Gaspare Luigi Pacifico Spontini (1774-1851):
Agnes von Hohenstaufen
Anlass: | Hochzeit der Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach mit Prinz Carl von Preußen (Aufführung des ersten Aktes am 28.5.1827) |
Entstehungszeit: | 1829 |
Uraufführung: | 12. Juni 1829 in Berlin |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Bemerkung: | „Agnes von Hohenstaufen“ war Spontinis letzte Oper. Ein Kapitel deutscher Geschichte lässt der Maestro auferstehen und formt es nach seinem Geschmack. Dieser ist auf Pomp ausgerichtet und trifft damit das Repräsentationsbedürfnis des preußischen Königshauses. Mit unerhörter Meisterschaft reiht Spontini einen Effekt an den andern. Gewaltige Chor- und Ensembleszenen wechseln mit emotionsgeladenen Einzelauftritten. In rasanten Tempi durchgepeitscht, verschlägt es dem Zuhörer den Atem. Ein Meilenstein der Interpretationsgeschichte ist die denkwürdige Aufführung von 1954 zu den Florentiner Mai-Festspielen, in welcher Franco Corelli als Heinrich von Braunschweig den samtweich dunklen Purpur seiner betörenden Stimme ausbreitet. Nicht minder faszinierend schickt Lucile Udovick, in hochdramatischer Entfaltung das berühmte Gebet zum Himmel. |
CD: | [Details] |
Agnese di Hohenstaufen (Walhall, ADD/m, 1954) Gaspare Spontini (1774-1851) |
Art: | Romantische Oper in drei Akten |
Libretto: | Ernst Benjamin Salomon Raupach |
Sprache: | italienisch |
Ort: | Mainz |
Zeit: | zu Ende des 12. Jahrhunderts |
Agnese: | Agnes, Gemahlin von Heinrich von Braunschweig |
Enrico di Braunshwig: | Heinrich von Braunschweig, Sohn Heinrich des Löwen |
Filippo di Hohenstaufen: | Philipp von Hohenstaufen, Bruder des Kaisers |
Il Duca di Borgogna, Re di Francia: | Der Herzog von Burgund, König von Frankreich |
Enrico il Leone: | Heinrich der Löwe, Herzog der Welfen |
L'Imperatore Enricho VI: | Kaiser Heinrich VI. |
Irmengarda: | Mutter von Agnes, Witwe Konrads von Hohenstaufen |
L'Archivescovo di Magonza: | Der Erzbischof von Mainz |
Il Castellano: | Der Kaplan |
Teobaldo: | Theobald, Schildknappe des jungen Heinrich |
Weitere: | Der Herold, Fürsten, Edelleute und weitere |
Die große Sehnsucht der deutschen Kaiser des Mittelalters war die Spitze des italienischen Stiefels. Thronansprüche konnten nur durchgesetzt werden, wenn man Feldzüge startete, um die Normannen zu vertreiben. Heinrich der VI. hat in Mainz einen Reichstag einberufen, um die Fürsten und Herzöge an Treue und Gefolgschaft zu erinnern und um ihre Huldigungen entgegenzunehmen. Auf nach Italien!
Der Welfenherzog Heinrich der Löwe hielt nie viel von der kaiserlichen Gewalt, und deshalb sitzt er fatalerweise in der Verbannung und leistet in England seinem Schwiegervater Gesellschaft. Sein Sohn, der auch Heinrich heißt, wurde ins Exil nach Frankreich geschickt. Sehr zum Leidwesen von Agnes, die ihren Heinrich über alles liebt und ihn sehr vermisst. Ihre hochadelige Mutter Irmgard hält zu ihr und hätte gegen eine Hochzeit nichts einzuwenden, aber der Kaiser hat andere Pläne mit Agnes. Er möchte, dass sie aus politischem Kalkül den König von Frankreich heiratet. Dieser ist ein wenig eigen und will zuerst einmal anschauen, was ihm angetraut werden soll. Zu diesem Zweck gibt er sich inkognito und tritt als Herzog von Burgund auf. Heinrich, wir nennen ihn zur Unterscheidung von seinem bedeutsamen Vater den jungen Löwen, ist nicht auf den Kopf gefallen, verkleidet sich als Troubadour und erscheint mit seiner Laute ebenfalls zum Fest. Seine Sehnsucht nach der lieben Agnes ist sehr groß und umgekehrt verhält es sich genau so. Philipp, dem Bruder des Kaisers, ist es gar nicht recht, dass Kaiser Heinrich den jungen Löwen anfeindet, nur weil er den Vater nicht leiden kann. Jedenfalls ist der wehrhafte Jüngling anständig und hat bewiesen, dass er loyal an der Seite des Kaisers steht, eine Tatsache, die sein Freund Philipp bezeugen kann.
Heinrich von Braunschweig findet den Weg zu Agnes, aber die Wiedersehensfreude mit den beiden adeligen Damen ist nur von kurzer Dauer. Im Festsaal hat der Kaiser die Verlobung des französischen Königs mit Agnes von Hohenstaufen öffentlich bekanntgegeben. Der Herzog von Burgund ist vertretungsberechtigt und macht Agnes heftig den Hof. Der junge Löwe kann seine Eifersucht nicht verbergen und es kommt zum Skandal. Der Herzog von Burgund ist tief gekränkt, weil ihm angeboten wurde, was nicht mehr verfügbar ist. Einen doppeldeutigen Brief an seinen Vater hat Heinrich noch nicht zur Pferdepost gegeben und trägt ihn fatalerweise mit sich herum. Eine Anklage wegen Hochverrat ist schnell formuliert. Die Tränen von Agnes und Irmgard lassen den Imperator kalt.
Auf einer Rheininsel findet sich Heinrich von Braunschweig eingekerkert und zur Untätigkeit verdammt. Der Schildknappe Theobald hat ein vertrauensvolles Verhältnis zu seinem Herrn und ist zu ihm vorgedrungen. Wie wäre es, wenn er aufbräche, um den Vater über seine fatale Lage zu informieren? Ein hochgestellter Bote bringt dem Eingekerkerten den Urteilsspruch des Kaisers, er könne zwischen ewigem Bann unter Verzicht auf Agnes und seiner Hinrichtung wählen. Da gibt es für Heinrich nicht viel zu überlegen, er wählt die Hinrichtung. Doch seine Getreuen lassen ihn nicht im Stich. Als man ihn zum Galgen führen will, wird er durch einen Handstreich befreit.
Der Herzog von Burgund ist immer noch gekränkt und will den jungen Heinrich beim bevorstehenden festlichen Turnier zum Zweikampf herausfordern. Der Kaiser schlägt dagegen vor, den jungen Löwen dem König von Frankreich als Gefangenen zu unterstellen. In Wirklichkeit hat er einen Meuchelmörder gedungen, der ihn auf dem Weg dorthin heimtückisch erdolchen soll. Ein Scheusal, dieser Kaiser, aber tüchtig!
Irmgard ist im Besitz schlechter Nachrichten. Trotz eindringlicher Bitte ist der Kaiser nicht zur Milde zu bewegen. Mit Unterstützung des Erzbischofs von Mainz wendet sich Agnes nun an den Himmel direkt und fleht um Heinrichs Rettung. „O Re di cieli“ heißt die schönste und berühmteste Arie der Oper. Hochdramatisch vorgetragen, verfehlt sie beim himmlischen Vater ihre Wirkung nicht. Urplötzlich steht Heinrich vor Agnes.
Jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht. Irmgard bittet den Erzbischof, Agnes und Heinrich sofort durch das Band der Ehe für immer zu vereinen. Der König von Frankreich, immer noch unter dem Deckmantel des Herzogs von Burgund, dringt mit seinen Kriegern gewaltsam in das Kloster ein, um Heinrich zu stellen. Es geht dabei nicht so sehr um Agnes, sondern eine Zusammenkunft mit dem väterlichen Löwen ist unter allen Umständen zu verhindern. Ein Kampf entbrennt zwischen den Franzosen und Heinrichs Gefolgsleuten, doch der Himmel schaut nicht tatenlos zu. Ein Blitzstrahl setzt den Dachstuhl des Klosters in Brand, und die Rauchentwicklung macht ein Weiterkämpfen unmöglich. Die Streitenden senken die Waffen.
Die Vorbereitungen zur Hochzeit zwischen Agnes und dem französischen König, der sich bisher formell nicht einmal vorgestellt hat, sind voll im Gange. Irmgard rät den beiden zur Flucht. Der junge Löwe zieht es vor, mit dem Herzog von Burgund um seine Ehre zu kämpfen. Der letztere verliert und muss den Edelmut Heinrichs in Anspruch nehmen. Als Dank verzichtet er auf Agnes. Heinrich VI. sieht seine politischen Pläne durchgekreuzt, kann aber nichts ausrichten, weil die Ehe zwischen Agnes und dem jungen Löwen mit kirchlichem Segen geschlossen wurde. Irmgard bezeugt es. Der Kaiser gibt sich unerbittlich und setzt sich in Opposition zu den versammelten Fürsten, die sich bedrohlich gegen ihn wenden. Doch der junge Namensvetter zeigt ritterliche Treue und stellt sich schützend vor den Kaiser.
Ein geheimnisvoller Ritter betritt den Saal und öffnet sein Visier. Der Ankömmling ist Heinrich der Löwe. Aus England zurückgekehrt, hat er von den Anwesenden unbemerkt soeben Mainz erobert und hält alle Macht in Händen. Aber Edelmut geht vor Machtgier. Er weitet seinen Sieg nicht aus, sondern hat sich etwas ganz besonderes ausgedacht. Enrico il Leone kniet lammfromm vor dem Kaiser nieder und mit großspuriger Geste, die alle zu Tränen rührt, legt er dem Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation sein edelsteingeschmücktes Schwert vor die Füße. Er habe nicht aus Übermut gehandelt, bekennt er, sondern einzig die Rettung seines Sohnes war ihm wichtig. Solchem Großmut ist der Kaiser nicht gewachsen. Um sich erkenntlich zu zeigen, gibt er nachträglich die Einwilligung zur Hochzeit der beiden Liebenden.
Salve! Salve! Hohenstaufen!
Letzte Änderung am 25.10.2007
Veröffentlichung mit Zustimmung von musirony