Vater der Rosen
Entstehungszeit: | 1905 |
Uraufführung: | 9. Dezember 1905 in Budapest (Király-Theater) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Verlag: | Budapest: Zenemükiadó Vállalat, 1954 |
Art: | Operette in drei Akten |
Libretto: | Ferenc Martos |
Sprache: | ungarisch |
Ort: | in Ofen, dem heutigen Buda |
Zeit: | zu Ende des 16. Jahrhunderts |
Gül Baba: | ein Rosenzüchter |
Leila: | seine Tochter |
Ali Kutschuk: | Pascha von Ofen |
Gábor: | ein Troubadour |
Mujko: | sein Begleiter |
Zuleika und Fatime: | Gül Babas Frauen |
Zülfikár: | Obereunuch bei Gül Baba |
Weitere: | der Schultheiß von Ofen, ein Kerkermeister, ein Muezzin, ein Vorbeter, Pilger, Eunuchen, Odalisken, Sklavinnen |
Gül Baba hat der Metropole am „Goldenen Horn“ den Rücken gekehrt und ist mit zwei Ehefrauen und seiner Tochter Leila ins Land der Magyaren gezogen. Den Glauben an Allah hat er mitgebracht und ihm zu Ehren einen herrlich duftenden Rosengarten angelegt. Sein kleines Landhaus mit Frauengemächern und einer schmucken Moschee inmitten der Rosenpracht machen das Städtchen Ofen zu einer Sehenswürdigkeit im Donautal. Ein hohes Minarett weist den Pilgern aus Schiras den Weg an ihr Reiseziel. Wohl wissend, wen sie besuchen, bringen die Männer aus der Stadt des Dichters Saadi dem Ehrwürdigen Nachschub an ausgewählten Rosenstöcken als Geschenk mit, auf dass sein Gülestan unter der Sonne unvergleichlich sei und die Donauwellen seinen Ruhm in alle Welt tragen. Die wilden Ungarn sollen von Kultur und feiner Lebensart des Morgenlandes ein wenig abbekommen, damit ihr raues Gemüt sich besänftigt. Doch die Unruhe verbreitet in Wirklichkeit Ali Pascha. Der muselmanische Souverän hat seinen Palast schräg gegenüber und ist damit unmittelbarer Nachbar Gül Babas. Erst vor kurzem hat der Despot ein neues Gesetzt erlassen, dass jeder, der eine Rose knickt, des Todes sei und hingerichtet werden soll, damit die Ungarn wissen, wer an Donauufer und Balaton das Sagen hat.
Doch die schönste aller Rosenknospen ist Leila, die liebliche Tochter Gül Babas. Der Pascha sieht in der „Rose von Ofen“ bereits seine Lieblingsfrau, doch das Mädchen schlägt seine schroffe Werbung in den Westwind. Der Vater hätte gegen eine Verbindung nichts einzuwenden, weil er sich geehrt fühlen würde, mit dem Pascha verschwägert zu sein, doch das Unbehagen seines Kindes respektiert er mehr. Gül Baba wird weder physischen noch psychischen Druck ausüben. Der Form halber zählt auch ein Eunuch zum Haushalt, der mangels Beschäftigung gleichzeitig die Position des Hausmeisters und des Gärtners versieht.
Gül Baba täte gut daran, an Stelle eines Eunuchen einen Bogenschützen einzustellen. Ein magyarischer Troubadour steigt mit seinem Diener in regelmäßigen Abständen heimlich über die Mauer, gleitet am Rosenspalier herab, und lässt seine Ölaugen auf der Suche nach Leilas Antlitz schmachtend umherschweifen. Leilas Herz hat sich ihm mit Inbrunst zugewandt und würde ihm liebend gern in die Freiheit folgen, denn das traditionelle Leben der gehorsamen Muselmanin bereitet ihr Verdruss. Als Erkennungszeichen, dass er sich im Garten verborgen hält, knickt er jedes Mal eine Rose, um dann auf ihr Signal zu warten. Bisher ist immer alles gut gegangen. Doch diesmal hat der misstrauische Zülfikár den Gábor auf frischer Tat ertappt und erhebt ein mordsmäßiges Geschrei, welches selbst den Pascha in seiner Gelassenheit aufgeschreckt. Menschen sammeln sich an und folgerichtig kündet der machthabende Osmane den beiden Naturfrevlern das Todesurteil. Die Vollstreckung soll am nächsten Morgen über den Richtblock gehen. Doch nach alter Gepflogenheit kann dem Todeskandidaten ein letzter Wunsch nicht verweigert werden. Gábor möchte den angebrochenen Tag mit Leila im Rosengarten verbringen. Unwillig stimmt der Pascha dem Wunsch zu und verlässt ärgerlich das Terrain.
Gábor nimmt sein Schicksal nicht ernst, denn er verfolgt eine Taktik. Zunächst versucht er, mit liebenswerter Konversation die Bewohner für sich einzunehmen. Sein persönlicher Charme und sein angenehmes Äußeres unterstützen ihn dabei. Die Mutter zieht er als erste auf seine Seite. Mit Gül Baba unterhält er sich über seine Rosen und weist darauf hin, dass es dem Menschen gemäß göttlicher Toleranz durchaus erlaubt sei, eine Rose zu pflücken, um diese der Liebsten als Zeichen seiner Zuneigung ins Haar zu stecken. Blumen haben kein Hirn, fühlen deshalb auch keinen Schmerz, weil solche Impulse nicht weitergeleitet werden. Doch wenn man Blumen nicht liebt und ihnen kein Wasser gibt, lassen sie die Köpfe hängen. Diese Logik leuchtet allen ein, sogar Zülfikár erkennt die Wahrheit der weisen Worte und nickt bestätigend mit dem Kopf. Leilas Herz hat Gábor von Anfang an besessen und er muss sich nicht mehr großartig bemühen.
Süßen Rebensaft haben die beiden Eindringlinge in einer großen Feldflasche dabei. Ein Schlückchen und auch ein paar mehr bekommt jeder Anwesende ab. Gábor und sein Freund Mujko haben die Wirkung von Rebensaft schon öfters an sich selbst ausprobiert. Sie brauchen auch nicht lange auf eine Reaktion bei den anderen zu warten. Er steigt in den Kopf und beschwingt die Füße. Das Musikinstrument wird hervorgeholt und der Geigenkasten unter das Kinn geschoben. Klänge von Lebensfreude und Todesahnung erfüllen die Luft und pflanzen sich fort, bis sie das jenseitige Ufer erreichen. Zuleika wird zutraulich und macht sich an Mujko heran, den die Fülle ihres Körpergewichtes aber abschreckt und es vorzieht, auszuweichen.
Man beginnt zu lärmen und zu tanzen, so dass Ali Pascha bald wieder auftaucht, sich über die Ruhestörung beschwert und über die unvermutete Fröhlichkeit ins Staunen gerät. Die Frauen flehen ihn an, den beiden Jünglingen das Leben zu schenken und Gnade walten zu lassen. Jetzt wird der Pascha erst richtig wütend. Er stellt Bedingungen. Wenn er Leila in seinen Harem bekommt, wird er die beiden Strolche ungeköpft ziehen lassen. Leila ist bereit, das Opfer zu bringen, doch jetzt wird Gábor wütend und zieht seinen Dolch, um ihn dem mächtigen Rivalen in die Brust zu stoßen. Das geht nun wirklich zu weit. Der Pascha befiehlt, den beiden am morgigen Tag der Kopf endgültig von den Schultern zu heben.
Gül Baba zieht seine Stirn in nachdenkliche Falten, wandelt im Rosengarten, um seinem Gehirn Sauerstoff zuzufügen. Kommt ihm die Erleuchtung? Wird er eine Lösung finden?
Mit den beiden werden keine großen Umstände gemacht, sie sollen die Nacht im Gartenpavillon verbringen. Der Pascha schließt ab und nimmt den Schlüssel an sich. Gábor ist ein bisschen stiller geworden und Mujko tröstet sich mit Galgenhumor. Er singt die Moritat von den Hühnern, die selten baden gehen, weil sie sich die Waden erkälten. Leila ist nicht untätig gewesen und hat zwei Pferde besorgt. Der Pavillon hat einen Geheimgang, aus dem die Gefangenen die Flucht antreten können. Doch Gábor will lieber sterben, als sich ohne Leila auf den Weg machen. Die Pferde wiehern und der Pascha hat es gehört! Mit seinem Gefolge versperrt er den Fluchtbereiten den Weg.
Doch nun möge der Operettenbesucher erfahren, was in der Nacht noch geschah. Allen Rosen im Garten wurde von unbekannter Hand der Kopf abgeschnitten. Gül Baba kennt die Hintergründe, denn der Ehrwürdige hatte einen Traum. Im tiefen Gebet hat der Prophet ihm Allahs Zorn kundgetan. Lebende Menschen soll man nicht für Blumen opfern. Die Vernichtung aller Rosen soll als Warnung verstanden werden. Der Pascha schenkt dem Traum und der Prophezeiung Gül Babas Glauben und entfernt sich. Mit heiler Haut ziehen die Todeskandidaten in Eile ihres Weges. Mit Zustimmung des Vaters darf Leila mitkommen. Möge der Himmel auf die beiden Liebenden immer wohlwollend herabschauen.
Mit dem Abschneiden aller heiß geliebten Rosen in dunkler Nacht brachte Gül Baba aus Liebe zu seiner Tochter das größte Opfer seines Lebens.
Letzte Änderung am 9.11.2009
Beitrag von Engelbert Hellen