Entstehungszeit: | 1919-22 |
Uraufführung: | 1924 in Köln unter Otto Klemperer |
Spieldauer: | ca. 130 Minuten |
Verlag: | Wien: Universal-Edition (Nr. 7214), 1923 |
Art: | Oper in 3 Aufzügen |
Libretto: | Franz Schreker |
Sprache: | deutsch |
Ort: | Österreich |
Zeit: | im 18. Jahrhundert |
Heinrich: | Graf von Irrelohe |
Eva: | Tochter des Försters |
Lola: | Schankwirtin |
Peter: | ihr Sohn |
Christobald: | Lolas ehemaliger Verlobter |
Fünkchen: | Vagabund |
Strahlbusch: | Vagabund |
Ratzekahl: | Vagabund |
Anselmus: | Diener des Grafen |
Weitere: | der Förster, der Pfarrer, der Müller |
Lola war jung und schön. Viele Verehrer bemühten sich um sie, doch Lola ließ sie zappeln. Einem schenkte sie jedoch Gehör und wollte ihn heiraten. Am Tage ihrer Hochzeit kam ein anderer, der fragte erst nicht, sondern nahm sich mit Gewalt, was ihm gefiel - und gefallen hat ihm Lola.
Nun sitzt Lola in ihrer Schenke, die sie mit viel Flitterkram und Erinnerungsstücken aus der Vergangenheit ausgestattet hat. Als Blickfang durch das große Fenster im Hintergrund des Lokales bietet sich dem Besucher das Schloss „Irrelohe“ das architektonische Kleinod des Dorfes.
Mit der Geschichte dieses Schlosses fühlt sich Lola auf seltsame Weise verbunden. Peter liebt es nicht, wenn die Gedanken der Mutter sich ständig mit diesem Thema beschäftigen.
In alter Zeit hatte der Herr Graf von „Irrelohe“ ein Verhältnis mit einer Nixe. „Sie liebten sich krank, sie liebten sich tot, da grüßte ein Knäblein das Morgenrot“. Feuer und Wasser sind zwei Elemente, die einander ausschließen. Zu Lande regiert das Feuer. „Die Flammen lockten, sie fraßen den Knaben, es muss das Schicksal sein Opfer haben“. Die Herrschaften auf dem Schloss werden selten alt. Das geht nun schon seit hundert Jahren so. Die Flammen fressen sich in Herz und Hirn und schließlich die ganze Person.
Selbst den Grafen Heinrich werden die Flammen eines Tages verschlingen, obwohl er es gar nicht verdient hat. Er lebt still und bescheiden, meidet die Dörfler und beschäftigt sich mit seinen Büchern.
Eine Nixe gehört nun einmal ins Wasser und hat auf einem Schloss nichts zu suchen, weil es Unglück bringt. Auf rätselhafte Art hat die Nachkommenschaft unter dem Fehlverhalten des Vorfahren zu leiden. Lola will ihre Ahnung dem Sohn nicht verheimlichen. Das Schloss wird vom Feuerteufel regiert.
Peter will mehr wissen. Was hat die Mutter mit der ganzen Sache zu tun? Vor allem, wer ist sein Vater? Die Eva, des Försters Töchterlein, will nichts von ihm wissen, weil er keinen Erzeuger vorweisen kann. Morgen wird die Mutter ihm den Namen nennen.
Der Opernbesucher hat es längst erraten, wer der Vater ist! Der Graf von „Irrelohe“, wer sonst?
Christobald ist ein fahrender Spielmann. Mit einer Feder am Hut und einer Fidel unter dem Arm betritt er Lolas Gaststätte. Geld hat er keines, aber ein Gläschen Landwein gibt es zur Begrüßung umsonst.
Der Alte will wissen, dass auf dem Schloss bald Hochzeit gefeiert wird. Er hat davon geträumt, und seine Träume werden wahr, behauptet der seltsame Kauz. Nun, wenn das so ist, kann er doch mit seiner Fidel auf der Hochzeit erscheinen und zum Tanz aufspielen, meint Peter dazu. Der Besucher hatte ihn merkwürdig angestarrt, als ob sich die beiden schon einmal begegnet seien.
Dem Alten geht es wie Lola. Auch ihn lassen die Erinnerungen nicht los, auch er verspürt eine seltsame Bindung zum Schloss. Ein Gläschen Alkohol reicht aus und der Alte plaudert über Dinge, die er besser für sich behalten würde:
Die Grafen von „Irrelohe“ sind vom Schicksal dazu verurteilt, junge Bräute zu entehren. Sie warten, bis die Hochzeitsglocken läuten, und während das Volk tanzt und fröhlich ist, kommt der Herr Graf mit seinem Pferd angeritten, stürzt sich mit hochrotem Kopf auf die Braut und bemächtigt sich des verdutzten Mädchens an Ort und Stelle.
Christobald weiß, wovon er redet, denn sein Schicksal hat sich so zugetragen, und als es passierte, ist er passiv geblieben, hat feige die Flucht ergriffen und sein Mädchen im Stich gelassen. Will Peter wissen, wer seine Braut war? Die rote Lola!
Peter reicht es und wird bewusstlos. Die Mutter kommt herbeigestürzt und will die Ursache ergründen. Nach langer Zeit der Trennung erkennt man sich wieder. Der Christl sieht ganz schön alt aus, stellt Lola an ihrer einstigen Liebe fest. Man beschnuppert sich und geht ins Nebenzimmer.
Eva rüttelt an der Tür. Peter soll aufmachen, sie hereinlassen und dann die Tür gleich wieder verschließen. Ein Kerl ist hinter ihr her, schon seit Tagen. Der Opernbesucher weiß Bescheid. Gewiss ist es Graf Heinrich. Hat er ihr schon die Kleider vom Leib gerissen und sie zu Boden geworfen?
Nein, so weit ist es noch nicht gekommen. Jedoch hat sein Blick ganz irre geflackert und sein Keuchen hat sie gehört, wie er hinter ihr hergelaufen ist, aber sie hatte die flinkeren Beine. Peter soll ihn nicht gleich umbringen, vielleicht kann der Unglückliche für seinen Trieb nichts und leidet eventuell sogar darunter.
Ach, er quält sich durch ihre Träume, und sie nimmt ihn auch noch in Schutz. Ähnlichkeiten im Wesen mit Peter hat sie auch schon festgestellt. Jetzt bleibt dem verzweifelten Peter nur noch der Selbstmord!
Der Pfarrer begegnet dem Müller an der Wegkreuzung und lobt das prächtige Korn, welches er geladen hat. - Malen kann er es leider nicht mehr. Die Mühle ist in der Nacht einem Brand zum Opfer gefallen. Jedes Jahr am 13. Juli brennt in dem Ort ein Gebäude ab. Es ist wie verhext.
Die Brandstifter sind Fünkchen, Strahlbusch und Ratzekahl, drei Vagabunden auf der Durchreise, die der Jugend auf der Tenne zum Tanz aufspielen. Zu ihnen gesellt sich noch ein Vierter; es ist Bruder Christobald. Er ist der große Meister und angefüllt mit wildem Grimm. Es geht nicht um Geld, es geht um die Ehre. Gestern die Mühle und heute Nacht wird das Schloss an die Reihe kommen. Fachwerk brennt gut! Wenn es ihm nach ginge, stünde bald die ganze Welt in Flammen.
Eva hatte sich hinter dem Wegkreuz versteckt und die wilden Gesellen belauscht. Der Herr Graf ist in Gefahr und ahnt es nicht einmal. Sie muss sofort zum Schloss eilen und ihn warnen.
Der Christl soll es lassen. Lola ist gegen den Plan. Was geschah, ist lang her, und der junge Graf Heinrich kann nichts für die Schuld seines Vaters. Doch Christobald meint, nur Feuer könne die Schmach wegfressen, die man beiden angetan hat. Es ist sein Traum seit dreißig Jahren, den Herrensitz anzuzünden. Er wird nicht noch einmal feige sein.
VERWANDLUNGSMUSIK
Anselmus, der Diener des Grafen, soll Eva ein Briefchen und einen Blumenstrauß zustellen. Durchlaucht möchte, dass sie zu einer Aussprache ins Schloss kommt.
In einem Monolog erklärt Heinrich dem Opernpublikum seine Ängste, seine Einsamkeit und seine Lebenserwartungen. Er ist es leid, schweigend zu dulden und von der Welt ausgesperrt zu sein. Er sehnt sich nach Glück und Liebe. Eine irre Lohe kann kommen und seinetwegen alles niederbrennen. Auf Schlossgespenster kann er gern verzichten.
Eva ist ihrer Eingebung gefolgt und ins Schloss geeilt, um Heinrich zu warnen. Dieser ist über den Besuch entzückt, plündert die Vasen und streut die Blumen im Halbkreis um Eva. Artig entschuldigt er sich, falls er sie in seinem Ungestüm letzten Abend erschreckt haben sollte.
Was nun folgt, ist das große Liebesduett zwischen dem Herrn Grafen und der Försterstochter. An Intensität reicht es an die Leidenschaft, die einst Tristan und Isolde ergriff, ohne weiteres heran. Es endet damit, dass sich sehnend Mund zu Mund findet.
Die Tür stand offen, und überraschend taucht Christobald auf. Er fragt nach dem Hochzeitstermin und ob er zum Tanz aufspielen darf. Er wird auch für ein prächtiges Feuerwerk sorgen, doch Eva warnt.
Anselmus kommt unverrichteter Dinge zurück. Zu seiner Verwunderung wird ihm die neue Schlossherrin vorgestellt. Was wird Peter dazu sagen?
Peter ist nicht in Stimmung, hat Kopfschmerzen, und die Mutter muss ihn aufmuntern. Eva befindet sich in der Verlegenheit, die Entwicklung der aktuellen Situation zu erklären. War es nicht so, dass sie beide von Kindheit an nur Gespielen waren? Gut, ein bisschen Liebe war auch vorhanden. Aber so richtig geknistert hat es nicht. Peter sieht die Sache völlig anders. Das Feuer der Liebe hat in seinem Innern gelodert, nur hat er sich mühsam beherrscht. Er warnt Eva nachdrücklich, auf keinen Fall soll sie zur Tenne gehen und mit Heinrich tanzen. Doch Eva ist nicht geneigt, sich nötigen zu lassen und erklärt, dass Heinrich ihr Mann sein wird.
Förster und Pfarrer sind innerlich tief beunruhigt. Heute sollen Heinrich und Eva miteinander vermählt werden. In Festtracht und mit zahlreichen Blumensträußen erscheinen die Dörfler zum Gottesdienst. Jeder kennt den Fluch der, auf den Herren von „Irrelohe“ lastet. Genau dreißig Jahre ist es her, dass Peters Mutter Böses angetan wurde. Das Verbrechen blieb bis heute ungesühnt. Unheil liegt in der Luft.
Die Trauung in der Kirche ist vollzogen. Hoch lebe Graf Heinrich und die Gräfin Eva. Wie es Brauch ist, soll nun der Hochzeitsreigen getanzt werden. Die Musik erklingt bereits. Auch Lola ist auf dem Kirchplatz erschienen und singt ihr bekanntes Liedchen: Einst war ich jung einst war ich schön. Christobald wird von der Erinnerung an die Vergangenheit überwältigt und musiziert immer hektischer.
Das Spiel des Musikanten und das Lied der Mutter machen Peter rasend. Auch in ihm fließt das Blut der Grafen von „Irrelohe“, mit seiner Beherrschung ist er am Ende.
Peter erklärt dem Grafen, dass er sein Bruder sei und der gemeinsame Vater in der Hölle schmore. Ein Vorschlag zur Güte: Er will teilen. Heute bekommt das Evchen derjenige, der die älteren Rechte hat, und ab morgen darf der Ehemann die Frau dann für immer behalten. Die Situation eskaliert, Peter erfasst maßlose Begierde und gerät verbal außer Kontrolle. Der Förster versucht vergeblich, den Rasenden zu beruhigen. Heinrich ist ohne Waffe, niemand hilft ihm, kampfsporterprobt erwürgt er den hitzigen Nebenbuhler mit bloßen Händen. – Lola weint und Eva ist verstört.
„Irrelohe“ steht in Flammen. Christobald und seine Zündler haben ganze Arbeit geleistet. Man betrachtet das prächtige Schauspiel und hofft, dass der Fluch, der über dem Dorf lastet, damit ein Ende gefunden hat.
Und Eva und Heinrich gehen einem neuen Anfang entgegen.
Anekdotisch sei vermerkt, dass die Oper nach einer Ortschaft benannt wurde. Der Komponist reiste nachts mit dem Zug durch die Lande. Mit lauter Stimme ruft der Bahnwärter die Bahnstation „Irrloh“ aus und weckt den prominenten Passagier. Abrupt aus dem Schlaf gerissen, schaut Franz Schreker aus dem Abteilfenster und registriert in seinem Gedächtnis den Namen der Station. Ein paar Tage später ist das Libretto zur Oper Irrelohe fertig.
Die Komposition dauerte etwas länger. Franz Schreker hat sich vom Expressionismus abgewandt und nutzt in seinem Libretto auf naive Weise die Zutaten und Stilmittel der Romantik: Unheilstiftende Nixen, Dämonisierung des Adels, Schlossbrände, Erbflüche, Bruderzwiste und Spielleute beleben die Szene; die Försterstochter Eva heiratet den Grafen Heinrich. Trotz allem: Das Libretto ist schlüssig und spannend, und der Zuschauer folgt der Handlung mit steigendem Interesse. Die Musik gibt sich klar und verständlich. Sie folgt den dramatischen Situationen; von betörender Klangpracht ist sie doch leicht zugänglich.
Letzte Änderung am 5.7.2006
Beitrag von Engelbert Hellen