfertigkeit der Verzweifelten und schenkt ihrer aufrichtigen Reue glauben. Sie bittet ihn, die Freiheitsfahne in ihre Hand zu legen, damit sie die Männer zum Sieg führen kann. Vom Vater erfleht sie erneut als Zeichen seiner Gunst, ihr sein segensreiches Schwert zu leihen, weil er selbst es nicht mehr schwingen kann. Mit Hilfe des Schwertes will sie sein Unglück rächen und sich selbst vom Fluch befreien.

„Gib Vater mir den letzten Segen,
ich geh' ersehntem Tod entgegen.
Kein neuer Morgen grüßet mich!“

Von Freiheitslust gedrängt, schäumen die Wogen der Begeisterung bei den Tscherkessen über und - allen voran Sarema - wollen sie es den Russen zeigen.

3. Akt:

11. Szene:

„Verflucht soll die Zunge sein, die Verrat übt, um das elende Leben zu retten!“ Diese Antwort bekommt Dscherikoff von Aslan zu hören, nachdem sein Erpressungsversuch misslungen ist. Der Gefangene sollte ihm verraten, wo die kaukasischen Krieger stehen und wie viele es sind. Der russische Kommandeur macht ihm klar, dass Sarema ihn treulos verlassen habe. Das macht nichts, denn die wahre Liebe opfert sich freudig, schweigt und stirbt selig leidend! Aber vom Wesen der wahren Liebe habe der Russe wohl keine Ahnung, weil sie zu ihm nie gekommen ist! Alles Ansichtssache! Waffengeklirr von draußen!. Der Bote gibt einen Lagebericht und Dscherikoff ist genötigt, den Raum zu verlassen, um Weisungen zu erteilen.

12. Szene:

Aslan freut sich, dass er die Hörnerrufe seiner Brüder hört. Freiheitslieder klingen in seine Ohren. Doch er selbst ist gebunden und kann das Schwert nicht schwingen. Der Sieg neigt sich den Tscherkessen zu und Aslan ist bald befreit. Markige Sprüche schob er voran. „Stürzet, Felsen, so stürzt doch nieder. Begrabet die blutigen Würger der Brüder! O öffne dich, Erde, auf der sie geh'n. Verschlinge sie alle, gleich Sturmesweh'n.“

13. Szene:

Die wirkliche Siegerin sei natürlich Sarema, die mit ihrer Begeisterung und ihrer Fahne alle mitgerissen habe. Ist sie etwa eine kaukasische Jeanne d'Arc? „Zu mir, zu mir“ ruft Dscherikoff ihr zu und erhofft sich schonende Behandlung durch seine Gegner. Die bedingungslos Liebende wird sofort weich. Sie kann ihr Schicksal nicht wenden. Nur einen Wunsch äußert die Gebeutelte. Sie möchte verklingen wie ein Ton oder verwehen wie ein Körnchen Sand. Sei es ihr zugestanden! Mit Tränen sei geschrieben, gewagt zu haben, zu leben und zu lieben. In der Tat ist dem Mädchen nicht zu helfen. Noch ein paar poetische Ergüsse auf die Rosen von Schiras und die Unbelehrbare gibt sich mit dem Dolch selbst den Tod.

Der Opernchor hat noch ein paar passende Worte für die letzte Reise:

„Sühne hast du dir erstritten,
Erdenqualen ausgelitten.
Rein von Schuld entrückt den Leiden
öffnen sich dir Edens Freuden!“


Letzte Änderung am 12.12.2015
Beitrag von Engelbert Hellen