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Eduard Künneke (1885-1953):
Liselott
Allgemeine Angaben zur Operette
Entstehungszeit: |
1932 |
Uraufführung: |
17. Februar 1932 in Berlin (Admiralspalast) |
Besetzung: |
Soli, Chor und Orchester |
Erstdruck: |
Berlin: Bote & Bock, 1961 |
Opus: |
op. 24a
|
Zur Operette
Art: |
Singspiel in sechs Bildern |
Libretto: |
Richard Kessler und Gustaf Gründgens nach dem gleichnamigen Lustspiel von Heinrich Stobitzer (1901) |
Sprache: |
deutsch |
Ort: |
Heidelberg, Saint Germain, Paris und Versailles |
Zeit: |
Ende des 17. Jahrhunderts |
Personen der Handlung
König Ludwig XIV.: |
(Sprechrolle) |
Philipp: |
Herzog von Orleans, sein Bruder (Tenor) |
Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz: |
(Sprechrolle) |
Prinzessin Liselott: |
seine Tochter (Sopran) |
Gräfin Françoise de Grançal: |
Oberhofmeisterin des herzoglichen Haushalts (Soubrette) |
Chevalier de la Garde: |
Hofmarschall des Herzogs (Buffo-Tenor) |
Graf Walter Harling: |
(Tenor) |
Freifrau Leonore v. Ratsamshausen: |
Liselotts Erzieherin (Sprechrolle) |
Blanche: |
Liselotts französische Hofdame (Soubrette) |
Madame Dubois: |
Kneipenwirtin (Sprechrolle) |
Weitere: |
Lacroix, Küchenchef (Sprechrolle), „Der Apache“, ein Aufrührer (Bariton) und weitere |
Handlung
Erstes Bild:
Der Kurfürst von der Pfalz hat es schwer mit seiner Tochter, denn fünf Heiratskandidaten hat sie schon ausgeschlagen, ohne einen triftigen Grund dafür anzugeben. Die Karosse des französischen Gesandten ist soeben im Hof vorgefahren und die Erzieherin der Prinzessin, Freifrau von Ratsamshausen, fragt Karl Ludwig, ob schon wieder ein Brautwerber im Anzug sei. „Endlich bläst das alte Fagott den richtigen Ton“. Sie soll doch nicht so dumm tun, als ob sie nicht Bescheid wüsste; sie hört doch sonst immer die Flöhe husten. Aber das eine sagt er ihr: Wenn sie ihm diesmal wieder das Konzept verdirbt, kann sie sich auf etwas gefasst machen! Kurfürstliche Gnaden möge doch bitte bedenken, wenn die Liebe im Herzen nicht Fuß gefasst hat, könne man ein kerndeutsches Mädel auch nicht zur Ehe zwingen. Liselott passt doch gar nicht an den französischen Hof. Seine Tochter passt überall hin, ist der kurfürstliche Bescheid - die Freifrau soll sich das bitte merken und doch einmal die Giraffe anschauen, die ein Forschungsreisender ihm mitgebracht hat. Hat sich der Exot in Heidelberg etwa nicht gut eingelebt? Als Erzieherin hat er sie eingestellt und wenn sie ihre Aufgabe nicht kennt, wird er sie in den Giraffenkäfig sperren. Aber kurfürstliche Hoheit! Sie ist doch keine Giraffe!
Liselott ist von ihrem Ausritt mit dem Grafen Harling zurückgekehrt. Dieser hat ein Anliegen, will es ihr aber erst am Abend „im Quartier wo sie Rosen stehen“ erklären. Kann er nicht einfach frei von der Leber reden und sagen, was er von ihr will? Der Zuschauer hat sogleich das Gefühl, dass der vormalige Spielgefährte für Liselott nicht die richtige Partie ist, denn ihr Temperament funktioniert genau entgegengesetzt.
Der Papa hat Liselott zu sich befohlen und macht ihr klar, was die Chance bedeutet, Schwägerin des Sonnenkönigs zu werden. Man hat ohnehin keine Wahl. Liselott soll den Herzog von Orleans zum Mann nehmen und sich nicht schon wieder verweigern. Die Franzosen können mit ihrem Ländle doch machen, was sie wollen, wenn sie beide sich nicht fügen. Das Mädel soll ein Einsehen haben, für das Vaterland ein Opfer bringen und den Bruder des französischen Königs heiraten. Sie wird eine der reichsten Frauen Europas werden.
Missmutig gibt die Bedrängte ihren Widerstand auf, weil der Vater im Grunde seines Herzens nur das Beste für sie will und außerdem noch Recht hat. Letzten Endes ist es ihr auch egal, wer sie zum Weib bekommt. Ihrer Haut wird sie sich schon zu wehren wissen.
Liselott singt die Arie: „Nun heißt es Abschied nehmen von dem Vaterhaus.“
Zweites Bild:
Es ist nicht zwingend erforderlich, dass der Gemahl bei seiner eigenen Eheschließung dabei sein muss. Die Vermählung hat in Heidelberg stattgefunden und Philipp hat sich durch seinen Hofmarschall, den Chevalier de la Garde, vertreten lassen. Jetzt sitzt man in der Reisekutsche auf dem Weg nach Paris. Blanche, die neue französische Hofdame Liselotts, ist gleichzeitig das Liebchen des Chevalier.
Man macht sich in Saint Germain bereits lustig über die seltsame Hochzeit. Man solle sich doch einmal vorstellen, zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts, haben sich nie gesehen, sind aber trotzdem miteinander verheiratet worden. Wäre das nicht der Stoff für eine Komödie von Molière?
Irgendwann kommt man in Saint Germain an und Liselott ist froh, die ungemütliche Kutsche verlassen zu können. Sie soll Ihrem Gemahl Philipp nun vorgestellt werden. Dieser ist noch mit seiner Mätresse, der Gräfin Françoise de Grançal, die das Amt einer Oberhofmeisterin des herzoglichen Haushalts bekleidet, beschäftigt. Ein zynisches Luder, welches die Pfälzerin als Sauerkraut-Prinzessin bezeichnet. „Welchen Status hat schon eine Gemahlin?“ höhnt sie und erklärt, dass sie in jedem Fall im Schloss zu bleiben gedenkt. „Charlotte, Herzogin von Orleans, Prinzessin von der Pfalz“ lautet der formelle Titel, mit dem Liselott ihrem Mann vorgestellt wird. Philipp fühlt sich als Opfer seiner Pflichterfüllung.
Möchte Madame sich nicht ein wenig pudern, bevor sie dem Sonnenkönig, der sie inspizieren möchte, unter die Augen tritt? Es sind ihre roten Apfelbacken, die Anstoß erregen. Man sagt ihr das natürlich nicht direkt sondern in diskreter Form: Sie schaue allzu gesund aus! Die Erzieherin jammert, dass die Prinzessin besser daran getan hätte, in Heidelberg zu bleiben. Liselott stellt fest, dass die Höflinge hier in Frankreich die gleichen dummen Gesichter haben wie daheim.
Doch Ludwig, der Vielgeliebte, hat keine Einwände. Der Funke der Sympathie springt sogleich über und er findet im Vergleich zu seiner heuchlerischen Umgebung „ihren Schnabel herzerfrischend“. Nun hat er endlich einmal eine Frau und einen Charakter kennengelernt! Soll das ein Kompliment an die Schwägerin sein? Der Herzog ist sich nicht sicher, ob er sich geschmeichelt fühlen soll.
Liselott ist die Art, wie man bei Hofe miteinander kommuniziert, unbekannt, aber sie wird sehr schnell lernen, wie sie sich durchzusetzen hat und Unverschämtheiten und Unregelmäßigkeiten sanktionieren. Sie überlegt, dass sie den König für sich eingenommen hat. Welchen Charakter ihr Gatte hat, wird sie schon noch herausfinden, sagt sie ihm.
Drittes Bild:
Ein halbes Jahr ist vergangen. Der Herzog hat ebenfalls ein Auge auf die kleine Blanche geworfen, aber sein Hofmarschall macht sie ihm streitig. Liselott maßregelt die Kleine, dass sie das Knutschen in der Öffentlichkeit ein wenig einschränken soll. Man kann nicht sagen, dass es Liselott im Schloss nicht gefällt, aber sie kann ihre Art voll ausleben. Viel Zeit verbringt sie damit, den Koch zu drangsalieren. Sauerkraut mit Knackwurst ist ihr Leibgericht. Wird er das endlich begreifen? Andernfalls wird sie die Hoheitsrechte in der Küche selbst ausüben. Sie schreibt einen Brief an Tante Sophie, schildert ihre Erlebnisse ganz ungeschminkt und was ihr bei Hofe alles nicht gefällt.
Die Eheleute stehen sich in Opposition gegenüber, sticheln und tauschen Bosheiten aus, gehen aber nicht feindlich aufeinander zu. Jeder scheint den anderen zu respektieren. Seine Haut sei mal scheckig und mal fleckig und dann schält sie sich, sagt er selbst. Die Ursache sei das miserable Gesichtswasser. Und bei wem lässt Madame ihr Gesicht herrichten? Nirgendwo, sie wäscht sich am Brunnen. Ein gediegenes Maß an Herzlichkeit hat sich noch nicht eingefunden, aber man kommt miteinander zurecht. Nun versucht der Herzog ihr beizubringen, wie er sich die ideale Gattin vorstellt. „Zu schlecht, Madame, o nein...“ Der Dialog ist voller Witz und Hintergründigkeit. Rhetorisch sind beide Ehepartner einander gewachsen - jeder hat eine bevorzugte Gangart. Der Librettist gibt sein Bestes.
Viertes Bild:
Kleine französische Revolution in der Küche! Der Koch, schon 15 Jahre im Dienst, will es sich nicht bieten lassen, dass er kontrolliert wird. Doch Liselott will nicht länger dulden, dass ständig silberne Löffel gestohlen werden und Nahrungsmittel auf unbekannten Wegen entschwinden. Wenn Frau von Grançal, die für ihre Anwesenheit monatlich fürstlich entlohnt wird, in ihrer Eigenschaft als Oberhofmeisterin die Missstände aber nicht beseitigen kann, wird sie das Haus verlassen müssen. Liselott entfernt sich, um in der Küche nach dem Sauerkraut zu schauen.
Françoise beklagt sich beim Herzog, weshalb sie von ihm nicht in Schutz genommen wurde. Nun singen der Herzog und seine Mätresse den spritzigsten Dialog der Operette, der in seinen unzähligen Windungen und Variationen köstlich amüsiert: „ Ach Gott, wie sind wir vornehm, ach so schrecklich vornehm... Bei unserer Contenance hat sie keine Chance und kommt erst gar nicht hoch!... O wie ist es schön, sich verstanden zu sehen, und sich in die Augen zu seh'n! Wir bleiben unter uns! Gräfin! Ach Gott, wie sind wir vornehm...“ In diesem Tonfall geht es dann fast fünf Minuten weiter. Die beiden kommen nicht dazu, ihren Dialog zu Ende zu führen. Liselott naht urplötzlich aus der Küche, sieht die beiden in prächtigem Einvernehmen und bekommt einen Eifersuchtsanfall. Die Oberhofmeisterin wird fristlos gefeuert. „Zu vornehm“, sich zur Weh zur setzen, räumt sie das Feld. Liselotts Gatte bemerkt treuherzig: Schon sogleich nach ihrer Ankunft hätte er die Störende hinauswerfen wollen, aber sie sei nicht gegangen. Nun sei die Sache erledigt.
Erledigt ist gar nichts! Liselott hat von ihrer Umgebung genug und ruft nach ihrer Zofe, um anzukündigen, dass sie unverzüglich zu verreisen wünsche. Doch diesmal ist der Herzog nicht anpassungswillig und versucht energisch, seiner Frau ihre Absicht auszureden. Über den unverhofften Widerstand des Gemahls ist sie freudig überrascht, glaubt sie doch, endlich auf Liebe gestoßen zu sein. Doch der Dämpfer kommt sogleich: Er könne es sich vor dem ganzen Hof nicht leisten, dass die Gemahlin sich unerlaubt entferne.
Plötzlich kommt eine unerwartete Wende. Blanche meldet Besuch aus Heidelberg. Es ist Graf Harling, der seine diplomatischen Geschäfte erledigt hat und auf einen Sprung bei ihr vorbeischauen möchte. Hat die Jugendgespielin sich auch nicht unterkriegen lassen? Man erinnert sich „in süßem schmerzlichen Sehnen“ der gemeinsam verbrachten Jugendtage im väterlichen Schloss zu Heidelberg. Von Heimweh überwältigt, beschließt Liselott, Walter auf seiner Heimreise zu begleiten. Der Herzog hat Vorkehrungen getroffen und beim Polizeipräfekten bewirkt, dass die Stadttore zur Nachtzeit für den allgemeinen Verkehr geschlossen werden. Leute, die passieren wollen, werden sorgfältig kontrolliert. Doch der Vater von Blanche übt das Amt eines Brückenwächters aus und wird sie passieren lassen, verspricht sie ihrer Herrin. Im Schlosspark singt Harling für Liselott eine Serenade. Es sei nur ein Straßensänger, beschwichtigt Liselott ihren Mann.
Fünftes Bild:
Am Ufer der Seine befindet sich die Spelunke von Madame Dubois. In ihr treffen sich allabendlich Aufrührer und allerlei zwielichtiges Gesindel. Die Nacht ist stürmisch und Liselott ist mit Walter eingetroffen, um von hier aus die Heimreise zu starten. In seiner Begleitung zieht Blanche los, um den Vater zu informieren, das Ruderboot startklar zu machen.
Liselott hat sich derweil in die Gaststube gesetzt, um mit dem Volk auf Tuchfühlung zu gehen. Doch Philipp ist der Ausreißerin unauffällig gefolgt und setzt sich zu ihr. Natürlich fallen beide in ihrer unangemessenen Kleidung auf, doch Liselott redet sich heraus, dass diese bei einem Raubüberfall erbeutet wurden. Ach, die beiden sind also auch von der Zunft!
Noch nie war Philipp seinem Volk so nah. Warum hat Liselott ihn nicht schon früher hierher geführt? Diese rät ihrem Mann, mit den Wölfen heulen soll, wenn er körperlich unversehrt wieder hier herauskommen will. Die Revoluzzer möchten, dass man die gesamte Bagage von Versailles zum Teufel jagt. Sehr wohl, und den Herzog von Orleans soll man als Ersten aufhängen, verkündet Philipp. Lautstarke Zustimmung ist das Echo.
Liselott kennt ihren Mann nicht wieder und entdeckt plötzlich liebenswerte Eigenschaften an ihm, die sie bei ihm gar nicht vermutet hatte. Sein Großvater habe gesagt, erklärt er, dass jeder Bürger ein Huhn im Topf haben sollte, doch er setzt dagegen, dass ein Huhn zu wenig sei, mindestens eine Ente, ein Schwein oder ein Kalb seien angemessen. Der Pöbel grölt und und der Wortführer mit dem Spitznamen „Der Apache“ macht sich bereits Gedanken, ob der dem duften Jungen oder seinem patenten Frauchen den Vorzug geben soll. Wie er heiße, will das Großmaul wissen. „Philipp!“ Gut, dann heißt er Ludwig. Ein kräftiger Schlag ins Kreuz besiegelt die Freundschaft. „Wir dreh'n ein Ding!“ heizt Liselott die Stimmung an und die Gäste fallen in den Refrain ein.
Zwischendurch findet Philipp Zeit, seiner Frau ihre Eifersucht auf die Gräfin auszureden. Eine Mätresse zu haben, sei in Paris eine Pflichtübung der Herrschenden. Die deutschen Fürsten imitieren die Gepflogenheit. Es gäbe Schlimmeres auf der Welt und es lohne nicht, sich dazu Gedanken zu machen. Die Gräfin sei nun auf ewig aus ihrer Umgebung verbannt und der Stein des Anstoßes damit beiseite geräumt. Er habe die erfreuliche Nachricht für sie, dass die Franzosen aus Heidelberg abgerückt seien, weil ihr Einsatz anderenorts von Nöten sei. Liselott fällt ein Stein vom Herzen und in einem plötzlichen Entschluss verkündet sie: „Blanche, wir reisen nicht!“ Harling ist geknickt, sieht aber ein, dass er das Opfer des Verzichts bringen muss, wenn die Ehegatten zueinander finden. Die Augen des „Apachen“ ruhen auf Liselott: „So, jetzt muss die Süße aber ran“. Für Diplomatie hat die impulsive Liselott im Moment keinen Sinn und versetzt ihm eine schallende Ohrfeige. Der Herzog gibt seine Identität zu erkennen, um ihr Schutz zu bieten, doch niemand schenkt ihm Glauben. Wozu auch, die beiden haben die Lacher auf ihrer Seite. Man lässt sie unbehindert fortgehen. Philipp hat der Abend gut gefallen. So lustig sei es in Versailles nicht. Immerzu nur Ballett, zum Davonlaufen!
Sechstes Bild:
Françoise de Grançal hat intrigiert. Von der Sache der plötzlichen Abreisepläne seiner Schwägerin hat sie Ludwig in Kenntnis gesetzt. Die königliche Majestät ist über das nächtliche Abenteuer seines Bruders und der Eigenmächtigkeit Liselotts erbost.
Beide müssen antanzen, um sich zu rechtfertigen. Liselotts Brief an die Tante in Braunschweig wurde abgefangen und befindet sich in des Königs Händen. Das Postgeheimnis gilt für ihn nicht. Er hat das Siegel gebrochen und Liselott muss die Schandtaten, die sie aus dem Schloss tragen wollte, laut vorlesen. Das Operettenpublikum ist genau so schockiert wie der König. Von Fleckenwasser ist die Rede, welches die Haut scheckig macht und dass der König mit dem Botschafter eines fremden Landes auf der Toilette diplomatische Gespräche führt.
Es bleibt bei einem königlichen Donnerwetter. Liselott hat sich zur königlichen Audienz nach Pariser Art mit Blanches Rat und Hilfe fein herausgeputzt, um ihrem Gemahl eine Freude zu machen. „Ach Gott, wie ist sie vornehm“ tönt es von seinen Lippen. Dem König selbst dünkt sie begehrenswert, aber wohin mit Madame de Maintenon?
Letzte Änderung am 29.12.2010
Beitrag von Engelbert Hellen