Entstehungszeit: | 1911 |
Uraufführung: | 2. Juni 1911 in Buenos Aires (Teatro Coliseo) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Erstdruck: | Mailand: Edoardo Sonzogno, 1911/12 (Klavierauszug) |
Verlag: | Mailand: Casa Musicale Sonzogno, 1980 (Klavierauszug) |
Art: | Dramatische Legende in drei Teilen |
Libretto: | Luigi Illica |
Sprache: | italienisch |
Ort: | Lavaggio/Italien |
Zeit: | 1200 |
Isabeau: | eine Prinzessin (Sopran) |
Folco: | ein Falkner (Tenor) |
Raimondo: | der König, Isabeaus Vater (Bass) |
Giglietta: | Folcos Großmutter (Mezzosopran) |
Meister Cornelius: | Haushofmeister (Bass) |
L'aroldo maggiore: | Der Herold (Bariton) |
Chevalier Faidit: | ein Ritter (Bariton) |
Ermyngarde: | Dienerin (Sopran) |
Ermyntrude: | Dienerin (Mezzospran) |
Weitere: | Arundel von Westerne, Ethelbert von Argile, Randolf von Dublin, Houbald der Gascogner, Hofstaat, Bewaffnete und Volk |
König Raimondo hat seine beiden Söhne im Krieg verloren. Nun machen er und seine Untertanen sich Sorge um die Thronfolge. Seine einzige Tochter Isabeau ist ausersehen, seine Linie fortzusetzen, müsste zu diesem Zweck aber einen Prinzen ehelichen, der würdig und fähig ist, später einmal die Nachfolge des greisen Königs anzutreten. Der Vater hat sich vorgenommen, dem Mädchen Freiraum zu lassen, sich nach eigenem Gutdünken einen Gemahl zu suchen.
Die äußerst tugendhafte Prinzessin hatte sich nach dem Tod ihrer Brüder auf eine Pilgerreise begeben und in ein Kloster hoch oben in den Bergen zurückgezogen, um Abstand vom Verlust ihrer verstorbenen Brüder zu bekommen. Nun ist sie mit ihren beiden Gefährtinnen Ermyntrude und Ermyngarde in die Hauptstadt zurückgekehrt und beäugt misstrauisch die Umstände, die man sich ihretwegen macht. Farbige Zelte schmücken den Straßenrand. Das neugierige Volk erfreut sich mit Spiel und ländlichem Tanz auf Straßen und Plätzen. Besucher von auswärts sind zahlreich erschienen.
Lautstark kündet der Herold dem Volk den Auftakt eines spektakulären Ereignisses: „Oggi, dì quinto del Fiorito Maggio - nell'anno del Signor mille e duecento - nel nomo del possente nostro Re... “ Heute, am ersten Mai im Jahr des Herrn 1200, soll eine Liebesschlacht über das zukünftige Schicksal des Reiches entscheiden, aber gekämpft werde nicht mit den gewohnten Waffen aus Stahl und Eisen, sondern die menschliche Affektion sollen durch liebevolle Blicke zum Ausdruck gebracht werden: Lanzen, Degen, Streitäxte und Dolche verbleiben in der Waffenkammer. Erlaubt sind nur liebeshungrige Blicke. Der Opernbesucher sieht den kommenden Ereignissen misstrauisch entgegen.
Der Gewinner des seltsamen Turniers soll als Preis das Herz und die Hand der keuschen Isabeau erhalten. Auf einer Liste sind die Namen der Ritter aufgeführt, die als Kandidaten in Frage kommen. Ganz wohl ist dem König bei der Umsetzung dieser Schnapsidee nicht. Er sitzt mit gesenktem Kopf auf dem Thron und wirkt ganz verzagt, denn er ahnt, dass die Tochter der Idee des versponnenen Kanzlers abhold gegenüber stehen wird. Meister Cornelius und Männer der Bereich der Religion, der Armee und der Justiz sprechen ermunternd auf ihn ein, dass alles seinen geordneten Weg finden werde. Zum wiederholten Mal setzen die malerisch uniformierten Bläser die Tuba an die Lippen und lassen niemandem in Zweifel, dass der Sieger im Liebeskampf Isabeaus Gemahl und Nachfolger auf dem Thron des Reiches wird. Die Urkunde für die Hochzeit ist schon vorbereitet - es muss lediglich noch der Name des Gewinners eingetragen werden. Der alte König verhält sich dem festlichen Ereignis unangemessen emotionslos, aber der Haushofmeister weckt den Monarchen aus seiner Lethargie. Wer wird es schaffen, sich im Herzen der kaltempfindenden Prinzessin einzunisten? Wem wird sie ihre Hand reichen?
Meister Cornelius hat dem König geraten, dem Mädchen klarzumachen, dass er in erster Linie ihr König sei und die Vaterrolle sich daran anschließen würde. Umständlich bringt der König seiner Tochter die ihr ungewohnte Konstellation bei und löst erwartungsgemäß Befremden aus. Wenn der König es wünsche, falle sie selbstverständlich vor ihm auf die Knie und gebe sich zur Begrüßung mit einem Kuss auf die Stirn zufrieden. Der König erklärt Isabeau, dass ihre Mädchenjahre vorbei seien, denn sie sei zur Braut erkoren, um später Mutter eines Thronfolgers zu werden. Ein ganzer Schwarm von Prinzen sei zum Fest geladen und sie habe die Möglichkeit, sich einen Gemahl auszuwählen. Hat Isabeau den Vater richtig verstanden? Sie sei lediglich ein Objekt welches zu gehorchen habe? Hierzu ist sie nicht geneigt und will davonstürmen, lässt sich schließlich aber doch dazu überreden, dem Turnier anstandshalber beizuwohnen. Sie versucht, den Schein zu wahren und nimmt die Geschenke des einfachen Volkes huldvoll entgegen. Es sind die alte Holzsammlerin Giglietta und ihr Enkelsohn Folco, denen Isabeau sich freundlich zuneigt. Einen feurigen Blick aus seinen Ölaugen schießt der nicht standesgemäße Bewerber auf das Objekt seiner Begierde und streift ihr Herz. Der Haushofmeister will die beiden unwillkommenen Gäste fortjagen, doch die Prinzessin verwendet sich für sie.
Es kommt wie erwartet: die Prinzessin hat keine Lust, sich einen Bewerber aufschwatzen zu lassen und sperrt sich dem Willen des Vaters. Auch Prinz Ethelbert hat kein Glück, denn seine Ritterlichkeit reicht Isabeau nicht, um sich für ewig an ihn zu binden. Die Exoten Arundel von Westerne, Randolf von Dublin und Houbald der Gascogner haben ebenfalls kein Glück, so sehr sie sich auch anstrengen. Der König verliert die Geduld, folgt dem Rat des Hofmeisters und spricht ein Machtwort. Um ihren Starrsinn zu brechen, befiehlt er, dass seine Tochter zur Strafe auf ihrem Schimmel splitterfasernackt durch die Hauptstraße der Stadt zu reiten habe, damit ihr der Keuschheitsfimmel endlich abhanden kommt.
Dem Volk dünkt der Beschluss des Königs zu rabiat und besonders die Frauen haben für das züchtige Empfinden der Prinzessin Verständnis und bewirken kniefällig, dass der König seinen schroffen Willkürakt abmildert. Wenn niemand zuschaut, während die Prinzessin auf ihrem Ross nackt durch die Straße reitet, wäre dem königlichen Befehl der Stachel genommen. Konsequent folgt dem Befehl nun ein neuer Erlass, dass jedem die Augen ausgestochen werden sollen, der der Reiterin bei ihrer Bußübung zuschaut. Weisungsgemäß verschließen die Untertanen alle Haustüren und verriegeln die Fenster, so dass kein Blick die Prinzessin demütigen könnte. Ermyngarde und Ermyntrude nehmen das Pferd am Zügel und geleiten den Paarhufer mit der keuschen Isabeau auf dem Rücken behutsam über das Pflaster. Die Dienerinnen streicheln den ungebärdigen Gaul, damit er keine wilden Sprünge vollführt und die Prinzessin nicht in die Verlegenheit gerät, sich unziemlich zu spreizen.
Ob hoch, ob niedrig, Dumme gibt es in jeder Gesellschaftsklasse. Folco hält sich nicht an das Edikt und wirft der nackten Schönen eine Blume zu, um später zu behaupten, er habe vom Befehl des Königs nichts gewusst und lediglich der rothaarigen Reiterin huldigen wollen. Doch der königliche Geheimdienst steht auf dem Standpunkt, Unwissenheit schütze vor Strafe nicht. Er hat den Gesetzesbrecher schnell ausfindig gemacht, sich seiner bemächtigt und unverzüglich hinter Schloss und Riegel gesetzt. Dem Falkner ist das egal, schließlich müssen alle Menschen einmal sterben und ohne Prinzessin an seiner Seite will er nicht länger leben.
Die Großmutter verwendet sich bei der Prinzessin für ihren unglücklichen Enkel, doch Prinz Ethelbert erinnert daran, dass das Volk dem König die Milderung der Strafe abgerungen habe, um die Ehre der zurecht Bestraften zu schonen. Nun kann nicht irgend ein unbedeutender Tölpel kommen und das königliche Edikt einfach umstoßen.
Isabeau beabsichtigt jedoch, den armen Sünder - bevor ihm der Prozess gemacht wird - zu konsultieren, um seine Beweggründe zu erkunden. Aus unsäglicher Liebe habe er sich in Gefahr gebracht, behauptet er feurigen Blicks, denn die von roten Haaren umwallte Gestalt habe ihn so sehr in Verzückung versetzt, dass er diesen Anblick - auch wenn er dafür geblendet würde - niemals vergessen könne.
Die Angebetete ist überglücklich, ihren Wert so hoch veranschlagt zu sehen und will Folco deshalb zur Flucht verhelfen. Doch dem Verblendeten fehlt die Einsicht, diese Gunst anzunehmen. Und was wäre, wenn sie ihn kurzerhand heiratet? Die Idee sei nicht schlecht, doch was würde der Königs zu dieser Verbindung sagen? Seine Oma ist eine arme Brennholzsammlerin und als Brautgabe kann er nur ein paar gelehrige Vögel beibringen, die aber in der Lage seien, leckeres Wildbret zu jagen.
Das Mädchen lässt den Dialogpartner stehen, eilt zum Vater, um dem Überraschten ihren Entschluss mitzuteilen. Einen Falkner will sie heiraten und dem lieben Vater viele Enkelsöhne schenken. Abgeneigt ist der König nicht, denn der Schwiegersohn - wenn auch nicht blaublütig - könnte ihn begleiten und mit seinen Falken das Jagdglück begünstigen.
Doch nach ihrer Rückkehr findet die Liebende den Wartenden nicht mehr vor, denn zwischenzeitlich hat Cornelius dem Volk den Gesetzesbrecher vorgeführt. Dem unglücklichen Folco ist das Schicksal nicht hold. Vom Pöbel gelyncht, folgt die Prinzessin dem Anbeter ihrer Schönheit aus weiblichem Trotz freiwillig in den Tod.
„E ti veggio o Isabeau!
Ho gli occhi spenti
ma veggio il sogno d'or“
„O Folco mio...“
„Amor! Amor! Amor!“
Lady Godiva war das Vorbild für Mascagnis Isabeau. Allerdings war keine Liebesaffäre der Anlass, sondern die englische Adelige bezweckte mit ihrer mutigen Tat von ihrem Gemahl einen Steuererlass für die Bürger zu erpressen. Peeping Tom war der einzige illegale Zuschauer und das Schicksal ließ ihn zur Strafe erblinden. In Coventry wird die Szene als Touristenspektakel in heutiger Zeit nachgestellt - niemand muss wie damals um sein Augenlicht fürchten, denn die Behörden reagieren verständnisvoll.
Letzte Änderung am 14.8.2011
Beitrag von Engelbert Hellen