Sizilianische Bauernehre
Entstehungszeit: | 1890 |
Uraufführung: | 17. Mai 1890 in Rom |
CD: | [Details] |
Cavalleria Rusticana (DGG, ADD, 65) Pietro Mascagni (1863-1945) "Premio della Critica Italiana"Hermes Opernlexikon: "Karajan führt die Qualität dieserMusik, ihre seismographische Begleitung der Handlungvor. Er ist ein Rubato-Virtuose und hat für eine sehrgute Besetzung gesorgt." |
Art: | Melodram in einem Aufzug |
Libretto: | Giovanni Targioni-Tozzetti nach Giovanni Verga |
Sprache: | italienisch |
Ort: | sizilianisches Dorf |
Zeit: | Gegenwart |
Santuzza: | eine junge Bäuerin |
Turiddu: | ein junger Bauer |
Lucia: | seine Mutter |
Alfio: | ein Fuhrmann |
Lola: | seine Frau |
Das Vorspiel ist noch längst nicht zu Ende und schon weiß das Publikum, wonach dem jungen sizilianischen Bauern Turridu der Sinn steht. Unter dem Namen „Siziliana“ ist das Ständchen bekannt, welches er seiner Angebeteten bringt, obwohl der Vorhang sich noch gar nicht gehoben hat. „Rosengleich blühen ihre Wangen“ und die Lippen leuchten rot wie Kirschen, völlig unabhängig von der Jahreszeit, im Winter wie im Sommer. Wer vom Mund die Küsse nippen darf, hat nach dem Paradies überhaupt kein Verlangen.
Ostermorgen in einem kleinen sizilianischen Dorf! Die Glocken läuten zur Kirche, und das Landvolk setzt sich in Bewegung, um die Auferstehung des Herrn zu feiern. Es ist prachtvolles Osterwetter. „Duftig glänzen die Orangen“ in feines Grün gehüllt und die Lerchen durchjubeln den blühenden Hain. Die süße Lenzeslust lässt an die Liebe denken.
Santuzza hat ganz andere Sorgen. Sie hat Mutter Lucia aufgesucht, um sich bei ihr nach dem Verbleib des geliebten Turridu zu erkundigen. Jawohl, es ist genau der junge Mann, der während des Vorspiels die schöne Lola besungen hat. Die Mutter will sich nicht einmischen und verhält sich ablehnend, auch nachdem Santuzza erklärt, der Treulose habe ihr die Ehre geraubt.
Alfio, es ist der Ehemann der inbrünstig besungenen Lola, hat keine Ahnung, was hinter seinem Rücken abläuft. Er ist eine Frohnatur, der an „Rossestampfen, Peitschenknall und munterem Glockenschall“ seine Freude hat. Der wackere Fuhrmann trinkt auch gern ein Gläschen Wein. Das ist sein Leben. Bald ist er hier, bald ist er dort. Zu Hause sitzt sein Weibchen, treu bis zum Tod.
Vetter Alfio möchte bei Mutter Lucia von dem guten alten Wein einkaufen, doch der Vorrat ist zu Ende gegangen. Turridu ist weggefahren, um neuen einzukaufen. Das stimmt nicht, Alfio hat Turridu noch heute morgen in der Nähe seines Hauses gesehen.
Mutter Lucia und Santuzza sind nun allein, und das arme Mädchen rückt mit seinem Kummer heraus. Als ihr Sohn einst fortzog, Haus und Hof verließ, um beim Militär seine Pflicht zu erfüllen, hatte er Lola zuvor ewige Treue geschworen. Er kommt zurück und sieht, dass Lola sich inzwischen vermählt hat. Aus Enttäuschung wendet er sich Santuzza zu und sucht Trost bei ihr. Das Feuer der Leidenschaft zwischen Lola und Turridu war aber nicht erloschen und so - wie Santuzza in ihrer Eifersucht es sieht - stahl Lola ihr die Liebe des Verlobten. Ihr Kummer kennt keine Grenzen. Deshalb weint sie und schüttet der Mutter ihr Herz aus. Mutter Lucia ist von dem Geständnis wenig erbaut und geht in die Kirche, um zu beten.
Turridu ist von seiner „Einkaufsfahrt“ zurück und trifft Santuzza bei sich zu Hause vor. Sie macht ihm Vorwürfe, weil er sie verlassen hat. Er soll sie nicht anlügen, er war nicht in Francofonte, sondern er ist gesehen worden, wie er um Lolas Haus geschlichen ist. Der Ertappte kann es nicht vertragen, dass man ihm nachspioniert, und sie soll bitte begreifen, dass er nicht ihr Sklave ist. Sie macht ihm eine Szene, und er warnt sie, ihn nicht zu reizen. Dann soll er sie töten, damit ihre Qualen zuende sind.
Lola kommt zufällig am Hause vorbei und trällert ein Liedchen von Engeln, die sie nachts im Traum gesehen haben will, aber keines der Flügelwesen sei annähernd so schön gewesen wie ihr Liebhaber. Santuzzas Stimmung wird durch die gesangliche Darbietung nicht gehoben. Obwohl Ostern ist, zögert sie, in die Kirche gehen, weil sie sich von Sünde nicht frei weiß. Lola macht noch ein paar spöttische Bemerkungen und geht dann ins Gotteshaus.
Turridu will auch in die Kirche gehen, aber Santuzza verstellt ihm ständig den Weg. Sie will absolut erzwingen, dass er sie nicht verlässt, weil sie aus Gründen der Ehre auf seine lebenslange Partnerschaft nicht verzichten kann. Er soll ihren Klagen zuhören und ihrer Not und ihrem Flehen Rechnung tragen. Sie hört nicht auf, lautstark zu lamentieren. Südländisches Temperament geht mit beiden durch, und er schubst sie hin, damit er an ihr vorbei noch pünktlich in die Ostermesse kommt.
Den Freund Alfio hat Gott hergesendet. Jetzt kann sie unmissverständlich kundtun, dass Turridu seiner Frau seit langem nachstellt. Lola habe ihr das Herz des Geliebten geraubt und Turridu lasse sie nun in der Not im Stich. Santuzza erklärt erneut, dass die Lüge ihrem Herzen fremd sei und es ihr leid tue, ihm seine Schande zu enthüllen.
Der Ehebrecher wird mit dem Leben bezahlen müssen. Sein Blut will Alfio in Strömen fließen sehen. In Hass verwandelt sich die Liebe zu seinem holden Weibchen. Santuzza merkt zu spät, was sie in ihrer Eifersucht angerichtet hat. Verruchte Tat!
INTERMEZZO SINFONICO
Die Messe ist vorbei und die Landleute wollen „nach Hause, nach Hause“, wo die Frauen warten und das Essen zubereitet auf dem Tisch steht. Lola stiehlt sich verlegen an Turridu vorbei; dieser trinkt mit seinen Freunden und prostet der Menge zu.
„Schäumt der süße Wein im Becher, winkt der Liebe Preis dem Zecher“. Hoch lebe der Wein, in ihm ist Wahrheit und er gibt dem Geiste Klarheit.
Klarheit kann der Angeheiterte jetzt gebrauchen. Er ahnt, dass Santuzza geplappert hat und Gefahr im Anzug ist. Vetter Alfio ist bald zur Stelle und weist den Becher Turridus, der mit ihm trinken will, verachtungsvoll zurück. Die Base Lola macht sich schleunigst aus dem Staub, denn die Luft ist explosiv. Alte Bräuche soll man pflegen! Die beiden Gockel umarmen sich und beißen sich ins rechte Ohrläppchen. Was geschehen muss, wird nun geschehen.
Turridu hat noch Erklärungsbedarf. Er weiß, dass er im Unrecht ist und schwört, dass er tief bereut. Trotzdem wird er sich anstrengen, den Kampf zu gewinnen, damit die arme Santa ihren Ernährer nicht verliert
Also gut, draußen hinter dem Gartentürchen soll das Schicksal entscheiden. Turridus betagte Mutter taucht auf und kann mit der Situation nichts anfangen. Dem Übeltäter wird in banger Vorahnung ganz mulmig. „Der Rote war allzu feurig“, zum Kämpfen hat er den klaren Kopf nicht und die alte Frau soll sich nach besten Kräften um die arme Santa kümmern, falls er das Zeitliche heute am Ostervormittag segnen wird. „Einen Kuss noch teure Mutter...“ und etwas später schwimmt der Ahnungsvolle in seinem Blute, getroffen durch das Messer des tödlich beleidigten Ehemannes. Die Menge entsetzt sich, und der Vorhang fällt.
Die “Cavalleria Rusticana” gehört der Stilrichtung des Verismo an. Das Libretto ist kurz und prägnant gehalten und schildert die Menschen mit ihren Freuden und Konflikten, wie sie täglich unter der Landbevölkerung eines kleinen sizilianischen Dorfes vorkommen. Mascagnis Musik, inspiriert und mit überquellendem Melodienreichtum ausgestattet, trägt das Geschehen in großer Unmittelbarkeit an den Hörer heran und bleibt seinem musikalischen Gedächtnis unvergessen. Das Drama um Liebe, Ehre und Verlassenwerden ist trotz seiner Kürze Mascagnis bedeutendstes Werk. Im Gespann mit Leoncavallos Einakter „Der Bajazzo“ setzen die Opernhäuser der Welt das Stück immer wieder auf ihren Spielplan.
Letzte Änderung am 11.3.2006
Beitrag von Engelbert Hellen