Ruggero Leoncavallo (1857-1919):
Die Medici
Entstehungszeit: | 1893 |
Uraufführung: | 9. November 1893 in Mailand (Teatro Dal Verme) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Erstdruck: | Mailand: E. Sonzogno, 1893 |
Verlag: | Berlin: Bote & Bock, 1893 |
Bemerkung: | „I Medici“ war von Ruggero Leoncavallo im Geiste Richard Wagners als erster Teil einer Trilogie geplant. Folgen sollten „Gerolamo Savonarola“ und „Cesare Borgia“. Bei der Uraufführung hatten „Die Medici“ nicht den gewünschten Erfolg, so dass das Interesse an dem Sujet offenbar verlorenging. |
Art: | Historische Aktion in vier Akten |
Libretto: | Ruggero Leoncavallo |
Sprache: | italienisch |
Ort: | Florenz |
Zeit: | 15. Jahrhundert |
Lorenzo de' Medici: | Familienoberhaupt der Medici (Tenor) |
Giuliano de' Medici: | sein Bruder (Bariton) |
Simonetta Cattanei: | eine schöne Frau (Sopran) |
Fioretta de' Gori: | ihre Freundin (Sopran) |
Giambattista da Montesecco: | militärischer Berater des Papstes (Bass) |
Francesco Pazzi: | ein Verschwörer (Bass) |
Bernardo Bandini: | ein Verschwörer (Tenor) |
Salviati: | Erzbischof von Florenz (Bass) |
Agnolo Poliziano: | Busenfreund Lorenzos |
Weitere: | Simonettas Mutter, Edelleute, Priester, Jagdgesellschaft, Sänger, Bewaffnete, Verschwörer, Volk |
Die Hügel bei Florenz
„Lorenzo il Magnifico“ wird das Familienoberhaupt der Medici allgemein genannt, obwohl es am Lack viel zu kratzen gibt. Er besitzt weder ein offizielles politisches Amt noch eine formelle Legitimation. Mit einer phänomenalen persönlichen Ausstrahlung lenkt er jedoch in Personalunion mit seinem Bruder Giuliano die Geschicke der Stadt - lediglich gestützt von seinem Reichtum, seiner Kunstbesessenheit und seinem diplomatischen Geschick. Er schart alle um sich, die geistreich dichten, schön malen können und Einfluss besitzen, um diesen seine Protektion zukommen zu lassen. Es gilt das Motto: Eine Hand wäscht die andere.
Schöne Frauen sind auch unter den Favoriten. Hierzu gehören Simonetta Cattanei und ihre Freundin Fioretta, die ebenfalls bei der Jagdgesellschaft mit von der Partie sind. Zu den Jägern gehören neben anderen Edelleuten der Bruder Giuliano und der Dichter Poliziano. Ihre Konversation dreht sich hauptsächlich um Politik, Gesellschaft und natürlich um die Liebe. Es verwundert den Opernliebhaber, dass in Florenz jagdbares Wild anzutreffen ist - wahrscheinlich wurde es vorher dort hingeschafft. Die beiden Damen konnten sich so zu Tierschützerinnen entwickeln, denn sie unterhalten sich ausgiebig über das Leid der gejagten Tiere.
Dem Papst in Rom ist die florentiner Führungsschicht ein Dorn im Auge und er macht sich Gedanken, den Club der Medici zu liquidieren. Zu diesem Zweck hat er seinen militärischen Berater Montesecco mit Gefolge nach Florenz geschickt, um die Mordtaten vorzubereiten. Die Gesellen hatten gedacht, sich den beiden Damen mit Gewalt nähern zu können. Durch die hinzueilenden Jäger werden sie aber an ihrer rüden Absicht gehindert. Simonetta stößt einen spitzen Schrei aus, wodurch eine Hirschkuh aufgeschreckt wird und sich davonmacht. Giuliano wollte sie gerade erlegen, ändert aber nun seine Taktik und verliebt sich augenblicklich in die Frau, die sein Jagdglück verwirkt hat. Ihre Freundin Fioretta wird ebenfalls vom Pfeil Amors getroffen. Die nachfolgenden Turbulenzen sind vorprogrammiert.
Piazza Santa Trinita
Der Heilige Vater in Rom drängt zu kühnen Taten, bevor sich Lorenzos Gewalt endgültig herrisch breit macht. Die Macht der Medici zu stürzen sei er fest entschlossen, kündet Erzbischof Salviati seinen Mitverschwörern Montesecco, Pazzi und Bandini an. Doch unnützes Blut soll nicht vergossen werden, ansonsten lasse Rom in den Mitteln freie Wahl. Das Wagnis ist groß, denn der Medici herrsche allmächtig; deshalb solle man nicht allzu bedächtig vorgehen. Wenn es sich nicht vermeiden lässt, darf Blut auch reichlich fließen, lässt Bandini verlauten. Im Aufruhr falle das Brüderpaar, damit sich dem Vaterland die Freiheit erschließen kann. Hier auf der Piazza Santa Trinita wird man die neue Zeit verkünden. Montesecco reizt es, Lorenzo den Tod zu erteilen, während Pazzi prahlerisch verkündet, Giuliano gehöre ihm allein. Der Plan ist beschlossen und das Gauner-Quartett verabschiedet sich, um zur Nachtzeit zur Ausführung des Komplotts wiederzukommen.
Unter dem Standbild des Großherzogs Cosimo ist für heute Nacht Frohsinn angesagt. Lorenzo und sein Busenfreund Poliziano erscheinen mit Musikanten, denen er ein Haus bezeichnet, vor dem er eine Serenade anstimmen will. Mandolinen und Gamben erklingen und Lorenzos Stimme lässt sich hören:
„Ascolta il canto mio - O lausche meinem Sang, der dich grüßen will
und aus dem Traum dich weckt, o geliebtes Wesen...“
Die Huldigung ist an Lucrezia Donati gerichtet und Poliziano wünscht dem Troubadour, dass die Dame sich ihm hold erzeige. „Heil sei dem ersten Diener des Staates“, tönt es aus der Menge. Doch Lorenzo will nicht das gesamte Abendprogramm bestreiten: mit zwei Volkssängern wechselt er sich ab. Giuliano kommt mit Fackelträgern und großem Gefolge hinzu.
Platz machen soll man den schmucken Tänzerinnen! Der Opernchor trägt ein Tanzlied vor, um den Monat Mai zu begrüßen. Offenbar muss Simonetta die Mutter erst fragen, ob sie auch tanzen darf. Poliziano hat die kleine Szene mitbekommen und rät der Mutter, nicht zu verhindern, dass der Blütenkelch sich im Frühling auftut. Doch mit flinkem Mundwerk ist Fioretta schnell zur Stelle. Ihre Freundin sei leidend und dürfe deshalb nicht tanzen. Dann soll sie stattdessen ein Lied singen, schlägt Poliziano vor und erhält auch von Giuliano Zuspruch. Hochpoetisch weiß Simonetta sich auszudrücken:
„Sich lieben! Im Wirbelwind erglühend getragen,
die Herzen im Wechseltakt: o selig Behagen!
Dürft ich dies Entzücken mit dir, ach erproben,
an dein Herz gehoben, vergeh'n im Genuss!“
Bei den letzten Worten schaut sie Giuliano verlangend an. Die Musikanten spielen zum Tanz auf und Simonettas Temperament geht mit ihr durch. Sie folgt nicht dem Gebot der Mutter und der Gesundheit, bis sie Atembeschwerden bekommt und auf der Tanzfläche zusammenbricht. Mit der Stimmung ist es nun vorbei. Die Bewusstlose wird fortgetragen und die Menge löst sich auf. Arme Simonetta, eine Lungenentzündung habe das schöne Mädchen, heißt es.
Zum Abschied kriegt Giuliano aber noch Fioretta zu fassen und trägt ihr auf, ihrer Freundin Grüße von ihm auszurichten. Sie ist enttäuscht und er erkundigt sich nach der Ursache. Sie will aber mit einem Bekenntnis nicht aufwarten, bis er sie drängt. Sie spricht Klartext, dass er selbst das Objekt ihrer Liebe sei, und lässt ihn verwirrt stehen.
Ponte Vecchio bei Nacht
Fioretta und Simonetta sind Nachbarinnen und jede von beiden hat eine kleine Wohnung auf dem Ponte Vecchio. Endlich ist Simonetta eingeschlummert, nachdem die Freundin bei ihr gewacht hat. Der Sturz aufs Straßenpflaster hat sie schwer mitgenommen und ihre Mutter bedankt sich für die Fürsorge, welche die Freundin ihr entgegenbringt.
Seit drei Monaten ist sie nun schon Giulianos Geliebte, ohne dass Simonetta davon weiß. Glücklich ist sie nicht, denn er naht sich ihr nur, um sich nach dem Befinden der Sterbensbleichen zu erkundigen. Sie ist nur für die Lust zu ständig, sie weiß es, denn er starrt sie entrückten Auges an. Sein Herz lenkt jedoch Simonetta! Giuliano schafft es, beide Beziehungen unter einen Hut zu bringen. Fioretta hat der Freundin gegenüber ein schlechtes Gewissen und ist zu allem Überfluss auch noch schwanger geworden. Die Liebe des Herzens hält sie für den wertvolleren Teil einer Beziehung, für die sie auch bereit wäre zu sterben.
Pazzi, Salviati und Bandini haben ausspioniert, dass Giuliano regelmäßig kommt, um Fioretta zu besuchen. Ohne sie anzusehen, erkundigt Giuliano sich zuerst nach dem Befinden Simonettas, nachdem sie ihn in die Wohnung gelassen hat. Was das Fieber mache, will er wissen. Es raubte ihr heute wieder alle Kraft! Spricht sie ab und zu auch von ihm? Eigentlich immer!
Es sei die letzte seiner buhlerischen Nächte, quittiert Pazzi gehässig aus dem Hinterhalt. Montesecco hat auf dem Ponte Vecchio auch Wohnung bezogen. Er kommt hervor und verneigt sich vor Salviati: „Monsignore!“
Unbemerkt hat sich auch Simonetta aus dem Krankenbett erhoben, lehnt sich auf Fensterbrett und genießt die frische Abendluft. Sie hört die Stimmen von vier Ganoven und versucht, sich einen Reim auf den Wortwechsel zu machen. Es fallen die Namen der beiden Medici und von Meuchelmord ist die Rede. Doch dem Plan, den sie ersonnen, habe das Glück nicht gelacht. Sie haben Giuliano das Haus Fiorettas betreten sehen und sie seien sicher, dass die beiden im Stübchen der Liebe frönen.
„Che sento, oh Dio“ Was muss Simonetta vernehmen? Sie bittet Gott darum, dass der Schrecken sie nicht verzehren möge. Er möge sie stärken und ihr frischen Mut zurückgeben. Vom Haupt des Geliebten will sie das düstere Schicksal abwehren. Kann sie ihn retten, würde der Tot ihr das reine Glück bedeuten!
Morgen sei ihr Tag, frohlockt Pazzi. Wenn die heiligen Bräuche im Kirchenraum beginnen, wird der Anschlag ausgeführt. Lorenzo und Giuliano würden beide für ihre Sucht büßen! Morgen nahe Florenz die Erlösung und das Ende der Knechtschaft. Ja, wenn der Priester feierlich die Hostie weiht, legt Hand an die Dolche und ermordet ungestüm die Tyrannen, feuert Pazzi seine Kumpane an! Und mit ihnen schwinden flugs Knechtschaft und Leid von dannen.
Montesecco ist entsetzt, dass das Attentat in der Kirche geschehen soll. Er fürchtet um den Verlust seines Seelenfriedens und deshalb entblößt er den Dolch in der Kirche nicht! Das nennt man Willensstärke. Sein Einwand wird akzeptiert, aber seinen guten Rat wird er doch zur Verfügung halten? Der Erzbischof verspricht, dass der Papst ihn von Fluch und Bann erlösen wird, wenn er seine Entscheidung rückgängig macht. Außerhalb der Kirche kann es durch seinen Arm geschehen! Bandini kennt sich aus und behauptet, ihre Ehre sei Gott und er verleihe Kraft und Mut.
Die Beziehung zwischen Fioretta und Giuliano steckt in der Krise. Der Letztere sitzt am Tisch und stützt den Kopf in beide Hände. Er bedauert, dass er Simonetta noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Wenn er sie doch nur ein einziges Mal sehen Könnte? Und für sie hat er kein einziges Wörtchen übrig, beklagt sich Fioretta - nicht einmal einen Laut!
Schwach wurde er an jenem Abend des Grauens, als es ihr gefiel, von Liebe zu sprechen, denn jetzt erfasst ihn bittere Reue. Himmel, wenn diese Liebe ein Verbrechen war, soll der Herr auf ihn seinen Zorn ausgießen und der Wunden Stechen verdoppeln.
Fioretta kann sich nicht länger beherrschen: Er spreche von Ängsten und von Leiden. Durch die Glieder flutete der Leidenschaft Begehren und schloss den Blick für fremden Schmerz. Sie gab ihm alles hin, um ihn zu binden. Wenn sie ihn zu heiß zu lieben wagte, soll er ihr vergeben. Giuliano lenkt ein, dass er sie das Leiden lehrte. Im Gegenzug gab sie ihm ihre Liebe und all ihr Sein machte sie ihm zum Geschenk.
„Die Edelmütige möge ihm verzeihen,
keine ihrer Tränen sei umsonst geweint.
Eines Tages ist es so weit,
dass holder Segen sie vereint.“
Soll das ein Versprechen sein?
Simonetta hat sich aufgerafft und will gerade um die Ecke gehen, um die Medici zu warnen, als Montesecco ihr über den Weg läuft. Ah, das Liebchen des Giuliano! Hat sie alles mitgehört? Zuerst leugnet sie, dann bekennt sie, dass sie alles vernahm. Was gedenkt sie zu tun? Das weiß er doch! Weshalb fragt er so töricht?
Montesecco sagt ihr, dass sie nicht sehr weit laufen muss, um ihren Geliebten zu sehen. Er warte auf sie bei Fioretta. Er führe sie hin und sie solle selbst schauen. Simonetta sieht die beiden in flagranti auf dem Bett liegen. Sie fühlt sich wie vom Blitz getroffen und presst die Hand auf ihr wild pochendes Herz.
Will sie noch immer seine Retterin sein und Schutz herbeirufen? „Lo vo'!“ Sie will es. Doch nun zieht Montesecco drohend seinen Dolch. Kein Gewissen hindere ihn, die Zeit zur Tat zu nutzen! Im Dunkeln wehrlos, wird er sich ergeben. Er stößt die Tür auf, um zu sehen, was Simonetta anstellen wird. Dem Tode nahe, wankt sie auf Giuliano zu. Er solle sich retten, flüstert sie ihm zu. „Morgen ... morgen ... die Medici ...“ Simonetta stürzt zu Boden. Fioretta eilt verlegen herbei, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Doch Giuliano stellt bestürzt fest: „Ell'è morta!“ Montesecco steckt seinen Dolch in die Scheide zurück und bemerkt, dass Gott selbst die Medici feierlich zum Tod verdamme.
Die Kirche Santa Reparata
Das Volk hat sich zur Feier der Ostermesse versammelt. Die Verschwörer haben sich eingefunden und Fioretta betet voller Inbrunst. Montesecco möchte gern wissen, wer an seiner Stelle Lorenzo ermorden wird. Von Bandini bekommt er zur Antwort, dass zwei Priester, die seine Skrupel nicht kennen, gedungen wurden. Haben die Anstifter keine Bedenken, dass die hier versammelte Menge den Medici-Brüdern Deckungsschutz geben wird? Nein, denn die Frauen im Vordergrund sind in der Überzahl.
Lorenzo, Poliziano und weitere Edelleute, die ihm den Durchgang freimachen, betreten die Kirche. Im Volk herrscht tatsächlich Unzufriedenheit über die Verschwendungssucht der regierenden Klasse, aber es ist Ostern und im theologischen Gemurmel gehen die Hassreden Einzelner unter, welche die „Fresslust“ der Medici nicht länger finanzieren wollen. Während Lorenzo versuche, ihr Joch zu schmieden, verbringe Giuliano die Nächte damit, im Genuss zu schwelgen und um die Töchter des Volkes zu buhlen. Gott soll sie verdammen, damit ihnen klar wird, dass er seiner nicht spotten lässt. Bandini mahnt die Verschwörer, dass sie sich gedulden und Ruhe bewahren sollen, denn Pazzi führe die Opfer sicher ins Garn.
Den Opernbesucher wundert es, wie sorglos die beiden Brüder mit ihrer Sicherheit umgehen. Giuliano setzt sich neben Lorenzo. Hinter sich haben sie Pazzi und Bandini sowie die beiden gedungenen Priester. Fioretta hat Blickkontakt mit Giuliano erhascht und ihr Herz jauchzt.
Der Chor der Kinder singt „Amen“ - das verabredete Losungswort - und Pazzi wie Bandini stürzen sich auf Giuliano und durchbohren ihn mit dem Ausruf „Muori!“. Im selben Moment versuchen die beiden Priester Lorenzo zu treffen, sind aber im Morden ungeübt und versagen. Lorenzo kann entspringen und Poliziano weist ihm den Weg zu Sakristei, ohne zu versäumen, hinter ihm abzuschließen. Die Verschwörer rufen „Tod dem Tyrannen“ und die Frauen eilen von dannen. Bandini betrachtet den am Boden liegenden Giuliano mit den Worten: „Siehe er liegt entseelt!“ „Feiger Mörder“ bekommt er von Poliziano zu hören. Fioretta veranstaltet mit Giuliano Wiederbelebungsversuche.
Lorenzo kalkuliert, dass sich in dieser Situation zu verstecken der Macht keinen Nutzen bringen werde. Er stemmt von innen gegen die Tür der Sakristei, Poliziano und ein paar Edelleute leisten Gegendruck, geben aber schließlich nach. Das Volk ist beeindruckt: Lorenzo - Welche Kühnheit! Der Tyrann wagt sich zu zeigen. Die Attentäter haben sich verflüchtigt und verbal geht es weiter. Rhetorisch haushoch überlegen, kann Lauro - wie der Medici von seinen Freunden auch zärtlich genannt wird - einen Stimmungsumschwung bewirken. Eine leidenschaftliche Ansprache bringt ihm alle Sympathien zurück.
Giuliano ist noch nicht ganz tot. Ein paar Worte kann er noch an seinen Bruder richten. Er möge sich doch bitte um Fioretta und seinen Nachwuchs kümmern.
Letzte Änderung am 22.6.2013
Beitrag von Engelbert Hellen