Wilhelm Killmayer (1927-2017):
Entstehungszeit: | 1962-63, rev. 1970 |
Uraufführung: | 15. März 1964 in Wiesbaden 9. Mai 1970 in München (Gärtnerplatztheater) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Spieldauer: | ca. 70 Minuten |
Erstdruck: | Mainz: Schott, 1965 |
Bemerkung: | Killmayer selbst lässt in einem Vorwort anklingen, dass er nach Vorbildern gesucht habe und erwähnt Komponisten der Opéra comique. Richtig ist jedoch, dass sein Humor und der von Tankred Dorst sehr eigenständig sind, Vergleiche nicht nötig hat und vorzügliches Kabarett abgibt. Das Ironisieren von Post und Polizei muss man nostalgisch nehmen. Musikalisch nimmt Killmayer den Orchesterapparat auseinander und lässt einzelne Instumentalgruppen Charaktere und Situationen psychologisch auswalzen. Der Chor kommentiert und das Ensemble der drei Herren moralisiert. |
Art: | Musikalische Posse in einem Akt und vier Lobgesängen |
Libretto: | Tankred Dorst und Wilhelm Killmayer |
Sprache: | deutsch |
Möhringer: | ein Magier |
Yolimba: | sein Geschöpf, bewaffnet |
Drei Herren: | die alles kommentieren |
Drei Polizisten: | die nach Yolimba fahnden |
Drei Postbeamte: | die Professor Wallerstein eine Kiste bringen |
Professor Wallerstein: | ein Archäologe |
Gerda: | das Hausmädchen vom Lande |
Herbert: | ein Plakatankleber |
Weitere: | Wallersteins fürsorgliche Gattin, seine drei Söhne im Kindesalter, ein kurzlebiger Operntenor, sechs liebeshungrige Witwen (gierig nach Herbert) |
1. IM PARK
Es darf geblödelt werden. Wie schön ist der Mai, wie schön ist der Juni; der September ist schön und der Oktober ist es auch. Die Amsel sitzt im Busch und singt ein Frühlingslied. Auch die anderen Vögel singen hell und klar. Ja, die Welt ist wunderbar! Eine Dame erzählt dem Publikum, dass sie jeden Morgen im Bett frühstücke. Ein Herr berichtet von einer Frau, die einen schönen Tod hatte - man fand sie auf der Rasenbank. Ein Kind erklärt die Zusammensetzung seines sozialen Umfelds: Der Chauffeur ist Deutscher, der Diener Schweizer, seine Mutter ist Witwe und der Bruder Architekt. Der Turm des Straßburger Münsters sei ein Meisterwerk der Baukunst. Hat der Herr am Ufer das Segelboot liegen gesehen? Sind sie zufällig Fräulein Monika?
Der Besucher wird darauf eingestimmt, dass ihm nicht große Oper, sondern zwanglose Unterhaltung bevorsteht. Alle Zusammenhänge wird er nicht verstehen. Das liegt daran, dass kein Zusammenhang vorhanden ist. Ohnehin plappern die meisten Leute zusammenhangloses Zeug. In dem folgenden Stück wird der wohlwollende Besucher Zusammenhänge selbst konstruieren müssen.
2. DIE MACHT DER MAGIE
Drei Herren schwärmen von der Magie. Wie wunderbar sie doch ist und wie dunkel! Selbst am lichten Tag ist sie unergründlich, dazu noch geheimnisvoll und rätselhaft. Zu allen Zeiten wurde mit ihr experimentiert. Alexander, der durch den Bosporus schwamm, gewann seine Kraft nur durch Magie. Mit Circe, die Männer in Schweine verwandelte, verhielt es sich genauso. Betrachten wir Cleopatra vom Blauen Nil, durch Magie erreichte sie sehr viel. Es ist nicht so, dass der Chor zum Schweigen verurteilt ist. Auch er kennt sich aus, denn: bei Heloise und Abälard, Magie im Spiele ward. Die drei naseweisen Herren lassen sich nicht abdrängen. Fürst Pückler, der das Eis erfand, nahm ein magisches Rezept zur Hand. Herr Paganini durch seine Violine wohl bekannt, hat durch Magie sein Publikum gebannt.
Hierzu wollen wir aber den wahren Sachverhalt - die Zusammenhänge sind Herrn Killmayer offenbar abhanden gekommen - vervollständigen. Auf ganz natürliche Weise lässt sich erklären, wie der faule Zauber zustande kam. Niccolò hat seine Geliebte umgebracht – wow. Den Innereien hat er den Dickdarm entnommen und in der Räucherkammer, wo auch der Schinken hängt, luftgetrocknet – wow. Passend in Streifen geschnitten, hat Niccolò aus dem Material des Eingeweides die Saiten geformt und damit seine Violine bespannt. Sie verursachte den diabolischen Klang und den schrillen Triller. Verzeihung - der Teufelstriller ist von Tartini.
3. MÖHRINGER
Kommen wir jetzt zur Handlung, die Herr Killmayer in die Kategorie Oper einsortiert hat. Die Hauptfigur, ein Mann der Ordnung, nennt sich Möhringer. Er heißt deshalb so, weil sein Urahn immerzu Karotten gegessen hat. Herr Möhringer hat sich in den Kopf gesetzt, ein weit verbreitetes Laster, allgemein unter dem Namen „Liebe“ geläufig, mit Stumpf und Stängel auszurotten. Im Widerspruch zur abendländischen Sittengeschichte vermutet er die Wurzel allen Übels nicht bei der Frau, welche die Unzucht gepachtet hat, sondern beim Mann. Dem maskulinen Besucher – die Stühle sind nur spärlich belegt – schaut Möhringer hypnotisch in die Augen. „Herr Doktor Fischer, fühlen sie sich eigentlich wohl auf ihrem Platz dort hinten und sind sie gespannt auf unsere Geschichte? Doch was macht ihre linke Hand auf dem Knie der Nachbarin?“ Der Ertappte errötet. Möhringer spricht die Leute einzeln an und bringt sie in Verlegenheit. Der Herr Amtsgerichtsrat schläft gewiss bald ein. Hatte er einen anstrengenden Tag? Das Licht geht aus und die Bühne ist ihm fern. Per Magie ordert Möhringer den Stuhl mit dem darauf sitzenden Herrn Amtsgerichtsrat direkt auf die Bühne. Das Opernglas ist dem Verschlafenen aus der Hand gefallen. Sind die Scheiben auch noch klar? Gewiss müssen die Gläser einmal gründlich geputzt werden. Der Magier zieht dem Beamten einen Damenstrumpf aus der Nase, Verzeihung - aus der Tasche. Man sieht, das Laster breitet sich unter der Bevölkerung aus. Es versteckt sich an allen möglichen Orten. In der Tasche, unter dem Tisch, im Blumenbouquet, überall ist es zu finden. Es wartet auf dem Bahnsteig. Es fährt bei Nacht mit dem Taxi in die Vorstädte. Selbst von der Kanzel predigt der Pfarrer über das Laster. Die Leute hören zwar zu, aber von Besserung sieht man keine Spur. So geht das nicht weiter.
Darum soll töten das Wörtchen Liebe
durch eine Kugel ins Herz!
Sterben soll, wer es ausspricht.
Das schwöre ich hier feierlich!
Mit magischer Kunst schaffe ich Yolimba, ein Mädchen,
Geschöpf des Lasters und der Magie!
Möhringer wird sie ausschicken, um die Lasterhaften zu entlarven und die Liebe zu töten – Verzeihung - den Mann zu töten, der das Wort ‚Liebe’ auch nur ausspricht. Damit die Ordnung erhalten bleibt, jetzt und in Zukunft.
4. YOLIMBA ENTSTEHT
Man nehme: Die Wunschträume eines sechzehnjährigen Mädchens, verrühre sie gut und lasse sie durch einen Blick in den Spiegel rasch kristallisieren. Darauf setze man das Gemisch mit Katzenschnurren in Vibration und lasse es in unvorbereiteten Klavierstunden sieden. Die Maschine beginnt zu arbeiten. Schon entsteht eine herrliche Kunstfigur, ohne die Natur bemüht zu haben. Doch Yolimba ist noch unbeseelt! Hundert abgedroschene Liebesworte aus dem Repertoire eines Schauspielers zuzüglich dreizehn Tränen aus den Liebesaffären eines Grafen werden mit viel Witz delikat zum Erglühen gebracht und in Sonntagsvormittagslangeweile abgeschmeckt. Die drei Herren kommentieren.
Schon entsteht sie, kein Werk der Natur.
Yolimba die herrliche Kunstfigur.
Doch sind wir noch nicht am Ziel.
Yolimba hat zu viel Gefühl.
Die Prozedur wird fortgesetzt: Fünf Schüsse aus einem Detektivroman, die Figur der Dame dort rechts im Parkett - leicht retuschiert - und die verweichlichten Killerhände von dem Herrn neben ihr, etliche gebrochene Eheversprechen, dazu die passenden Stoßseufzer werden der Masse zugefügt und destilliert. Die Maschine wird unter Dampf gesetzt und arbeitet.
Yolimba ist fertig, gefährlich und schön,
Bald wird sie die Männer im Staube seh'n.
Yolimba, Yolimba, Yolimba, Ah!
Der Physiker Spalanzani und der Optiker Coppelius besitzen auch ein Mädchenlabor. Sie bringen allerdings nur Puppen zustande, sie erst lebendig werden, wenn der Betrachter eine Zauberbrille aufsetzt. Wie eine Armbanduhr müssen die Puppen schon nach kurzer Zeit aufgezogen werden, sobald die Metallfeder nicht mehr gespannt ist. Das Schlüsselloch befindet sich auf der Rückenseite. Olympia kann nicht schießen, dafür aber wunderbar singen. „Phöbus stolz im Sonnenwahahahahagen, Nachtigall ick hör dir schlahahahahagen...“ Verzeihung - das war jetzt Rita Streich.
5. YOLIMBA SCHIESST
Der Magier gibt Yolimba eine Pistole und befiehlt: „Töte jeden, das ist deine Pflicht, der das Wörtchen Liebe spricht!“ Möhringer gaukelt seinem Geschöpf diverse Phantome von Liebestrunkenen vor. Die Worte, die den Schuss auslösen sollen, heißen: Liebe, Love, Amour und Amore. Yolimba knallt alle ab. Bravissimo, die Generalprobe hat Yolimba bestanden. Gut aufgelegt, hat der Opernchor mitgemacht - er wälzt sich nun in seinem Blut.
Jetzt wird Yolimba in eine Kiste gepackt und versandfertig gemacht. Adressiert wird das Gepäck an den Archäologen Dr. Wallerstein in der Parkallee 64. Dem Paketdienst wird gemeldet, dass bei Möhringer eine Kiste abzuholen ist. Es erscheinen drei Postbeamte, die dem Paketschein entnehmen, welcher Inhalt sich in der Kiste befindet.
Bliebe diese Kiste in Möhringers Behausung stehen, blieben viele Ehebrüche, Morde und Sensationen ungeschehen. Doch ihr Herren und Damen atmet auf und seid getrost: Etwas wunderbares gibt es auf der Welt - das ist die Post.
6. GROSSER LOBGESANG AUF DIE POST
„Die Post, die Post ist unvergleichlich. Briefe bringt sie, Karten reichlich. Todesfälle, Liebesschwüre bringt sie an die Wohnungstüre. Ob zur Freude oder Pein, morgens um halb neun stellt sie sich als Schicksal ein. Die Post, die Post ist unvergleichlich!“ Die gelbe Farbe des Postwagens, der die Pakete bringt, ist einfach wunderbar. Freude weckt sein schöner Anblick. Erwartungsvoll blicken 1000 Augen aus den Fenstern. Wird der Postmann dreimal klingeln oder geht er heute vorüber?
„Freude bringt die Postwurfsendung, guten Rat bringt sie für alle: Bleib gesund durch Vitamine! Kauf ein Los, es ist dein Glück! Postwurfsendung! Wichtig! Öffnen! Die Post ist wunderbar! Die Post ist wunderbar! Die Post, die Post ist unvergleichlich.“ Ohne Unterschied des Ranges, glücklich macht sie jung und alt! Der Opernchor hat sich aus Nachwuchskräften neu formiert. Neue Besen kehren gut und, von den drei Herren temperamentvoll angefeuert, stimmen sie in das Lob auf die Post ein. Damit das Beförderungsinstitut nicht eingebildet wird, unterlassen wir es, die witzigen Stabreine, Endreime, Schüttelreime und Limericks zu wiederholen, der Zuhörer würde in Vibration geraten.
7. DAS FRÜHSTÜCK
Mit Wortwitz und zaghafter Ironie beschreibt das Libretto die Familie Wallerstein am Freitag morgen um halb 9 am Frühstückstisch. Alle sind zufrieden und glücklich, seufzt die Gattin. An der Seite ihres lieben Mannes entfaltet das Leben ihr seinen ganzen Sinn. Gerda, ein Mädchen vom Lande, ist die Perle des Hauses und für das Wohlergehen der Familie zuständig. Diese besteht aus sechs Kindern, den Söhnen Thomas, Stefan und Michael und den Töchtern Hilda, Mathilda und dem Nesthäkchen Erika. Die Namen wurden sorgfältig ausgewählt. Nicht Mutti, sondern Vati ist das beste Stück, darüber sind sich alle einig. Beruflich macht der Herr Professor in Sachen Archäologie.
Wo bleibt nur die Post? Nicht so ungeduldig, Herr Professor, sie ist schon da und hat neben vielen Grußkarten und Briefen auch eine Kiste, groß wie ein Sarg, anzuliefern. Der Absender ist ein ihm unbekanntes archäologisches Institut. Wahrscheinlich schicken sie ihm eine Mumie. Vielleicht ist die Umwickelte sogar eine Königsmumie, Wallerstein ist neugierig und möchte, dass man ihn ungestört auspacken lässt, Gerda darf nicht einmal assistieren. Das Libretto vermerkt lakonisch: Der Professor packt die Kiste aus und Yolimba springt heraus.
8. VERFÜHRUNG DES PROFESSORS
Die drei Herren im Abendanzug lassen es sich nicht nehmen, die Situation zu kommentieren. Eine wirklich heikle Situation für einen Professor von seinem Ruf. Die junge Dame ist genau der Typ, auf den beleibte ältere Herren fliegen. Schon einmal vom Lolita-Syndrom gehört? Sollte der Professor nicht doch lieber um Hilfe rufen? Tatsächlich gibt es gewisse Situationen, in denen sich sogar der kluge Mann vergisst. Auch der angesehene Professor Wallerstein ist nur ein Mensch. Im voraus kann man nie wissen was passiert. In seiner Stellung ist es schon ein bisschen peinlich. Aber es bleibt doch in seinen vier Wänden. Böse Zungen gibt es immer. Auf keinen Fall sollte er zu weit gehen. Schließlich ist er Familienvater. Ach, die drei Gentlemen sind doch keine Puritaner. Einfach ’mal zuschauen, wie die Situation sich entwickelt. Die Kleine ist ganz schön raffiniert. Sie weiß, wie man es anstellen muss. Schließlich siegt bei den drei Moralisten die Empörung über die Neugierde. Der ansonsten sittsame Familienvater erkundigt sich bei der Kleinen, was ansteht, seine Lippen bringt er in Fragestellung und sie formulieren das verhängnisvolle Wörtchen. Yolimba erschießt den Professor. Der Opernchor ist mit der Situation völlig überfordert. Helfend eingreifen war aussichtslos, so kann er nur noch mahnen. Was nicht recht ist, das lässt man besser sein, drum endet tragisch Herr Professor Wallerstein.
9. MORD IN DER OPER
Ohne Schwierigkeiten findet Yolimba aus der Wohnung, denn der Kulissenschieber leistet flinke Arbeit. Es wurde schon erwähnt, dass Yolimba wie Olympia koloraturfähig ist. Wir finden das Geschöpf von Herrn Dorst und Herrn Killmayer in der Oper. Sie ist im Begriff, mit dem italienischen Tenor das Liebesduett zu proben. Zum Auftakt vokalisiert Yolimba den ersten Buchstaben des Alphabets. Der Tenor ist so unvorsichtig und vervollständigt ihn zu dem Wörtchen „Amore“. Yolimba erschießt den Tenor und das Publikum ist begeistert. Der Vorhang geht wieder auf. Yolimba verbeugt sich und der Tenor bleibt liegen.
10. EIN LOHNENDER ABEND
Der Chor der Musikkritiker, lobt die Aufführung überschwänglich. Bravo! Bravo! Bravo! Eine ungewöhnliche Stimme. Nein, diese herrlichen Koloraturen! Der Zauber des Belcanto hat die Herzen erobert. Diese Frau ist ein Erlebnis. Wirklich ein lohnender Abend. Ein beglückendes Erlebnis. Eine runde Leistung! Diese Frau ist unvergesslich! Welch ein Timbre!
11. DIE POLIZEI GREIFT EIN
Drei Polizisten mit Polizeihund erscheinen auf der Bühne und untersuchen den Toten. Er ist tatsächlich tot. Die Polizeibeamten finden ein Taschentuch. Das ist bestimmt von ihr. Sie halten es dem Hund vor die Nase, damit er Witterung aufnehmen kann. Der Bühnenbildner hat die Szene in einen Park verwandelt. Ein Gebüsch, aus dem schmatzende Geräusche kommen, biegt die Polizei behutsam auseinander. Ein Liebespaar! Die Polizei ist diskret und entschuldigt sich. Der Hund muss weitersuchen. Ist sie hier? Nein! Ist sie dort? Auch nicht! Plötzlich heult der Hund freudig auf. Der Polizei ist klar, die Täterin hält sich im Park auf. Sie hat es längst geahnt, denn sie denkt zielbewusst. Die Polizei findet ein Handtäschchen, darin fehlt das Taschentuch. Der Hund nickt. Kein Zweifel. Es gehört der Täterin. Durch die Fingerabdrücke wird man sie überführen. Die Polizei klärt jeden Fall.
12. GROSSER LOBGESANG AUF DIE POLIZEI
Die drei inzwischen hinreichend bekannten Herren leisten Überzeugungsarbeit. Alles sieht die Polizei, alles hört sie, alles weiß die Polizei, jeden kennt sie, nichts kann ihr entgehen. Gönnt sich keine Ruhe, selbst bei Nacht. Wachsam ist sie, prüft genau die Personalien, fragt nach Herkunft, letztem Wohnsitz, Religion und Augenfarbe, dass der Nachbar nebenan ohne Furcht vor seinem Nachbarn schlafen kann.
Die Bürger singen in ihren Betten: Wunderbar ist diese Sicherheit, die die Polizei dem braven Bürgersmann verleiht. Jeder lobt die Polizei, sie dressiert die Schäferhunde, dass sie keck durch Reifen springen, schnuppern nicht nach Fleisch und Würsten, sondern nach der Spur des Mörders, den sie nachts am Waldrand stellen. Überall auf dieser Erde, Orient und Okzident, auf dem Meer und in der Wüste schreckt sie dunkle Elemente, weckt Vertrauen bei den Guten. Hilfreich ist die Polizei. Jeder lobt die Polizei.
13. DIE VERFÜHRUNG DER POLIZISTEN
Die Polizei versucht, Yolimba auf die Spur zu kommen. Sie entwischt ihnen immer wieder und versucht nun ihrerseits, die Beamten gegeneinander auszuspielen. Beamte sind auch nur Menschen und durchaus in der Lage, in Einzelfällen Nachsicht zu üben. Gefühle sollten bei der Abschätzung des Strafbestandes keine Rolle spielen. Doch wovon sprechen unsere drei Untersuchungsbeamten? Was sind ihre Beweggründe, beide Augen zuzudrücken? Welches Wörtchen benutzen sie, um ihre Großzügigkeit zu rechtfertigen? Der Opernbesucher ahnt es. Yolimba erledigt alle drei auf die gewohnte Art und Weise.
14. MÖHRINGERS TRIUMPH
Möhringer trägt die von Yolimba gefällten Männer in ein Notizbuch ein. Von ihrer Arbeit lässt er sich jeden Abend berichten. Quer durch alle Schichten findet die Tatendurstige ihre Opfer: Augenärzte, Kunststudenten, Dirigenten, Hürdenspringer, Scheidungsrichter, Fensterputzer, Theologen (aus Versehen), Sanskritforscher, Kommunalbeamte, Studienräte (humanistisch gebildet), Förster, Masseure und so weiter. Taxichauffeure sind besonders anfällig. Allerorts ist Yolimba anzutreffen, in Gymnasien, in Hutläden, in Supermärkten. In einem Altersheim erledigt Yolimba 200 Greise, einschließlich Personal. Mit einer Kugel streckt sie alle nieder. Keiner wird von ihr verschont. Möhringer eilt von Triumph zu Triumph.
15. DIE SECHS WITWEN
Im Städtchen hat es sich herumgesprochen, dass ein geheimnisvoller Serienmörder im Begriff ist, die männlichen Einwohner durch einen gezielten Schuss in die Schläfe zu dezimieren. Sechs Witwen sind in arger Bedrängnis, denn sie müssen um ihre regelmäßige Betreuung ernsthaft bangen. Doch wählen wir die zweite Witwe aus und lassen sie stellvertretend für alle anderen selbst sprechen:
Ich meine, hier ist doch immer
ein Mann vorbeigekommen,
ein junger Mann auf einem Fahrrad.
Kommt er heute nicht?
Es ist schon zehn nach fünf.
Ach käme er doch endlich.
Ist etwas passiert?
Ich warte und warte ...
Ich höre ihn kommen.
Ja das ist er!
Herbert! Herbert! Herbert! Herbert!
Eine Fahrradklingel ertönt und Herbert steigt von seinem Drahtesel. Herr Killmayer verrät nicht, wie Herbert es fertigbringt, Pünktlichkeit und körperliche Präsenz in Einklang bringt, bei allen Damen gleichzeitig zu sein. Wohnen diese etwa alle im gleichen Haus?
16. JETZT KOMMT HERBERT
Wer ist Herbert? Herbert ist der Beste, der Stärkste, der Schönste, der Größte und der Klügste. Alle rufen Herbert. Ja, sie sind verrückt nach Herbert, denn Herbert versteht etwas von ... Wirklich Herbert versteht etwas davon. Was macht Herbert eigentlich beruflich?
Wenn um fünf der Wecker klingelt
und die Leute alle schlafen,
Herbert ist als erster munter.
Herbert kommt auf seinem Fahrrad,
kommt mit Leiter, Leim und Pinsel,
froh beginnt er dann sein Werk.
Alles kann er, alles macht er. Herbert ist nämlich Plakatankleber. Die Plakate sind sein Leben. Herbert, komm doch, mach mal, sing mal, spring mal! Herbert, Herbert, mach mal einen Salto, Bravo!
Jetzt geht es ans Plakatekleben. Auf dem Plakat steht ‚Mord aus Liebe’ Herbert will es gerade laut vorlesen. Doch vor dem letzten Wort stockt er. Denn er sieht Yolimba kommen. Die Pistole hat sie bereits in Anschlag gebracht. Die sechs Witwen eilen fort. Doch schon hat Herbert das Plakat angeklebt, ohne den begonnen Satz zu vollenden. Auf dem nächsten steht: Süden, Sonne, Luft und ... Das letzte Wort bleibt ihm im Halse stecken, als ob eine geheimnisvolle Macht ihn schütze. „Ferienglück und Badefreuden, Sommernächte unter Palmen, ewig lockt der Süden schon ab neunzig Mark.“ Yolimba hat keinen Grund zu Feuern. „Hundebad – Auch dein Hund braucht mehr ... Wasser.“ Wieder hat es nicht geklappt. Ach die braven kleinen Hunde, treu begleiten sie den Menschen, warten still, bis das Frauchen wiederkommt. Jetzt entrollt Herbert ein Zahnpasta-Plakat und liest: Jugend und Frische! Das Lächeln der ... Yolimba hat schon auf ihn angelegt. Ist es etwa eine Eigenart von Herbert, Sätze nicht bis zum Schluss auszusprechen? “Lächle morgens, lächle abends, denn dein zauberhaftes Lächeln beglückt und entzückt.“ Er hat natürlich abgelesen. Yolimba ist mit ihren Nerven fast am Ende. Noch nie hat sie so lange warten müssen. „Stadttheater: Einmaliges Gastspiel: Kabale und .... Yolimba, ist nicht dumm, denn die Träume einer Sechzehnjährigen hat man bei ihr eingebaut. Nun will sie Herbert beweisen, dass etwas in ihr steckt und sie spricht das verhängnisvolle Wörtchen selbst aus. „Liebe“ sagt sie und stürzt in Herberts Arme. Mit dieser Pleite hat Möhringer nicht gerechnet.
17. GROSSER LOB AUF DEN EHESTAND
Dieser Gesang passt dramaturgisch nicht so recht ins Gefüge, also lassen wir ihn weg. Die drei Herren meinen, sie müssen mit ihrem törichten Geschwätz allgegenwärtig sein.
18. DER WILDE WIND
Der wilde Wind weht. Was will der wilde Wind? Der erste Herr kann den dritten Herrn des Windes wegen nicht verstehen. O weh, der Wind, der zweite Herr wird weggeweht und der dritte auch.
Möhringer wurde durch den Wind herbeigeweht. Hat er ihn? Mit einem Faustschlag schickt er Herbert zu Boden. Yolimba bekommt er nicht zu fassen. Sie hat sich auf Herberts Fahrrad geschwungen und radelt davon. Was soll er machen? Er hat eine Idee und versteckt sich in einer Mülltonne, um Yolimba aufzulauern, die nach ihrer verlorenen Pistole suchen wird.
19. ERLÖSUNG
Damit hat Möhringer überhaupt nicht gerechnet. Die Müllabfuhr kommt vorbei und sammelt die Tonne ein. Der Inhalt wird in den Müllwagen gekippt, und der Zerkleinerungsmechanismus erledigt Möhringer. Ein Knall, ein Schrei und der zaubermächtige Ingenieur ist nicht mehr existent.
20. GROSSER LOBGESANG AUF DIE MÜLLABFUHR, DIE GRENZEN DER MAGIE UND FINALE
Die Bürger der Stadt gruppieren sich um den Müllwagen. Wie schön ist der Mai, wie schön ist der Juni, der September ist schön und der Oktober ist es auch.
Letzte Änderung am 17.3.2008
Beitrag von Engelbert Hellen