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- An der schönen blauen Donau
Franz Hummel (geb. 1939):
An der schönen blauen Donau
Allgemeine Angaben zur Oper
Entstehungszeit: |
1994 |
Uraufführung: |
1994 in Klagenfurt |
Besetzung: |
Soli und Orchester |
Erstdruck: |
München: Accent-Verlag, 1994 |
Zur Oper
Art: |
Kammeroper in einem Akt und zehn Szenen |
Libretto: |
Elisabeth Gutjahr nach dem Fragment „Die Lehrerin von Regensburg“ von Ödön von Horváth |
Sprache: |
deutsch |
Ort: |
Regensburg |
Zeit: |
1920er und 1930er Jahre |
Personen der Handlung
Elli: |
(Sopran) |
Irenes Stimme: |
(Alt) |
Der unbekannte Geliebte: |
(Tenor) |
Der Mechaniker: |
(Bariton) |
Die Fischmaulmeier: |
(Bass) |
Der Zuständige: |
(Sprechrolle) |
Handlung
Die Tragödie der Lehrerin Elli Maldaque hat in den 1930er Jahren in Deutschland viel Aufsehen erregt und sowohl die Psychiatrie als auch den Staat als Organ der Bespitzelung einmal mehr in Schuldhaft genommen. Die Begleitumstände, die zu ihrem frühen und rätselhaften Tod geführt haben, könnten sich auch in heutiger Zeit in anderer Form wiederholen. Die neuen Medien bieten für den „perfekten Lauschangriff“ ganz neue Möglichkeiten. Die totale Vernichtung einer bis dahin unbescholtenen Persönlichkeit kann durchaus das Resultat konzentrierter krimineller Bemühungen sein, wenn eine Clique es darauf abgesehen hat, die Person zu Fall zu bringen.
Wenden wir uns nun der Geschichte zu, die wir erzählen wollen. Ihrer verstorbenen Mutter singt Elli ein Wiegenlied:
„Leis' wiegen Weiden
Dich im letzten Traum.
Im Garten winkt der Bruder,
die Wasser steigen.
Im Schatten der Jahre
sind die Sommer vereist.
Die heiligen Worte sind verstummt.
Namenlos und leer
warte ich auf Zeichen.
Im Schatten der Jahre sind die Sommer vereist.
Windsamete Vorhänge
aus harzigem Leinen
die Bahre geflochten. Leis' wiegen Weiden
Dich im letzten Traum.“
Die allseits beliebte und geachtete Lehrerin Elli Maldaque, aufgewachsen in einem frömmelnden Elternhaus im Regensburg der frühen 1920er Jahre, lernt die mit einem französischen Schriftsteller befreundete Irene Neubauer kennen. Mit ihrer Person kommt eine politische Zeiterscheinung ins katholische Regensburg, der damals viele Geistesgrößen und Welterneuerer anhingen: der Kommunismus.
„Der Kommunismus wird die Erde in seine
starken Arme nehmen.
Eine verzehrende Flamme brennt die Fesseln nieder,
gebt mir eine Lanze für diesen heiligen Krieg,
Ich will Sperrfeuer heizen,
den Grabenschützen Wundbrand legen,
falsche Augen mit Eislicht blenden,
keinen Tod scheuen.“
Elli begibt sich zu den Versammlungen, die auch in Regensburg bereits einen festen Platz in der regionalen Szene gefunden haben, und spielt dort Klavier. Obwohl sie sich den Kommunisten nicht formell anschließt, kann sie sich der Faszination dieser ihrer Sicht christlich anmutenden Bewegung nicht entziehen. Für ihre Begriffe steht diese Weltanschauung für eine bessere Zukunft, in der alle Menschen gleichberechtigt für einander da sind.
Elli versieht den Schuldienst nun mit noch größerer Hingabe. „Schau nicht aus dem Fenster Marianne, Deine Mutter kommt bald zurück, sorg' Dich nicht. Habt ihr Eure Hefte dabei? Wer kann mit vorlesen, was wir gestern als letztes aufgeschrieben haben?“ So geht es in der Schule zu und folgendermaßen wird unter Nachbarn gewöhnlich Konversation gemacht. Der Mechaniker nimmt mit der Fischmaulmeier den Dialog auf: „Gott segne die Frau Meier, is des a Hitz heut'.“ „Ja, Herr Waffenmeister, ma wird net jünger. Wolln's net von mei'm Quittengelee probieren?“ „Sie wollen mich verführen, ich durchschaue sie!“ wehrt er ab. Doch die staatliche Bespitzelung hat ihr Spinnennetz bereits über Elli geworfen. Als sie nach mehreren Verwarnungen von ihrer Sympathie nicht abrückt und immer noch beteuert, sie habe keine unchristlichen Absichten, wird ihr die Entfernung aus dem Schuldienst angedroht. Dagegen protestiert die gesamte Elternschaft.
Allgemeiner Dialog zwischen dem unbekannten Geliebten und dem „Zuständigen“:
„Nicht schlecht, nicht schlecht, die Kommunisten!“
„Wie meinen Sie das?“
„Wenn die so weitermacht, rennt sie ins offene Messer.“
„Sie beobachten sie schon länger?“
„Ein gutes halbes Jahr, schwerer Fall!“
„Aber sie ist doch ein guter Mensch!“
„Der Zuständige“ rückt mit seiner Meinung heraus: „Entweder ist sie besonders raffiniert oder besonders naiv!“ Nun beginnt sich das Karussell der Demontage ihrer Persönlichkeit zu drehen. Elli freut sich auf den Umzug in die Orleansstraße: „Ich werde in einem neuen Haus wohnen. Vor meinem Fenster blühen die Linden, und an der Tür steht auf einer kleinen Tafel mein Name.“ Sie findet eines Tages die Wohnung durchsucht. Sie wird bedroht und verfolgt. Ihr zeitweiliger Begleiter - der unbekannte Geliebte - legt einen Herrenmantel um Ellis Schultern. Irene nimmt Abschied von ihrer Freundin. Ab jetzt wirkt der Text extrem surrealistisch.
„In meinem Steingarten liegt ein dunkler Teich.
Dort habe ich Dir Seerosen gepflanzt.
Wenn Du sie berührst,
musst Du trinken in schuldschwerem Wasser.
Mein Zorn markiert den Abgrund,
der uns trennt,
über ihm segelt ein Falke.
Ich habe Dich gewarnt:
Falkenauge sticht Möwe.
Kreuz-As die Königin.
Flieh!
Flieh weit über die Grenzen.
Ich kann den Abstand zwischen uns nicht
mehr verringern!“
Elli antwortet, dass es hier licht und still sei. Aber manchmal hört sie einen leisen Gesang, dem sie bis ans einzige Ufer folgt. Im Sommer will sie an die Wolga reisen. Die Fischmaulmeier will nun wissen, was sie denn an der Wolga will. Es entspinnt sich ein aggressiver Dialog. Was geht sie das an? Man wird doch noch fragen dürfen. Der Oberschulrat hat sie auch schon vorgeladen. Man macht sich halt Gedanken. „Die Gedanken sind frei.“
„Was sagt denn ihr Vater dazu?“ Wenn sie das gern wissen möchte, soll die ihn doch selbst fragen. Die Kommunisten sind schon ein seltenes Völkchen. „Sind sie auch Kommunistin?“ „Nein, ich bin die heilige Elisabeth von Regensburg.“ „Na, Sie werden schon wissen, was Sie tun!“
Zwischen scheinbar wohlwollenden Ratschlägen und unverhohlenen Drohungen pendeln die Methoden der Bespitzelungen, bestens eingeübt, hin und her und tun ihre Wirkung. Elli zeigt sich zunehmend empfindsam, wenn jemand mit ihr über das Problem spricht. Es wird immer schwieriger, Freund und Feind auseinander zu halten, und sie zieht sich mehr und mehr in sich selbst zurück. Ihr Vater hat die Einweisung in die Psychiatrie veranlasst. Elli will auf einem einsamen Turm die Nachtvögel füttern. Vom Himmel fallen tote Vögel, bemerkt der Mechaniker, und die Meere werden austrocknen.
„Der Zuständige“ reklamiert, für Recht und Ordnung in unsrem Staat verfügt er. Er soll sie nicht anfassen, denn schließlich hat sie auch Rechte. Durch welche Tür, bitte, geht es hier ins Freie? Weshalb redet sie nicht, sie habe noch kein einziges Wort gesagt, stellt der Zuständige fest. „Sie sind entlassen“ brüllt er unvermutet los. Niemand wird jetzt ihre Bekümmernis stillen, denn nirgendwo findet sich ein Gerechter. Ihr Anwalt hat soeben das Mandat niedergelegt. Die Presse ist informiert. Wenn sie vielleicht noch ein paar Worte an die Eltern richten wollen? Der Zuständige empfiehlt sich.
Die Fischmaulmeier mischt sich ein: In ihre rechtschaffenen Arme hat Gott ihr einen Mann gegeben, an dessen Seite auch immer für ihre rechtschaffene Seele noch immer etwas übrig bleibt. Gott führt seine Kinder durch diese windschiefe Welt.
„Gemäß Artikel 5, Absatz 2, des Volksschullehrgesetzes §46 Formationsordnung vom 17. Dezember 1925 wird ihr Dienstverhältnis als Volksschullehrer mit Wirkung vom 1. Juli 1930 aufgelöst. Vom gleichen Zeitpunkt ab verlieren sie den Anspruch auf das Diensteinkommen und auf die Standesbezeichnung sowie die Aussicht auf Ruhestandsversorgung. Diese bestimmte Haltung gegenüber einer auf gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats- und Kulturordnung hinarbeitenden Bewegung ist mit der Stellung eines Beamten und Lehrers unvereinbar. Ihr noch widerrufliches Dienstverhältnis war daher zu lösen.“
Der unbekannte Geliebte ist Elli bei der Abfassung einer Reaktion behilflich: „Die Unterzeichnete stellt das Ersuchen, beiliegendes Tagebuch bezüglich meiner fristlosen Dienstentlassung vom 27. Juni 1930 entgegennehmen zu wollen und zu studieren. Bisher war ich nicht in der Lage, meine fällige Beschwerde an das zuständige Staatsministerium für Unterricht und Kultur fertigzustellen, da ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehe....“
„Der Zuständige“ brüllt, dass das Gesetz auf seiner Seite stehe, denn er sei das Gesetz! Was nützt der Übergescheiten der Einwand jetzt, bemerkt die Fischmaulmeier. Gott wird es schon richten!
„Brandspuren horizontweit! Den bösen Träumen auf dem Schlachtfeld wurde Irene geopfert.“ Elli hat kein Wort mehr zu ihr sagen können. Stattdessen hört sie in Gedanken Irenes Stimme ganz nah, dass in ihrem Garten ein dunkler Teich läge.
Der Mechaniker übergibt dem Zuständigen die bewusstlose Elli und legt sie auf ein Bett. Der Beamte vertreibt den Mechaniker, die Fischmaulmeier, den unbekannten Geliebten und setzt sich hinter sie. Elli fühlt sich schutzlos und bedroht. Sie sei ein Novemberkind und avisiert, dass sie beißen werde. Ihr Bruder fiel in Flandern und der Wind bewegt die Weiden. Draußen warten alle unter falschem Namen. Noch zwei Schritte zum Appell und den Blick nach vorn!
„Die tote Amsel!
In dem kupfernen Glanz deiner Augen
sah ich Unbarmherzigkeit.
Was wird mit mir?
Morgenlicht weint in den Straßen.
Die Opfer weißen die Fassaden,
staubblind
keinen Tod scheuen,
mit den Lippen lächeln.
Die Barke liegt tiefer jetzt,
nur eine Handbreit überm Wasser.
Ich werde in einem neuen Haus wohnen,
an der Tür mein Name.
Der Zaunkönig ist ertrunken,
wenn du ihn berührst, versinkst du
in schuldschwerem Wasser.
Flieh!
Hier ist es still!
Schwarz ist unsichtbar,
kein Wort mehr,
leichter werden!“
Letzte Änderung am 7.12.2014
Beitrag von Engelbert Hellen