Der Bär
Entstehungszeit: | 1965-67 |
Uraufführung: | 2. Juni 1967 in Aldeburgh |
Besetzung: | Soli und Orchester |
Erstdruck: | London: Oxford University Press, 1968 |
Verlag: | London: Oxford University Press, 1977 |
Art: | An Extravanganza in One Act |
Libretto: | Paul Dehn in Zusammenarbeit mit dem Komponisten (nach einer Komödie von Anton Tschechow) |
Sprache: | englisch |
Ort: | in einem russischen Landhaus |
Zeit: | 1890 |
Yeliena Ivanova Popova: | eine junge Witwe (Sopran) |
Grigory Stepanovitsch Smirnov: | ein Gutsbesitzer in mittleren Jahre (Bariton) |
Luka: | Popovas alter Diener (Bass) |
1
„It ist not just, Madam...“ Der Diener Luka versucht aufmunternd auf die Hausherrin einzusprechen, die missmutig auf ein Foto starrt. Mit ihrem ewigen Trübsinn richtet sie sich noch zugrunde. Der Koch und das Hausmädchen seien in den Wald gegangen, um Erdbeeren zu suchen. Jede Seele ist glücklich, sogar die Hauskatze versteht es, sich zu zerstreuen - sie fängt Vögel im Hof. Nur Madam Popova versteckt sich in ihrem Haus wie in einem Nonnenkloster und nichts bereitet ihr Freude. Es sei nun schon ein Jahr her, dass sie das Haus zuletzt verlassen habe. Die Ursache kann Luka nicht begreifen. Nie wieder wird sie ausgehen - warum sollte sie? Ihr Leben ist zu Ende, denn der Herr Gemahl liegt in seinem Grab. Sie hat sich entschlossen, sich in diesen vier Wänden selbst zu begraben. Sie und ihr Mann sind beide tot - hat er das jetzt endlich verstanden?
Luka wünscht sich, ihr nie zugehört zu haben, dann würde er selbst auch nicht ärgerlich sein. Seit zwei Monaten schaut er sich ihren Kummer nun schon an. Sie wird eine alte Frau, ehe sie es sich versieht. Hat sie die lieben Nachbarn alle vergessen? Möchte die Betrübte sie nicht besuchen oder ihren Besuch empfangen? Gibt es nicht überall nette Leute? Der ganze Platz ist voll von ihnen. Im Städtchen ist ein Regiment stationiert. Die Offiziere sind alle perfekte Gentleman. Sie sollte doch einmal ein Auge auf die stattlichen Mannsbilder werfen. Oft wird im Lager ein Ball gegeben und die Militärmusik spiele jeden Tag, sagt man. Ach, liebe Frau, du bist jung, gesund und schön - alles Attribute, um das Leben in vollen Zügen genießen zu können. Sie sollte wissen, dass Schönheit nicht ewig vorhält. Es wird die Zeit kommen, in welcher sie auf der Promenade flanieren und ihre Taille drehen wird wie eine Truthenne, um den Herren Offizieren zu gefallen - doch dann wird es zu spät sein.
Popova wird resolut und bittet sich aus, nicht in diesem Ton mit ihr zu sprechen. Er weiß ganz es genau - seitdem ihr lieber Mann gestorben ist, kann sie sich für nichts mehr begeistern. Es mag ihm scheinen, dass sie immer allein sei, aber das sind lediglich seine ureigenen Gedanken. Noch diesen Morgen wird sie einen Eid ablegen, niemals mehr das Licht des Tages erblicken zu wollen, denn sie wird für immer in die Gruft hinabsteigen. Hat er gehört, was sie gesagt hat? Der Geist des Verstorbenen soll erkennen, wie sehr sie ihn liebt! Ja, sie weiß, dass es kein Geheimnis ist, dass er oftmals ungerecht, gemein, brutal und ungnädig zu ihr war. Sie hat beschlossen, dass sie seinem unehrlichen Verhalten Treue bis zum Tod entgegensetzen wird, damit er auch im Rückblick über den Tod hinaus erkennt, welchen Schatz er hatte. In der Tat würde sie besser daran tun, im Garten spazieren zu gehen oder sich auf das Pferd zu schwingen. Sie soll doch dem Gaul das Zaumzeug anlegen und dann zu Nachbarn reiten. Popova ist ganz aufgelöst und beginnt zu weinen. Was ist los, liebste Herrin? Der Himmel soll mit ihr sein, fleht sie! Ihr Gemahl war so liebevoll zu Toby. Immer, wenn er die Nachbarn zu besuchen pflegte, setzte er sich auf seinen Rücken. Wie kraftvoll schaute er aus und wie vortrefflich verstand ihr Mann zu reiten, erinnert Luka sich? Er soll Toby von ihrem Gram erzählen und ihm eine Sonderration Hafer geben.
2
Es klopft laut an die Haustür. „Who is that? Say that I’m not at home!“ Der Diener erhebt sich träge und schaut nach, wer Einlass begehrt.
Popova hat sich auf die Chaiselongue gelegt und betrachtet inbrünstig das geliebte Foto. „Du wirst sehen Nicholas, wie sehr ich Dich liebe und wie ich vergeben kann. Meine Liebe wird erst abnehmen, wenn mein Herz aufhört zu schlagen.“ Laut schluchzend richtet sie sich auf und klagt den Möbeln ihr Leid. „Ich bin solch eine gute kleine Frau. Ein treueres und anschmiegsameres Weib gibt es nirgendwo auf der Welt. Ich habe auf mich selbst geschaut und beschlossen, dir mein ganzes Leben treu zu sein, während du unablässig auf mich herabgesehen hast. Bist du nicht beschämt von dir selbst - you silly old fatty?“ Szenen hat er ihr gemacht und sie allein gelassen. Für Wochen ohne Ende! Luka nähert sich flüsternd. „Madam, da ist jemand, der Sie sprechen möchte!“ Hat er nicht zu ihm gesagt, dass er nicht zu Hause sei? Er tat es, aber der andere sagte, dass es sehr dringend sei. Popova will niemanden sehen. Luka habe es ihm erzählt, aber der Eindringling schob ihn einfach zur Seite. Nun steht er im Esszimmer. Wie ungezogen sich das gemeine Volk benimmt, stellt sie fest. Weshalb kommt ein Fremder her, um ihren Seelenfrieden zu stören? Sie wird noch erwägen, in ein Kloster einzutreten.
3
„Fool! Oaf! Blockhead - Narr, Dummkopf, Hornochse!“ Er sei wirklich zu töricht, einen Esel zu unterhalten. Der Besucher schimpft unablässig vor sich hin und meint offenbar den Diener. Doch dann tritt Popova ein und der Fremde nimmt sofort Manieren an. Er stellt sich als Grigory Stepanovitsch Smirnov, Gutsbesitzer und pensionierter Leutnant der Luftwaffe vor. Er müsse sie in einer höchstwichtigen Angelegenheit behelligen. Popova gibt ihm die Hand nicht und fragt nach seinen Wünschen. Das bejammernswerte Ableben ihres Mannes habe diesen daran gehindert, eine Verbindlichkeit in übergeordneter Höhe bei ihm abzudecken. „Wieviel?“ „Eintausenddreihundert Rubel!“ „Wofür?“ „Für Hafer, Madam!“ Popova erinnert den Diener, dass sie ihm Anweisung gegeben hat, dem Pferd eine Extra-Ration Hafer zu geben. Luka verlässt den Raum, um den Befehl nun auszuführen.
Smirnov führt aus, dass er ihrem Mann die Summe aus Freundschaft und Nächstenliebe geliehen habe. Auf seinem Konto habe er Schulden gemacht und zu seinem Verdruss verlange die Bank in der Stadt nun von ihm, das Konto unverzüglich auszugleichen. Er befinde sich in großer Verlegenheit, weil das Geldinstitut schon morgen über den Betrag verfügen möchte. Er sei untröstlich, in Popovas Haus eingedrungen zu sein, um sie mit Nachdruck zu bitten, die fragliche Summe, die er ihrem Mann zur Verfügung gestellt habe, auszuhändigen. Popova schreckt zusammen. Smirnov macht geltend, dass sein Gut zur Versteigerung ausgeschrieben sei, damit seine Schuld getilgt wird. Danach hat er den Status eines Bankrotteurs. Vielleicht wird er sogar im Gefängnis schmachten müssen!
Popova verspricht, die Schulden ihre Mannes zu bezahlen. Ende der Woche wird ihr Verwalter vorbeikommen und dann wird sie die Angelegenheit mit ihm durchsprechen. Smirnov besteht darauf, dass der Fall noch heute geregelt werden muss. Popova bedauert und erklärt, dass die Aussichten düster seien. Dann wird sein Finanzhaushalt zusammenbrechen, sagt Smirnov, er benötige das Geld noch heute.
„My finances will crash
I need it today!“
„I haven't the cash
My bailiff will pay!“
Bargeld bevorratet Popova nicht im Hause. Ihm wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich zu gedulden bis der Verwalter kommt. Smirnov sei angerückt, um sie zu sehen und nicht, um ihren Verwalter zu begrüßen. „Zum Teufel!“ Der Abgewiesene macht seinem Unmut auf unflätige Art Luft. Popova gibt sich gekränkt. Sie sei es nicht gewohnt, solche vulgäre Sprache zu hören; sie wird ihr nicht länger lauschen. Sie eilt fort und schlägt die Tür hinter sich zu.
4
Smirnov verschlägt es die Sprache. Die Gläubiger sind allgegenwärtig, aber wenn er versucht, bei seinen Schuldnern Geld einzutreiben ist keiner zu finden:
„Grozdiov is not at home.
Koritsin is out riding,
Yaroshevitch is still in Rome
and Mishkin still in hiding.“
Am liebsten würde er bittere Tränen vergießen, aber das ist nicht sehr mannhaft. Warum? Warum nur müssen Gläubiger immerzu erscheinen und warum sind Schuldner ewig verschwunden?
„Chubakow is always drunk,
Mazutov is moronic
Nemorov has become a monk
Voinitsky has bubonic.“
Und er sei ständig Opfer von Kummer und Furcht. Aber damit ist jetzt Schluss. Nichts kann ihn von hier vertreiben. Von allen Schurken hat ihn keiner bezahlt - nicht einer! Und alles nur deshalb, weil er zu weichherzig ist, ein Milchbart, ein altes Weib! Wie ärgerlich! Dabei ist er doch im Prinzip furchtlos. Angestachelt vor Wut und Rache, möchte er jetzt auf der Stelle jemanden erwürgen. Er kann kaum noch atmen! Er schluckt! Mein Gott, er fühlt sich krank und ohnmächtig. Dann schreit er. „Hallo! Hallo da?
5
Luka tritt ein. „Well, what is it?“ Smirnov bittet um einen Brottrunk oder um ein Glas Wasser. Der Diener geht, um das Gewünschte aufzutreiben. Smirnov hat ein wenig Zeit, um Überlegungen anzustellen. Wenn sich ein Mann in tödlicher Geldverlegenheit befindet, ist das wie ein Mühlstein, der sich um seinen Hals gelegt hat. Sie will deshalb nicht bezahlen, weil ihr Verwalter nicht zur Stelle ist, schlussfolgert er. Eine typisch weibliche Logik. Es ist der Grund, weshalb er nur ungern mit Frauen Geschäfte macht. Viel lieber würde er auf einem Fass Schießpulver sitzen als sich mit einer Frau anzulegen. Am liebsten würde er laut um Hilfe rufen. Luka bringt ein Glas Wasser und informiert den Ungehaltenen, dass Madam indisponiert sei und niemanden sehen will. „Hau ab, hau ab“ ruft Smirnov hinter ihm her. Luka geht und Smirnov ist mit seinen Überlegungen wieder allein. Bittere Gedanken quälen ihn.
Indisponiert ist sie und sie will niemanden sehen. Sehr gut, denn wenn sie nicht will, dann er sie auch nicht zwingen. Wenn sie nun für eine Woche krank ist, wird er eine Woche hier warten. Sollte es ein Jahr dauern, wird er sich darauf einrichten. Wenn es sein muss, kann er sich gewaltig zurückhalten. Manche Witwen haben Falten im Gesicht, die wie Unkraut wuchern. Nun, Falten kennen wir schließlich alle! Er tritt zum Fenster. Bringt es etwas, wenn er ihr das Pferd abschirrt? Hat der Stallbursche dem Gaul den Hafer schon gegeben? Es ist unerträglich heiß. Nicht einer will zahlen! Die ganze Nacht hat er nicht geschlafen, aber der Gipfel ist dieses weibliche Geheul. Er verspürt Kopfschmerzen. Was ihm jetzt gut tun würde, wäre ein Wodka. Er ruft erneut „Ist da niemand?“
Luka kommt: „Was ist nun?“ „Bring mir einen Wodka!“ Luka geht. Vor dem Spiegel an der Wand nimmt Smirnov Kenntnis von seiner Erscheinung. Lehm in den Haaren, Mist an den Schuhen! Den Duft von ihm selbst nimmt er ebenfalls wahr. Wieso hält er so wenig Sorgfalt auf sich selbst? Was müssen die Leute von ihm denken? Wo bleibt der Wodka? Wo steckt der Narr? Jetzt versucht Smirnov es auf die zivilisierte Weise und gibt seinem Sprechorgan einen sanften schwingenden Klang. „Wodka!“ Zu sich selbst sagt er: „Only keep cool, don't lose your head!“ Unvermutet fängt Smirnov an zu dröhnen: „Dunderhead (Dummkopf), Driveller (Faselhans)! Wodka, Wodka!“ Luka tritt ein und serviert dem Rohling einen Wodka: „Sir, Sie nehmen sich zu viele Freiheiten heraus!“ Smirnov reagiert ärgerlich „Keep your mouth!“ Die Hölle muss ihn hergeschickt haben. Luka verschwindet wieder. Doch welcher Zorn wütet in Smirnov! Er könnte das ganze Haus zu Puder zermahlen. Er fühlt sich positiv krank. Er rebelliert erneut „Hi there!“
6
Popova erscheint und bittet ihn allen Ernstes, ihren Frieden nicht zu stören. In ihrer anhaltenden Einsamkeit ist sie den ungewohnten Klang einer polternden Stimme nicht gewohnt. Gut, dann soll sie das Geld zurückzahlen, welches ihr Mann ihm schuldet, und dann wird er gehen. Sie habe ihm ganz deutlich gesagt, dass sie im Moment das Geld nicht zur Hand habe und er sich noch bis zum Ende der Woche gedulden möge. Und er habe ihr ebenfalls deutlich erzählt, dass er das Geld noch heute haben müsse und nicht erst zum Wochenende. Wenn er das Geld heute nicht bekommt, kann er sich morgen aufhängen. Aber was soll sie tun, wenn sie das Geld nicht hat? Für ihn sei klar, dass sie nicht bezahlen will. Du willst nicht, bekräftigt er nochmals. Nein, sie kann nicht! Wenn sich das so verhält, werde er hier bleiben, bis sie ihn bezahlt hat. Sie soll nicht denken, dass er Spaß mache, brüllt er Popova an und springt noch einmal auf. Popova bittet, dass er mit Schreien aufhören möge. Ihre Wohnung sei kein Pferdestall. Smirnov meint, dass man in einem Pferdestall nicht zu schreien brauche. Er scheint offenbar nicht zu wissen, wie man sich in Gegenwart einer Dame zu benehmen hat. Der Gescholtene behauptet das Gegenteil. Er wisse ganz genau, wie man sich in Gegenwart einer Dame zu benehmen habe. Nein, er weiß es nicht! Doch, er weiß es. Es verhält sich nicht so, wie er sagt. Als ungehobelter, ungesitteter Bauer verstünde er es nicht, mit einer Dame Konversation zu machen. Ihre Aussage sei für ihn eine Überraschung. Wie möchte sie sich mit ihm unterhalten, etwa auf Französisch?
7
Smirnov parodiert:
„Madame, je vous prie
Sortez d'ici with me,
and let us walk together
in this idyllic weather.
pour oublier nos troubles.
Madame je vous prie
sortez d'ici with me.
I feel so very gay
that you will not repay
my thirteen hundred roubles.
Madame je vous prie
flânez un peu with me.
Your humble servant pleads:
Put off your widow's weeds.
Unveil, as did Salome!
Madame, je vous prie
sortez with me d'ici
I feel bien amusé
that you will not repay
the money that you owe me.“
Popova erklärt, dass sie sein Liedchen nicht besonders klug, auch nicht lustig, sondern eher geschmacklos finde. Dann weiß er tatsächlich nicht, wie er sich in Gegenwart einer Lady zu benehmen habe. Aber sie soll ihm glauben, dass er in seinem Leben schon mehr Damen gesehen hat, als sie Spatzen. Mit drei Gegnern gleichzeitig hat er Duelle ausgetragen. Mehr als zwanzig Frauen habe er den Laufpass gegeben und zehn haben ihn davon gejagt. Er kenne die Liebe in- und auswendig. Er habe geliebt, gelitten und geseufzt. Würde sie dafür nicht eine Menge geben? Er schnappt mit den Fingern. Gewiss kann er ihr auch erzählen, wenn er soviel Ahnung hat, wer aufrichtiger und beständiger in der Liebe sei. Ist es etwa der Mann? Smirnov sieht es so, aber Popova bezweifelt es und lacht ärgerlich. Möchte er etwa ihren Mann verteidigen und sie anklagen? Er soll sich die Wahrheit erzählen lassen,
8
„I was a constant, faithful wife,
every temptation scorning,
and shall be constant all my life.
In mourning, mourning, mourning.
Defend my husband if you can!
What words could you praise him in?
A woman loves one man. My man
loved women, women, women! ...
I was a constant, faithful wife,
every temptation scorning,
and shall be constant all my life.
In mourning, mourning, mourning.“
Der Song hat insgesamt sieben Strophen, Smirnov fühlt sich belustigt und lacht höhnisch. Was singt sie ihm vor? Als ob er nicht wüsste, weshalb sie schwarz trägt und sich in vier Wände einschließt! So geheimnisvoll, so poetisch! Man kennt solche Tricks. Popova braust auf. Smirnov setzt seinen Tadel fort. Sie habe ihr eigenes Leben beerdigt, aber nicht vergessen, sich das Gesicht zu pudern. Nun wird es Popova zu viel: Was nimmt er sich heraus? Nun ist es an Smirnov, Popova aufzufordern, ihn nicht anzuschreien. Er sei nicht ihr Verwalter. Popova bleibt nicht länger cool und vornehm: „Gauner, Monster, Teufel“! Er soll verschwinden. Smirnov frohlockt, weil sie die Fassung verliert und lacht sie aus. Er wird noch im Gefängnis enden, wenn er sie herausfordert, droht sie. Smirnov ersucht die Aufgebrachte erneut, nicht so zu schreien. Er selbst sei doch derjenige, der immerzu grölt. Gut, dann soll sie ihm sein Geld geben und dann wird er gehen. Erneut beschimpft sie ihn als Bauer. Sie läutet die Tischglocke und pflichtgemäß erscheint Luka. Popova eröffnet ihm: „Luka, this man is going. Kindly show him the back door! - Luka, Dieser Mann möchte gehen. Sei so freundlich und zeige ihm die Haustür“!
9
Kann Luka es wagen ihm die Tür zu zeigen? Türen hat Smirnov in diesem Haus genug gesehen. Man braucht sie ihm nicht zu zeigen. Der Dialog geht weiter: Er sei ein Flegel und sie sei langweilig, tönt das Echo. Luka gibt sich ängstlich. Gott möge ihn beschützen. Smirnov soll es nicht wagen, den alten Diener anzufassen. „Madam, sie sind meine Schuldnerin“ nimmt der Hartnäckige einen neuen Anlauf. Popova scheint der Wortschatz auszugehen „You sir, are a bear!“„Ein Bär?“ Die Zeiten seien vorbei, in denen Männer auf weibliche Beleidigungen lediglich zu antworten haben. Da man eine Ebenbürtigkeit zwischen den Geschlechtern wahrgenommen habe - dann lass uns das Vergnügen haben. Er fordere sie heraus. Popova missversteht gründlich. „Du wünschest ein Duell?“ Eine verrückte Idee, aber nicht schlecht. Ihr Mann hatte etliche Pistolen. Das ist ein guter Augenblick. Sie wird die Instrumente unverzüglich holen. Welch ein Vergnügen, dem Dickschädel eine Kugel in den Kopf zu jagen! Der Teufel soll ihn holen. Er wird sie wegpusten, wie ein Rebhuhn. Schließlich ist er keine sentimentale Puppe. Aber: Welch eine Frau? Ihre Augen flackern und die Wangen leuchten. Sie akzeptiert seine Herausforderung. Eine ähnliche Frau wie sie hat er nie gesehen. Ist egal! Er muss sie umlegen. Das ist eine Sache des Prinzips!
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Inständig fleht Luka Smirnov an, das Haus zu verlassen. In Gedanken ist dieser noch ganz bei Popova. Welches Feuer, welche Glut! Ein Kätzchen zum Spielen, eine Tigerin zum anschlagen! Zweifellos wird sie ihn ohne jedes Mitgefühl umlegen, falls er sie lässt.
„Sir, go away,
O, leave us I pray.“
Plötzlich wird ihm klar, dass er die Frau liebt. Sein Ärger ist verschwunden. Er ist sogar bereit, ihr die Schulden zu erlassen. Eine wundervolle Frau. Wäre es nicht schade, sie zu töten? Popova kommt zurück. In jeder Hand hält sie eine Pistole. Sie schwenkt sie herum. Aber bevor man beginnt, muss er ihr noch zeigen, wie man mit der Waffe umgehen muss. Noch niemals je zuvor hat sie eine Pistole in der Hand gehabt. Luka lässt sich nicht abhalten, unablässig zu beten. Der Herr soll die Anwesenden segnen und Mitleid mit allen haben. Der Opernbesucher denkt, Luka bete eine Litanei herunter.
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Smirnov nimmt eine der Pistolen und begutachtet sie. Eine wundervolle Waffe! Popova soll sie halten, wie er es ihr vormacht. Hat sie nicht wundervolle Augen? Seine Schülerin fragt zurück, ob sie die Waffe richtig hält. Smirnov erläutert nun ihre Benutzung: „Now load like this... Head back a little! Arm full length, right!... that's it. Then with this exquisite finger press on this little thing - it's called a trigger .. and that's that. Above all, keep cool, and try to stop your hand from shaking. - Nun lade sie so... Den Kopf ein wenig zurücklehnen. Den Arm ganz ausstrecken. Richtig! ... Das wäre es. Dann mit dem Zeigefinger drücken auf dieses kleine Ding - es wird Abzug genannt - und das wäre es! Versuche, die Ruhe zu bewahren und achte darauf, dass Deine Hand nicht wackelt.“ Sehr gut. Aber wäre es nicht eine bessere Idee, zur Schießerei in den Garten zu gehen. Die Möbel könnten Schaden nehmen. Luka schwebt in tausend Nöten. Er wird jetzt gehen, um den Koch zu holen und den Stallburschen suchen.
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Soweit ist alles in Ordnung, aber Smirnov warnt sie, er wird vorher einmal in die Luft feuern. „Zu was soll das gut sein?“ Der Schütze gerät in Verlegenheit und weicht aus: Es sei seine Angelegenheit. Ah, er bekommt es wohl mit der Angst zu tun. Bei ihr sei das Gegenteil der Fall. Sie könne es nicht abwarten, in seinen verdammten Dickschädel ein Loch zu schießen. Ist er kein Mann? Jetzt bricht es aus Smirnov heraus: „Because ... because ... I like you.“ Popova lacht ärgerlich und wiederholt: „He likes me! He is not a man - and he likes me!“ Sie zeigt auf die Tür und bedeutet ihm, dass er verschwinden kann. Smirnov steckt in Ruhe die Pistolen weg, setzt seine Kappe auf und geht zum Ausgang. An der Tür hält er kurz an und beide schauen sich an ohne ein Wort zu sagen. Dann kommt er zurück: „Listen... Are you still angry?... Well I'm angry too, but don't you see... How can I explain?... The fact is... the fact is...” Smirnov will sich auf einen Stuhl setzen, doch dieser bricht zusammen. „Hell take it! What delicate furniture you've got. I'm almost in love with you.” Er hat ihr seine Liebe erklärt und wartet auf ein positives Signal. Doch Popova ist nicht geneigt „Stay away from me - I hate you“ faucht sie ihn an. O Gott, was für eine Frau! Smirnov gibt sich verloren. Er sitzt fest wie eine Ratte in der Falle. Nein, wie eine Maus. Erneut geht er auf sie zu. Er soll sich von ihr fernhalten oder sie wird Feuer geben.
„Fire! I would gladly die.
Slain by a hand so sweet.
Fire! I would gladly lie
Dead at such dainty feet.
Fire but before we part,
before you take my life,
Know that you set my heart
on fire!“
Smirnov kniet vor Popova nieder und bittet sie, seine Frau zu werden.
„Let us fight! Let us fight!“
In der Absicht, sie zu heiraten, hat Smirnov ihr seine Hand geboten. Sie hat die Geste ausgeschlagen. Nun wird sie bekommen, wozu sie sich entschieden hat... Plötzlich richtet er sich auf und eilt zur Tür. Popova besinnt sich. Er soll einen Moment warten. Doch dann überlegt sie es sich anders. Er soll gehen. Sie hasse ihn für immer. Dann soll er wieder nicht gehen. Ihm wird die Situation langsam zu dumm, dem Opernpublikum auch. „Hands off! I hate you! I challenge you! Let us fight!“ Popova macht aber nicht Ernst, denn sie versteht auch Spaß. Er kommt zurück und schließt sie in seine Arme. Sie läutet die Tischglocke und Luka, der Koch und der Stallbursche stürzen herein. Da Paar befindet sich in enger Umarmung. Luka stellt fest, dass der Herr das Haus gesegnet hat.
Letzte Änderung am 6.8.2010
Beitrag von Engelbert Hellen