Nikolai Andrejewitsch Rimski-Korsakow (1844-1908):
Schneeflöckchen / Snowmaiden / Sniegourotchka
Entstehungszeit: | 1880-81 |
Uraufführung: | 10. Februar 1882 in St. Petersburg (Mariinskij-Theater) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Erstdruck: | Moskau und St. Petersburg: W. Bessel, 1908 |
Verlag: | New York: Breitkopf & Härtel, 1908 Melville, N.Y : Belwin Mills, 1982 Königsdorf: Capriccio, 1996 |
Bemerkung: | Dieses Musikwerk ist extrem auf Ballett zugeschnitten, denn märchenhafte und mystische Vorgänge lassen sich durch Pantomime besser ausdrücken als durch das gesungene Wort. Trotzdem bleibt für die Gesangssolisten viel Text zum Auswendiglernen übrig. Im Prolog dominiert die Frühlingsfee durch einen bombastischen Auftritt. Bemerkenswert sind auch die Arien des Hirten, der von einem Mezzosopran dargestellt wird (Irina Archipowa war sich nicht zu schade). Je nach Einspielung heißt der Sonnengott entweder Jarilo oder Lumen. Schneeflöckchen ist die dritte Oper des großen Meisters, der sich um die national-russische Oper in der Weise verdient gemacht hat, dass er sich um die Nachlässe seiner Komponisten-Kollegen kümmerte, Schroffes glättete und Fehlendes rekonstruierte. Die Welt des Märchens lag ihm am nächsten und den Hörer wundert es nicht, wie oft russische, kaukasische und orientalische Harmonien bei dem Meister der Orchestrationskunst miteinander verschmelzen. |
Art: | Ballett-Oper in einem Vorspiel und vier Akten |
Libretto: | Nikolai Rimski-Korsakow nach einer Komödie von Alexander Ostrowski |
Sprache: | russisch |
Schneeflöckchen: | (Sopran) |
Die Frühlingsfee: | (Mezzosopran) |
König Frost: | (Bass) |
Zar Berendei: | (Tenor) |
Misgir: | ein Kaufmann (Bariton) |
Kupawa: | ein junges Mädchen (Sopran) |
Lel: | ein Hirte (Mezzosopran) |
Bobil: | ein armer Bauer (Bariton) |
Ein Waldgeist: | (Tenor) |
Jarilo: | der Sonnengott (stumme Rolle) |
DER ROTE HÜGEL, UNWEIT DES DORFES BERENDEI
Um Mitternacht verkündet der Waldgeist auf dem Roten Berg, dass nach langem Winter nun die Zeit gekommen ist, den Frühling willkommen zu heißen. „Der Winter weicht und die Hähne werden laut...“ lässt sich der Gnom vernehmen. Die Frühlingsfee ist soeben vom Himmel herabgestiegen und beginnt mit den vielen Vögeln, die sie begleiten, einen Disput: „Gespielinnen, ihr weiß gestreiften Elstern...“ Sie wehklagt, dass sie sich von ihrer Tochter Snegurotschka möglicherweise trennen muss, denn der Sonnengott Jarilo hat das arme Mädchen zum Tode verurteilt. Wenn Snegurotschka es wagen würde, sich einem Sterblichen im destruktiven Feuer der Liebe zu ergeben, würde er sie zum Schmelzen bringen. Das Publikum erfährt, dass der Vater ihres Kindes König Frost ist. Wie es zur Begattung kommen konnte bleibt geheimnisumwittert, denn die Mutter will darüber nicht sprechen. Theoretisch muss Snegurotschka den Sommer ohne Liebe glücklich überstehen, damit sie den nächsten Winter noch erleben darf.
Die Eltern beschließen, das Kind im Dorf einem bäuerlichen Ehepaar in Obhut zu geben, die Schneeflöckchen an Kindesstatt annehmen. Das Mädchen schließt sich der Dorfgemeinschaft problemlos an und erfreut sich an den fröhlichen Liedern. Der junge Schafhirt Lel glänzt mit einer besonders schönen Stimme, die es unserem Schneeflöckchen angetan hat. Der Waldgeist soll ein bisschen Obacht auf die Kleine geben, bittet ihn die Mutter.
Die Frühlingsfee hat mit dem Finger in Richtung Sibirien gezeigt, wohin der Kindesvater endlich verschwinden soll: „Du hast hier lang genug geweilt...“ Er muss es fest versprechen! Gesundheitlich ist Schneeflöckchen in der Tat sehr sensibel. Wie gut, dass sie nicht weiß, was Liebe ist, denn diese könnte sie mit warmer Glut erfüllen und ein kräftiger Sonnenstrahl würde ihr ein jähes Ende bereiten. Die Einsamkeit des Winterwaldes liebt das Mädchen überhaupt nicht, aber in der Nähe der Menschen schwebt es unaufhörlich in Lebensgefahr – wie gut, dass das Schneeflöckchen keine Ahnung vom wahren Leben hat.
Eine Menge lustiger Berendei-Dörfler erscheint. Sie werden begleitet von Prinz Karneval und alle begrüßen freudig den Frühling.
IM DORF
Der Schafhirt Lel weiß wunderschöne zu Lieder singen: „Durch den Wald ein Rauschen zieht...“. Er ist aber zu schüchtern, mit den Mädchen zu sprechen. Als Snegurotschka nach ihm ruft, um ihm aus Dankbarkeit einen Feldblumenstrauß zu schenken, bringt ihn das so durcheinander, dass er die Blumen wegwirft und einfach davonrennt. Schneeflöckchen ist ebenfalls irritiert und weint. Zum Glück kommt zufällig Kupawa vorbei, die es nicht erwarten kann, mit der Freundin über ihr Glück zu sprechen. Der stattliche Misgir liebt sie und ihre Hochzeit sei schon angesetzt. Nun kommt der Verlobte selbst und hat viele Geschenke dabei. Gemäß altem Brauch muss er die Braut von ihren Freunden erst loskaufen, bevor beide vor den Popen treten können. „Lasst frohe Weisen schallen...“ Aber als er Schneeflöckchen sieht, ist Misgir von ihr so fasziniert, dass er Kupawa nicht mehr beachtet und einen Partnerwechsel in Erwägung zieht. Wie treulos können doch die Männer sein! Die verratene Braut bricht in Tränen aus, wendet sich an die Bienen, und bittet sie, ihre Schande zu tilgen und den Missetäter zu bestrafen. Das Volk ist empört über Misgirs Verrat. Es rät Kupawa, beim Zaren um Gerechtigkeit nachzusuchen.
IM ZARENPALAST
Blinde Guslispieler lassen zur Herrlichkeit des weisen Herrschers von Berendei ihr Instrument erklingen. Aber das Herz des Zaren ist von Unruhe erfüllt. Der Sonnengott Jarilo ist aus unerklärlichen Grund zornig auf die Dorfbewohner. Es gilt ihn zu versöhnen und seine Göttlichkeit zu bestätigen. Als vertrauensbildende Maßnahme beschließt der Zar, seinen Ratgebern zu folgen und den folgenden Tag als den „Tag des Jarilo“ anzusetzen. Jedes Jahr sollen sich die jungen Männer und Mädchen an diesem Tag ehelich verbinden.
Aufgeregt kommt Kupawa herein: „Väterchen, edler Zar...“, beginnt sie. Sie erzählt ihm von ihrem Unglück und der Schande, die Misgir ihr angetan hat. Der Zar ist entrüstet, lässt Misgir vorladen und stellt ihn zur Rede. Dieser versucht erst gar nicht, sich zu rechtfertigen. Er hat Schneeflöckchen mitgebracht und der Zar soll sich bitte selbst informieren, wie schön sie ist. Der König ist von ihrem Geständnis betroffen, weil sie überhaupt nicht weiß, was Liebe ist. Jetzt versteht er auch den Grund von Jarilos Ärger. Der Zar – vielleicht ist es nur der Bürgermeister, er lässt sich aber wie ein Zar verehren - kündigt an, Abhilfe zu schaffen. Jeder junge Mann soll den Versuch unternehmen und bewirken, dass Snegurotschka zu ihm in Liebe verfällt. Dem Erfolgreichsten wird sie ihre Hand zur Hochzeit reichen. Misgir traut sich zu, das Herz des Mädchens zum Erglühen zu bringen und bittet den Herrscher, seine Verbannung einstweilen auszusetzen. Mit diplomatischem Geschick gelingt dem weisen Herrscher, die beiden Freundinnen wieder zu versöhnen. Weder der Zar, noch der Verehrer haben seine Ahnung von der biologischen Beschaffenheit Snegurotschkas.
IM HEILIGEN HAIN
Der Sonnenuntergang setzt ein: „Der frohe Tag entschwindet...“ Auf der Lichtung im heiligen Wald von Berendei wird der Vorabend der Ankunft des Sommers gefeiert. Es findet ein Wettsingen statt und erwartungsgemäß gewinnt Lel den ersten Preis: „Zu dem Donner eine Wolke...“ Der Zar bestimmt, dass er sich dasjenige Mädchen zur Ehe aussuchen darf, welches ihm am besten gefällt. Lel wählt Kupawa und macht ihr einen Heiratsantrag. Snegurotschka ist zwar bedeutend schöner, ihm aber nicht ganz geheuer.
Die Verschmähte ist betrübt und setzt eine eisige Miene auf. Kupawa hat Mitleid mit ihr und überlässt ihr den untreuen Bräutigam als Geschenk. Misgir verkündet ihr in leidenschaftlichen Worten seine Liebe, aber das Schneemädchen kann nicht antworten, weil sie seine Gefühle nicht versteht. Die Umworbene weiß nicht, wovon er spricht und was man mit seinem Angebot anfangen kann. Aber sie ist trotzdem tief beunruhigt und verwirrt.
Als Werkzeug der Frühlingsfee blockiert der Waldgeist Misgirs Pfad. Er legt einen Zauber um den Wald und peinigt Misgir mit dem Bild des Schneemädchens. Lel und Kupawa betreten die wüste Lichtung und Kupawa dankt ihrem neuen Schatz für die Rettung vor der Schande. Als Snegurotschka die beiden turteln sieht, ist Schneeflöckchen der Verzweiflung nahe.
IM TAL JARILOS
Doch das Mädchen hat eine Lösung: Es läuft in den Wald und sucht nach der Mutter. Sie möge ihr doch bitte das Gefühl der Liebe erklären: „Ach Mutter, Mutter was geschieht...“ Die Frühlingsfee setzt ihrer Tochter als Antwort einen Blumenkranz auf den Kopf und schickt sie zu Misgir. Snegurotschka fühlt die Liebe und kann das Zusammentreffen mit Misgir nun gestalten. Die Liebenden fallen sich in die Arme.
Nun geht die Sonne auf und in Erinnerung an die Instruktionen ihrer Eltern eilt Schneeflöckchen weg von Jarilos Lichtstrahlen, welche ihr schwere gesundheitliche Probleme schaffen und negative Folgen haben würden. Alle Warnungen der Mutter werden in den Wind geschlagen.
Beim ersten Strahl der aufgehenden Sonne erscheint der Zar im Tal und segnet alle Brautleute. Misgir erscheint mit Schneeflöckchen. Snegurotschka erzählt dem Zaren von ihrer grenzenlosen Liebe. Doch ihr Glück hält nicht lange an. Nachdem die Tochter von König Frost leidenschaftliche menschliche Liebe erfüllt, ist sie auch anfällig für Jarilos Rache. Der prächtige Strahl der Morgensonne durchbricht den Morgennebel und fällt auf Schneeflöckchen. Sie kann ihrer Mutter gerade noch für die süße Gabe der Liebe danken und schon beginnt ihre Destruktion. Misgir ist entsetzt und singt: „Halt an, halt an, o Schneeflöckchen...“. Snegurotschka löst sich auf und ward nicht mehr gesehen. Aus Verzweiflung stürzt sich Misgir in den See.
„Lebensspendender Jarilo...“ Lel stimmt eine Hymne auf die Sonne an und die Dorfbewohner fallen ein.
Letzte Änderung am 30.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen