Alexander Tichonowitsch Gretschaninow (1864-1959):
Dobrynja Nikititsch / Dobrynya Nikitich / Dobrynia Nikititch
Entstehungszeit: | 1895-1901 |
Uraufführung: | 27. Oktober 1903 in Moskau (Bolschoi Theater) mit Fjodor Schaljapin als Dobrynja |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Bemerkung: | Historiker glauben, dass sich der Sagenheld durch mündliche Überlieferung aus der realen Person des Feldherrn Dobrynja Nikititsch entwickelt hat. Dieser führte die Armeen Svjatoslaw des Großen und soll auch der Lehrer seines Sohnes Wladimir gewesen sein. Infolge Tapferkeit gewann er den Kampf gegen den Drachen Gorynytsch. Repräsentativ vertrat er die gehobene Kriegerkaste, ohne selbst von Adel gewesen zu sein. Er war Bogenschütze und Ringkämpfer und die meiste Zeit mit seinem Pferd auf Trab. Er verstand zu musizieren und Schach zu spielen, war bei den Damen und der Ritterschaft gern gesehen. Berühmt ist das Gemälde von Viktor Michailowitsch Wasnezow: Dobrynja Nikititsch rettet Sabawa. Der Genannte war ein Muster an Höflichkeit und für die Erledigung von Spezialaufgaben jederzeit einsatzbereit. – ein James Bond der Alten Schule. Cartoons und bebilderte Kinderbücher sprechen für die Lebensfähigkeit des rauhbeinigen Sagenhelden. Während Alexander Gretschaninow dem Krieger seine erste Oper widmete, befasste sich Reinhold Glière in einer monumentalen Symphonie mit einem anderen Ritter gleichen Kalibers: Ilja Muromez. |
Opus: | op. 22 |
Art: | Oper in drei Akten |
Libretto: | vom Komponisten nach einem Skript von V. V. Stasow |
Sprache: | russisch |
Ort: | Russland |
Zeit: | zur Drachenzeit |
Dobrynja: | russischer Kriegsherr (Bass) |
Nastja: | seine Frau (Sopran) |
Aljoscha: | sein Gefährte (Tenor) |
Mamelfa: | Dobrynjas Mutter (Mezzosopran) |
Gorynytsch: | ein klauenbewehrter Drache |
Marina: | eine bei Gorynytsch wohnende Hexe (Mezzosopran) |
Aus dem lyrischen Vorspiel, welches zunächst von den Holzbläsern getragen wird, entwickelt sich das Thema des Talismans, den Dobrynja von seiner Mutter als Geschenk bekommen hat. Leitmotivisch orientiert, erscheint es auch am Ende des Werkes. Nastja hat ihr eigenes Thema, es gilt als Symbol der Treue, welche sie dem Liebsten entgegenbringt. Ihr Liedchen am Spinnrocken trägt rustikalen Charakter und macht ihr liebenswürdiges Wesen dem Opernpublikum bekannt (To ne belaja bezeza k zemle klonitsja). Mit Dobrynja und seiner Mutter lebt sie in Wohngemeinschaft auf deren Hof. Mamelfa hatte einen schlimmen Traum. Ihre Unruhe teilt sie dem Orchester mit. Über einem weißen Schwan kreiste ein Raubvogel - das kann nur böse Vorahnung bedeuten!
Ist es der Drache Gorynytsch, mit dem der Held sich mit Waffengewalt auseinanderzusetzen gedenkt, oder ist es gar sein bester Freund Aljoscha, der ihm die Liebste untreu machen möchte? Täuscht die wohlklingende Tenorstimme über seinen wirklichen Charakter hinweg oder ist er ohne Arg einfach nur seinem Schicksal erlegen und in das schöne Mädchen verliebt? Er besucht es in Abwesenheit des Freundes und trällert ein fröhliches Liedchen, kann die anhängliche Nastja damit aber nicht berücken und erhält eine Abfuhr. Seine Stimmung sinkt auf den Nullpunkt und er ist zu Tode betrübt.
Blumen blühten im Feld.
Sie blühten schon im Frühling,
Sie hatten kaum Zeit sich zu öffnen
Als das kalte Wetter kam.
Die frostige Nacht ruinierte sie.
Die kalte frostige Nacht ruinierte sie für immer,
Die kalte frostige Nacht.
Die Vögelein sangen ihr Lied,
Ihren prächtigen Gesang
Als das schlimme Wetter eintrat
Und die stürmischen Winde aufkamen,
Stürmische, lautstarke Winde.
Es wurde der Liebling hinweggefegt
Mein Schatz, die geliebte Freundin!
Und für immer ward sie von ihm getrennt.
Gorynytsch ist nicht bösartig, sondern lediglich eine Sammelnatur. Er raubt schöne Jungfrauen und sperrt sie dann ein. Für die Mädchen ist das ein hartes Schicksal, denn oftmals werden sie von ihrem Liebsten getrennt. Selbst vor der Tochter des Großfürsten von Kiew hat der scheußliche Drache nicht Halt gemacht und Sabawa Potiatischina zu den anderen in die Gemeinschaftsunterkunft gesteckt. Mit kostbarem Geschmeide lassen die Mädchen sich auf Dauer nicht beschwichtigen - sie wollen nach Hause zu Vater und Mutter.
Dobrynja Nikititsch hat sich ihres Schicksals erbarmt und will den Kampf mit dem Drachen wagen. Aljoscha sollte ihm dabei helfen, aber der smarte Jüngling befürchtet, sich bei der Auseinandersetzung die Rippen zu brechen und zieht es vor, sich im letzten Moment zu verdrücken. Aus dem ersten Akt wissen wir, dass er bei Nastja gelandet ist.
Der Drache wohnt nicht allein in der Höhle, sondern hat einen Teil des Stollens an eine Magierin vermietet. Den Ausdruck Hexe wollen wir vermeiden, damit Marina nicht aus Versehen Unrecht geschieht. Auch sie hat ein Herz mit Gefühl und ist in den Helden Dobrynja maßlos verliebt. Ahnung von zärtlicher und suggestiver Musik hat sie auch.
Welche Frau könnte ein solches Bündel an Kraft und Heldenmut, wie Dobrynja Nikititsch es darstellt, schon verschmähen? Verständlicherweise versucht Marina, ihre Hexenkünste an den Mann zu bringen, um ihn Nastja zu entfremden. Als Mittel zum Zweck benutzt sie die Musik von Alexander Gretschaninow. Mit Adagio und Variation sowie dem Sologesang einer schmachtenden Violine bemüht sich die Zauberin, den Helden ihrer Träume auf ihre Seite zu ziehen und nahezu fünfzehn Minuten in ihren Bann zu zwingen. Nein, das Schicksal ist ihr nicht hold. Dobrynja will nach Hause. Marina soll ihren Drachen wieder gesund pflegen und sich mit ihm trösten.
Wir befinden uns am Hof des Großfürsten von Kiew. Dort findet gerade eine Hochzeit statt. Der Hochzeitschor hat gut trainiert. Der Pope ist noch nicht erschienen. Doch dann tritt etwas Unerwartetes ein. Ein Durchreisender in Bettlerkleidung, vermutlich ein Barde, betritt den Festsaal. Er singt ein Lied von einem jungen Falken, der aus der Gefangenschaft entflohen ist und die Geliebte nicht mehr im Nest gefunden hat. Was ist passiert? Mit einem Anderen hat sie sich davon gemacht. Aus der Hochzeit von Aljoscha und Nastja wird nichts. Nastja erkennt ihren geliebten Dobrynja und flüchtet in seine Umarmung. Der Bräutigam kann seine Rolle nicht zu Ende spielen. Die Oper endet mit einem Hymnus zu Ehren des Helden Dobrynja, denn er hat alle gefangenen Jungfrauen aus den Klauen des schändlichen Drachen befreit.
Seine vornehmste Aufgabe sah Nikititsch darin, Damen von Geblüt in Bedrängnissen aller Art zur Seite zu stehen. Die Population der Drachen hatte überhand genommen. Ein ausgewachsener Drache ist ein ernst zu nehmender Gegner. Er spuckt Feuer und mit der magischen Peitsche ist dem Gepanzerten schwer beizukommen. Das Blut ist in jedem Fall giftig, eignet sich aber, um Speerspitzen zu härten. Ständig rauben die Drachen Jungfrauen, ohne recht zu wissen, was sie mit ihnen anfangen sollen. Die weiblichen Drachen brüten das Gelege aus und der männliche hockt die meiste Zeit auf einem Schatz, der aus Edelmetall und Geschmeide besteht - zuerst entwendet und dann eifersüchtig bewacht. Die meisten Ritter waren Angeber und protzten damit, einen Drachen erlegt zu haben, aber meistens handelte es sich nur um harmlose Jungtiere. Soviel über Drachen und Drachentöter, denen der Heilige Georg als Vorbild galt.
DOBRYNJA UND DER DRACHE, eine der Legenden über den Sagenhelden:
Die fürsorgliche Mutter warnt Dobrynja, in die Sarazenischen Berge zu gehen, um die von einem Drachen behütete vornehme Jungfrau zu befreien. Zudem findet sie es unschicklich, niedliche kleine Drachenbabys tot zu trampeln. Der Sohn soll auch nicht im Pulchai-Fluss baden, weil das gefährlich ist. Doch Dobrynja missachtet alle Warnungen seiner Mutter und handelt genau entgegengesetzt. Der Drache wartet exakt den Zeitpunkt ab, in dem der Held im Fluss badet, denn in unbekleidetem Zustand schmeckt ein Ritter besser, als wenn noch die Verschalung zerkaut werden muss. Die verstümmelte Überlieferung spricht von einem „griechischen Hut“ mit dem Dobrynja sich erfolgreich verteidigt. Die Kontrahenten kommen überein, sich zukünftig gegenseitig in Ruhe zu lassen, weil es zu nichts führt, sich in Abwesenheit von Publikum sinnlos zu verausgaben. Der Stall in dem die Jungfrauen gefangen gesetzt werden, sei zurzeit ohnehin leer. Danach fliegt der Drache weg und raubt die Nichte des Fürsten Wladimir. Als Dobrynja in Kiew ankommt, erzählt der Fürst ihm, dass Sabawa Potiatischina verschwunden ist, weil ein Drache sie entführt hat. Dem Lügner wird Dobrynja es heimzahlen! Mit der magischen Peitsche, die ihm seine Mutter geschenkt hat, macht er sich erneut auf in die Berge, um den Drachen zu bestrafen und die Jungfrau zu befreien. Drei Tage lang kämpft er vergeblich gegen den Unhold, ohne dass es zu einer Entscheidung kommt. Der Ermattete will aufgeben, doch eine Stimme vom Himmel befiehlt ihm, weiterzumachen. Nach drei Stunden hat der Held den Gepanzerten endlich besiegt, der infolge des gewaltigen Blutverlustes nicht mehr bei Kräften ist und sein Leben aushaucht. Doch es hat sich ein großer Tümpel gebildet, denn das Blut versickert nicht in den Erdboden. Mit seinem Pferd sitzt der mutige Kämpfer in der klebrigen blutroten Masse fest. Die Stimme vom Himmel meldet sich erneut und sagt Dobrynja, was in dieser vertrackten Situation zu tun ist. Er soll seinen Speer in den Grund stecken und dazu die Beschwörungsformel sprechen, die ihm vorgesagt wird. Endlich wird das Drachenblut von der Erde verschluckt. Jetzt kann die Jungfrau gerettet werden. Sie steht bereits oben auf dem Felsen und winkt mit dem Taschentuch. Dobrynja würde die Befreite gern heiraten, sie ihn auch, aber das geht nicht, denn er ist nicht von Adel. Was tut er? Er schenkt Sabawa Potiatischina seinem besten Freund Aljoscha Popowitsch. Ist das nicht anständig? Er selbst hat bald Ersatz gefunden, lernt Nastja kennen und heiratet diese.
Letzte Änderung am 26.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen und Aurika Sandu