The Widow of Ephesus
Entstehungszeit: | 1954, rev. 1966 |
Uraufführung: | 23. Juni 1954 in Köln |
Besetzung: | Soli und Orchester |
Erstdruck: | Mainz: B. Schott's Söhne, 1954 |
Bemerkung: | Es gibt etliche Komponisten der Gegenwart, die sich des gleichen Sujets annahmen, ohne damit einen durchschlagenden Erfolg zu erringen - Karl Amadeus Hartmann und Wolfgang Fortner gehören zu ihnen. Der jüngste ist Michael Hurd (1928-2006), der im Jahr 1971 einen gelungen Sketch von der „Widow of Ephesus“ ablieferte, in welcher der schwarze englische Humor nicht zu kurz kommt. Mehr oder weniger detailliert kommen alle Librettisten zum gleichen Ablauf, der sich an die satirische Dichtung des Petronius, einem Höfling Neros, anlehnt. Unsere Beschreibung fußt auf diesem Manuskript, weil es das Geschehen in den Opernlibretti am besten ausleuchtet. Es sei noch gestattet, auf den Film „Satyricon“ von Federico Fellini aus dem Jahre 1969 hinzuweisen. |
Art: | Oper in einem Akt |
Libretto: | Ludwig Andersen nach dem Satyrikon des antiken Dichters Gajus Petronius Arbiter |
Sprache: | deutsch |
Ort: | in Ephesus |
Zeit: | zu antiker Zeit |
Die Witwe: | (Sopran) |
Die Dienerin: | (Sopran) |
Der Soldat: | (Tenor) |
Der Magistrat: | (Bass) |
Der Freund: | (Bass) |
Vier Freundinnen |
In Ephesus lebte eine Frau, deren Sittsamkeit in so hohem Ansehen stand, dass auch die Frauen aus den Nachbarorten kamen, um sie zu bewundern. Als sie ihren Mann zu Grabe tragen musste, war sie nicht damit zufrieden, nach der landläufigen Sitte dem Trauerzug mit gelösten Haaren zu folgen und vor allem Volke die entbößte Brust zu schlagen, sondern sie begleitete den Abgeschiedenen bis in seine Gruft, in der er nach griechischer Sitte beigesetzt wurde, und begann bei ihm Wache zu halten und ihn Tag und Nacht zu beweinen.
In ihrer Trauer suchte sie selbst den Tod, indem sie alle Nahrung verweigerte, und es gelang ihren Freunden und Verwandten nicht, sie umzustimmen. Zuletzt musste sogar der Magistrat unverrichteter Dinge wieder abziehen und alle Welt beklagte das einzigartige Beispiel einer Frau, die schon den fünften Tag ohne Nahrung zubrachte.
Bei der Frau befand sich noch eine überaus treue Magd, die mit der Weinenden ihre Tränen vergoss und Öl nachfüllte, sooft die Lampe in der Gruft zu erlöschen drohte. In der ganzen Stadt wurde von nichts anderem gesprochen und die Männer aller Stände räumten ein, dass es noch nie ein so leuchtendes Beispiel der Liebe und Treue gegeben habe.
Nun hatte inzwischen der Statthalter der Provinz in der Nähe der Gruft, in der die Frau den eben verstorbenen Gatten beweinte, drei Gauner ans Kreuz schlagen lassen. Als in der Nacht ein Soldat, der die Kreuze bewachte, damit niemand einen der Leichname stehle und begrabe, ein Licht, welches aus der Grabkammer kam, bemerkte und leises Klagen und Weinen hörte, wollte er gern wissen, um wen und worum es sich wohl handeln mochte.
Er stieg in die Gruft hinab und als er dort plötzlich eine so schöne Frau erblickte, stand er betroffen still als hätte er ein Gespenst oder einen Schatten der Unterwelt gesehen. Als er dann aber auch den Leichnam liegen sah, die Tränen und das von Fingernägeln zerkratzte Gesicht bemerkte, begriff er den wahren Sachverhalt, dass die Frau den Verlust des Verstorbenen nicht zu ertragen vermochte, brachte seine Mahlzeit in die Gruft und begann die Trauernde zu ermahnen, nicht in sinnlosem Schmerz zu verharren und sich nicht in vergeblichen Seufzern zu verzehren. Alle müssten einmal sterben und enden auf der gleichen Ruhestätte; und was man sonst noch sagt, um die Wunden der Seele zu heilen.
Aber durch die unerwarteten Worte des Trosts schmerzlich erschüttert, schlug sie nur noch leidenschaftlicher ihre Brust und streute ihre ausgerauften Locken über den Leib des Toten. Allein der Soldat gab nicht nach und versuchte unter fortgesetzten Ermahnungen die Frau zum Essen zu bewegen, bis endlich die Dienerin, verführt vom Duft des Weins, der freundlichen Aufforderung erlag und dem Soldaten die Hand entgegenstreckte und dann, nachdem sie sich durch Speise und Trank gestärkt hatte, mit ihm gemeinsam den Widerstand ihrer Herrin zu brechen suchte. Glaubt sie etwa, dass der Schatten des Toten ihr Opfer dankt? Sie solle wieder ins Leben zurückkehren und ihren weiblichen Irrtum ablegen und Freude und Sonnenlicht genießen, solange ihr es noch vergönnt ist. Selbst das Leid des Toten hier sollte sie an das Leben erinnern. Niemand hört es ungern, wenn ihm zugeredet wird, etwas zu essen und zu leben. So ließ sich auch die Frau, ausgehungert von mehrtägigen Fasten, von ihrem Starrsinn abbringen und aß von der Speise mit nicht geringerem Appetit als ihre Dienerin, die als erste der Versuchung erlegen war.
Man weiß nur zu gut, wonach es dem Menschen am meisten verlangt, wenn er gut gegessen hat. Mit den gleichen Schmeicheleien, mit der der Soldat die Frau bewogen hatte weiterzuleben, setzte er nun auch ihrer Keuschheit zu. Die Witwe hatte inzwischen von ihrer Dienerin erfahren, dass ihr Gatte nicht ganz treu war und war jetzt zu dem mit Wein zurückkehrenden Soldaten freundlicher. Sie unterstütze ihn bei seinen Absichten, und tadelte ihre Herrin, dass sie wie besessen und wider besseren Wissens die Liebe bekämpfe. Die Frau widersetzte sich auch nicht länger und in beiden Fällen hatte er sie besiegt. Sie lagen aber nicht nur diese eine Nacht beisammen, in der sie Hochzeit machten, sondern auch die nächsten Tage danach. Natürlich waren die Grufttüren verschlossen, damit Bekannte und Unbekannte, die zur Gruft kämen, überzeugt seien, dass die keuschste aller Frauen dort weilen würde, die nun über die Leiche ihres Mannes die eigene Seele aushaucht.
Der Soldat genoss aber nicht nur die Schönheit der Frau, sondern auch die Heimlichkeit des Abenteuers und kaufte, was er an guten Dingen mit seinen Mitteln auftreiben konnte, und brachte sie bei einbrechender Nacht in die Gruft.
Als aber die Verwandten eines der Gekreuzigten sahen, dass keine Wache mehr da war, nahmen sie bei Nacht ihren Toten vom Kreuz und erwiesen ihm die letzte Ehre. Der in seinem Dienst nachlässige Soldat sah am nächsten Morgen, dass eines der Kreuze leer war und in seiner Angst vor schwerer Strafe, erzählte er der Frau, was geschehen war.
Er wollte das Urteil des Richters nicht erst abwarten, sondern mit seinem Schwert selbst die Strafe für seinen Leichtsinn vollziehen. Sie möge ihm gestatten, dass er auf der Stelle den Suizid ausführe, damit den Freund und den Gatten das gleiche Grab umfange.
Die Frau war nicht weniger mitleidig als sie keusch war. Sie glaubte, dass die Götter es nicht zulassen würden, dass die beiden Menschen, die ihr nahe waren, zusammen in einem Grab zu beklagen seien. Lieber will sie den Toten ans Kreuz hängen, als dass sie auch noch den Lebenden verliert. Sie befahl, den Leichnam ihres Mannes aus dem Sarg zu heben und an das Kreuz zu schlagen. Der Soldat machte von dem Einfall der überklugen Frau gern Gebrauch und am nächsten Morgen wunderten sich die Leute, wie der Tote es wohl fertig gebracht haben mochte, wieder hinauf ans Kreuz zu kommen.
Letzte Änderung am 27.10.2013
Beitrag von Engelbert Hellen