Charles François Gounod (1818-1893):

La Reine de Saba

deutsch Die Königin von Saba / englisch The Queen of Sheba

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1861, rev. 1862
Uraufführung: 28. Februar 1862 in Paris (Grand Opéra, Salle Le Peletier) - 1. Fassung in 5 Akten
5. Dezember 1862 in Brüssel (Théâtre de la Monnaie) - 2. Fassung in 4 Akten
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 150 Minuten
Erstdruck: Paris: Choudens, ca. 1862
Bemerkung: Die Oper hatte es nach der Premiere schwer, Zuspruch zu finden. Der Komponist war bei Kaiser Napoléon III. in Ungnade gefallen. Obwohl er gegen die Musik nichts einzuwenden hatte, empfand er es als Skandal, dass ein Baumeister einem amtierenden Herrscher vorgezogen wurde. Der Name wurde ausgetauscht und so wurde aus „Salomon“ ein „Soliman“ - ein Türke, welcher mehr als zweitausend Jahre später regierte. Dieser Missgriff stört auch heute noch, ist aber nicht abhilfefähig, weil neben anderen Ungereimtheiten die Charakterzeichnung in Mitleidenschaft gezogen würde.

Zur Oper

Art: Oper in fünf Akten
Libretto: Jules Barbier und Michel Carré nach der Vorlage „Les nuits de Ramazan“ aus „Voyage en Orient“ von Gérard de Nerval
Sprache: französisch
Ort: in und um Jerusalem
Zeit: um 950 v. Chr.

Personen der Handlung

Le Roi Soliman: König Soliman (Bass)
Balkis: Königin von Saba (Sopran)
Adoniram: Baumeister des Tempels (Tenor)
Bénoni: sein Gehilfe (Mezzosopran)
Sarahil: Gefährtin der Balkis (Sopran)
Amrou: Arbeiter am Tempel (Tenor)
Phanor: Arbeiter am Tempel (Bariton)
Méthousaël: Arbeiter am Tempel (Bass)
Sadoc: Diener Solimans (Bass)
Weitere: Gefolge von König Salomon und der Königin, Arbeiter, Volk

Handlung

1. Akt:

1. Szene:

Der Gott der Hebräer soll es nicht nötig haben sich in brennenden Dornbüschen aufzuhalten, wenn er mit seinen Dienern kommunizieren will. Einen prachtvollen Tempel - mit schönen Skulpturen und Ornamenten ausgeschmückt - soll er bekommen, wie es weit und breit keinen schöneren gibt.

Ein Baumeister aus dem fernen Tyrus nimmt der König unter Vertrag, der ihm ein Meisterwerk schaffen wird, welches seinem Namen alle Ehre macht. Nicht abgesprochen sind die Details, so dass Adoniram nicht weiß, was der Gott der Hebräer erlaubt und was ablehnt. Das Talent des Meisters liegt ganz besonders in der Bildhauerei.

So schafft er frei und munter nach Ermessen eine Fülle gigantischer Skulpturen von Sphinxen, Löwen, geflügelten Greifen und goldenen Kälbern - so wie er sie auch für Ägypter und Kanaaniter gearbeitet hat.
Gedanken macht Adoniram sich, ob diese Werke zum Wesen und zur Philosophie der Religion seines königlichen Auftraggebers passen, nicht.

Ein Heer von Arbeitern ist damit beschäftigt das Bauwerk zu erstellen, in dem die Schmuckstücke zur Schau gestellt werden sollen, während der Meister, auf einem Granitblock sitzend seine Gedanken sammelt.

2. Szene:

Sein Lehrling Bénoni wünscht ihm langes Leben und stolpert mit der freudigen Nachricht in die Werkstatt, dass die Königin von Saba mit ihrer Karawane soeben eingetroffen ist. Sie ist die Verlobte des Herrschers und um die Stimmung zu heben, hat Soliman zum Ärger des Baumeisters heute allen Arbeitern einen freien Tag gegönnt. Der Lehrling lobt die Schönheit der Königin über die Maßen, obwohl er das Gesicht gar nicht gesehen hat, weil es verschleiert ist.

3. Szene:

Im unpassenden Augenblick kommen drei Arbeiter in die Werkstatt gestürmt und reklamieren den ihnen versprochenen Meisterbrief, an die auch eine Erhöhung ihrer Bezüge gekettet ist. Doch Adoniram vertröstet sie auf später, denn ihre Leistungen entsprechen noch nicht seinen Erwartungen. Erbost schwören Amrou, Phanor und Méthousaël sich für die Enttäuschung zu rächen.

4. Szene:

Soliman hat nichts Eiligeres zu tun, als seine Verlobte auf die Baustelle zu führen, um ihr die Fortschritte, die der Bau macht, vorzuführen. Weibliche Neugier zwingt sie, den König zu drängen, ihr auch den Baumeister vorzustellen, der solche schönen Kunstwerke zu vollbringen mag, wie sie hier überall herumstehen. In der Tat sei sein Ruhm schon bis Saba gedrungen und sie hat ebenfalls Aufgaben für ihn, sobald der Tempel fertig ist.

5. Szene:

Der Baumeister habe einen bizarren Charakter und sei ein einsamer Träumer, versucht Soliman die Vorstellungen der Königin zu kanalisieren. Seine Fähigkeiten stehen außer Zweifel, auffällig sei sein Hang nach Mystik, aber sein offensichtlicher Kontakt zu höheren geistigen Welten macht ihn ein wenig unheimlich.

6. Szene:

Königin und Künstler begegnen sich mit Wohlgefallen und beide sind von einander fasziniert - Komplikationen sind vorprogrammiert und machen allen Beteiligten noch mächtig zu schaffen. Unter den Hosanna-Rufen des Volkes erklimmen Soliman und Balkis den Thron und winken zurück.

2. Akt:

In der kommenden Nacht plant Adoniram sein Meisterwerk für den Tempel zu fertigen. Soliman und die Königin von Saba sowie das ganze Volk sollen ihm zum Hochplateau auf den Sion folgen. Die in Arbeit befindliche Skulptur nennt er „Das bronzene Meer“.

Tubal-Kain, den Feuergott und Begründer der Metallverarbeitung, ruft er vorher an, dass er ihm beistehen möge. Soliman und die Königin fühlen sich unbehaglich. Der Schmelzvorgang der Bronze beginnt und das Herz der Königin schmilzt ebenfalls beim Anblick des Mannes, der ihr Herz erobert hat.

Doch Fehlanzeige! Die drei Arbeiter, denen von Adoniram der Meisterbrief verweigert wurde, sabotieren und haben den Ofen manipuliert, der explodiert. Die Bronze wird in die Luft geschleudert und lässt sich wie ein Feuerregen auf die Wartenden nieder.

Adoniram begreift nicht, wie das passieren konnte. Balkis kann sich noch in Solimans Arme stürzen und verliert dann - so wie sich das gehört - die Sinne.

3. Akt:

1. Szene:

Das erste Licht des Tages beleuchtet einen Zedern- und Palmenhain zu Füßen des Berges Tabor. Im Hintergrund hat das Gefolge der Königin von Saba ihre Zelte aufgeschlagen.

Nach einer turbulenten Nacht ist die Stimmung im Lager als Kontrast lyrisch angehaucht:

Immer ist es die Morgensonne,
welche mit purem Licht
die Schatten des Tabor flutet
und ihn einkreist in purpur und gold.

Charmant lächelnd
erblüht die Rose von Sharon
und bewundert sich selbst
in den Wassern des Cedron.

Die Lämmer verlassen ihre Krippen
und das erste Licht des Morgens
veranlasst sie auf die Weide zu blicken,
die aus süßem Majoran und Thymian besteht.

Langsam liebkost die Brise
die grünen Palmenbäume
und ein plötzlicher Windstoß
fährt in das Ebenholzgebüsch.

Immer ist es die Morgensonne,
welche mir purem Licht
die Schatten des Tabor flutet
und ihn einkreist in purpur und gold.

2. Szene:

Die jungen Mädchen von Sion freunden sich mit den Mädchen von Saba an und machen sich gegenseitig Komplimente. Die Vögel singen, dass ihre Königin von seltener Schönheit sei und dem hebräischen König sagen sie Weisheit uns Inspiration nach. Beide Gruppen lieben Gesang und Tanz und ihrer Füße stampfen den Boden nach dem Rhythmus der Trommel. Die unterschiedlichen Tanzschritte wollen sie sich gegenseitig beibringen.

3. Szene:

Sarahil, die Zofe der Königin, bittet die hebräischen Mädchen ihre Spiele in einem anderen Teil des Schattens fortzusetzen. Diese gehorchen und wünschen der Königin einen heiteren Himmel und beteuern, dass sie die Anbetungswürdige genauso wie ihren König, in ihr Herz geschlossen haben und verduften.

4. Szene:

Endlich allein! Balkis hat nun Zeit über den fremden Baumeister und Künstler nachzudenken. Welch glühendes Feuer brennt in seinen Augen! Dieser Stolz, dieser Mut und der Ausdruck von Gefährlichkeit berührten ihre Seele!

Soll sie - nur weil sie Königin ist - etwa vergessen, dass sie auch eine Frau ist? Im Vergleich mit seiner Mysteriösität und seiner künstlerischen Fähigkeiten kommt ihr der gekrönte König direkt langweilig und minderwertig vor.

Oh, die fatale Bindung eines Verlöbnisses hält sie davon ab, sich zu vergessen. Mit seiner begabten Hand weiß Adoniram des Königs Macht herauszufordern. Sie fürchtet seine Verwegenheit, aber sie muss ihn vergessen resigniert sie.

Im Licht des blauen Himmels formt er nach der Laune seines Talents aus schwarzem Marmor und Gold seine Werke. Er beherrscht die Flammen und Liebe durchdringt ihr Herz.

5. Szene:

Balkis fragt sich, warum Adoniram sie meidet. Sein Kummer muss in seiner Einsamkeit liegen, weicht der Angesprochene aus. Wenn der Mensch einen Freund hat, der seine Bekümmernis mit ihm teilt, macht er die Situation erträglich. Sie sei verlobt mit Soliman, dem König der Juden; dahinter verblasse seine Herrlichkeit, täuscht Adoniram falsche Bescheidenheit vor.

Balkis sucht vergeblich zu verstehen, weshalb es ihn von ihrer Gegenwart wegdrängt. Man könne denken, er sei eifersüchtig. Seine fehlende königliche Abstammung ist es jedenfalls nicht, die er vermisst. Wäre er seinesgleichen, würde Soliman gewiss durch ihn entthront. Muss Balkis daraus schließen, dass er über ihn erhaben ist? Wer ist er überhaupt? Was muss die hinter seinem vorgeschobenen Dünkel vermuten? Er ist ein Arbeiter, unwürdig seines Lohnes, aber mächtig in seinem Zorn. Du hast den Sohn eines Schäfers gewählt Balkis. Ihn adelt seine Kunst.

Er soll es nicht so spannend machen. Was muss sie sagen, damit er nicht weggeht? Sie vergisst, dass Soliman seufzt, wendet ihr Gegenüber ein. „Ich liebe ihn nicht“ bekennt Balkis. Trotzdem hat sie sich mit ihm verlobt und ihm einen Ring als Pfand ihrer Treue gegeben. Nun ist sie gezwungen, Soliman auch zu heiraten, stellt Adoniram fest. Sie hat nicht gewusst, dass Liebe sich auch hinter Mitleid verstecken kann. Liebe war für sie bisher ein Geheimnis. Nun zittert sie unter der Macht der Liebe, seitdem er ihr begegnet ist.

Urplötzlich kommt die Erkenntnis und mit einem Donnerschlag wird es hell in seiner Seele. Himmel, er ist verloren! Aber die Lebensgeister sind erwacht. Adoniram bittet die Königin, jetzt nicht weiterzusprechen. Aber sie hat doch gar nichts gesagt! Ihre Schönheit und ihre Jugend sind ein Geschenk Er hat im Grunde nichts was der dagegen setzen kann, als Frevel und Blamage.

„Du willst es, mein Herz“ Ohne Rückhalt hat er ein Bekenntnis seiner Liebe abgelegt. In zärtlicher Umarmung verlassen die beiden den Schauplatz.

6. Szene:

Bénoni kommt mit einer erfreulichen Nachricht. Nicht länger muss sein Herr sich vor dem Volk Israel vor Scham verstecken. Sein Meisterwerk steht! Adoniram weiß nicht, wie er ihn verstehen soll. Die ganze Nacht hat man es hämmern gehört. Wie von Geisterhand sind Bullen, Löwen und Drachen entstanden und füllen das „Bronzene Meer.“ Tubal-Kain, der Beherrscher der Metallverarbeitung ist eingeschritten, seinem Schützling zur Hilfe gekommen und hat selbst Hand angelegt. Die Stadt hallt wieder vom Jubel der Menge. Hosanna dem fleißigen Baumeister!

„O Wunder, Jerusalem erwache!“

4. Akt:

1. Szene:

In seinem Sommerpalast gibt er der Königin von Saba ein Bankett und ehrt sie als Morgenkönigin. Die Thronhalle ist festlich geschmückt. Rauchwerk wurde angezündet und knistert, während ein angenehmer Duft sich ausbreitet.

Du Blume von Tabor und ihr Töchter Sions legt eure Sandalen ab, damit die goldenen Ringe an euren Gelenken auf dem Estrich widerklingen, fordert der Opernchor die Mädchen auf.

2. Szene:

BALLETT

Sadoc bedauert, dass die Königin nicht gekommen ist. Weiß er, welche Laune sie gehindert hat? Das Minenspiel des Königs verfinstert sich und wird vom Chor kommentiert. Man soll ihn in Ruhe lassen.

3. Szene:

Soliman klagt, dass eigentlich die Stunde des feierlichen Moments gekommen sei. Das Feuer brennt auf dem Altar, aber Balkis hat ihre Allüren und glänzt durch Abwesenheit. Behext von ihrem Charme und der Naivität ihres Herzens, hat er seinen königlichen Stolz abgelegt, sich niedergeworfen und sich ihrem Willen gebeugt. Sein liebendes Herz ist nicht gefragt. Der Masochist erträgt es mit Wonne, schilt sich aber gleichzeitig als Narr. Hoffnung macht er sich auf die Zukunft: Heute liebt er sie als Sklave, aber eines Tages wird er ihr Gatte sein. Er wird nicht müde werden, zu warten.

4. und 5. Szene:

Sadoc kündet drei Männer an, die den Verrat eines Untertanen offenlegen wollen. Welches Geheimnis haben sie ihm mitzuteilen, will der König wissen.

Unsere drei Spitzbuben Amrou, Phanor und Méthousaël treten vor: Der Baumeister habe sich heute auf dem Bauplatz nicht gezeigt.

Phanor führt aus, dass er sich in den Orangenhain in der Nähe des Grabes von Prinz Absalom versteckt habe. Auf der Straße, welche zum Lagerplatz der Fremden führe, habe er das Geräusch von Fußtritten vernommen, denen er gefolgt sei. Gelinst und gelauscht hat er. Der Mann schulterte ein Bündel, welches offenbar ein kostbares Kleid enthielt, weil sich eine Schleppe aus der Verpackung gelöst habe. Er hat den Mann erkannt. Es war Adoniram, der auf das Zelt der Königin zueilte.

Soliman fordert ihn auf fortzufahren: Es sei nun an ihm zu sprechen schaltet Méthousaël sich ein. In der folgenden Nacht habe er als Sklave verkleidet sich auf dem Platz der Sabäer versteckt. Der Verräter habe ihn stolz herausgefordert. Adoniram war bei der Königin.

Berauscht und blind vor Liebe beugte er sich über sie. Seine liebenden Worte hat der Wind ihm zugetragen. Die Zeit verging; die Stunden flogen dahin bis das erste Morgenlicht kam.

Haut ab, ihr lügt! Soliman reicht es. Lass seinen zornigen Arm den Betrüger bestrafen, aber er soll seinen Verdruss nicht an ihnen auslassen, denn sie sprachen nur die reine Wahrheit.

Falschheit, Feigheit, uns erbärmliche Irreführung bekommt er vorgesetzt. Wahrheit kann niemals einer schmutzigen Seele entspringen. Soliman kennt die drei Schurken schon. Frech haben sie nach dem Titel und den Bezügen eines Meister gefragt und Adoniram hat es verweigert. Jetzt versuchen sie, ihn hereinzulegen. Abgesprochen haben sie sich!

Méthousaël beteuert, dass er nicht gelogen habe und Tod möge seine Strafe sein. Adonai möge sie beschützen und ihn erleuchten.

6. Szene:

Soliman gibt Befehl, die drei Ganoven in Gewahrsam zu nehmen. Sie versuchten ihn zu täuschen. Zuvor will er sich aber mit seinem Baumeister absprechen, um sie dann zu bestrafen.

Sadoc verkündet, dass Adoniram soeben vorfährt, eine Menge von Begeisterten ihm nachfolgt und gegen den Palast drängt. Argwöhnisch stellt der König fest, dass das Volks zu seinen Füßen liegt und seine Höflinge ihm in Prozession folgen.

7. Szene:

„Wer kommt da mit so viel Glamour vorgefahren? Ist es der König von Tyrus oder Balkis selbst.“ „Nein, es ist Adoniram, das Subjekt ihrer Liebe. Ein talentierter Meister mit starkem Arm und gefürchtet, ein großartiger Handwerker und Schöpfer von Wundern steht vor ihm.“ „Warum ist Soliman nicht der König des gesamten Universums, dass er deine Bemühungen exakt abrechnen könnte, einschließlich der vielen schlaflosen Nächte“ kommt es ironisch zurück. Nenne mir Deinen Wunsch, meine Schätze stehen alle zu deiner Disposition! Lass uns aber zuvor die Zweifel klären, die mich plagen!“

Adoniram erklärt, dass der Tempel, den er seinen Vorstellungen angepasst hat, Entschädigung genug ist. Er hat es satt, sich ständig gegen abscheuliche Komplotte zur Wehr zu setzen und ist gekommen, um vom König Abschied zu nehmen. Der Chor ist betrübt und klagt, Adoniram verlässt uns!

Der König wirft ein, dass der Entschluss abzureisen, manches Mysteriöse, sich von selbst erledigt. Adoniram gibt sich beleidigt: Er habe nichts vor ihm zu verstecken und nichts zurückzuhalten. Welcher Ärger blitzt aus seinen Augen? Adoniram soll das Siegerleuchten seiner Augen bitte unterdrücken und über sie Welt in Ehrfurcht herrschen. Der König war so freundlich seine Kunst zu preisen und jetzt muss er ihn im Stich lassen. Hat sein verwundetes Herz es nötig, den König zu demütigen, um selbst zu vergessen? Was kann er seinem neidischen Stolz noch anbieten? Er sei der zweitwichtigste Mann in Jerusalem, sein Volk ehrt ihn und wenn er es wünscht setzt er ihm ein strahlendes Diadem auf die Stirn und alle, die ihn hören sollen sein Knie vor ihm beugen.

Der Chor bekräftigt, dass Glorie mit immerwährendem Glanz ihn umstrahlt. Gott hat ihn auserwählt und der König ihn gekrönt. Er teilt seine Größe. Soliman nimmt seine Krone herunter und versucht sie auf seinem Haupt zu platzieren. Adoniram tritt einen Schritt zurück und betont, das Soliman der König sei. Dieser wehrt ab, denn er möchte lieber sein Bruder sein. Falls er seine schützende Hand aber verweigert, soll er bedenken, dass er ihn auch bestrafen kann, bevor er ihn ziehen lässt. „Willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir den Schädel ein!“

Adoniram reckt stolz seinen Kopf. Er herrscht über 10000 Arbeiter und wenn er Blitze funkt, wird Sion in Flammen stehen. Niemand würde es wagen, seine Hand gegen ihn zu erheben. Es hilft ihm nichts, wenn er ihn mit Ehren überhäufen will. Er kam als freier Mann und er wird gehen als freier Mann. „Libre je suis venu, libre je suis me retire!“ Adonai möge den König beschützen!

Der Chor nimmt gegen Adoniram Stellung: „Schändliche Dreistigkeit! Ohne Reue und ohne Furcht! Offensichtlich fordert der Verräter seines Königs Zorn heraus!“

Sein Mut kennt keine Grenzen! Sein Herz kennt keine Furcht. Er lacht über seine vergebliche Bedrohung. Der Rebell schätzt seine Gunst gering und begegnet unerschrocken seinem Zorn. Lass Jehova sein Richter sein!

8. Szene:

Die Königin kommt, ihren Verlobungsring zurückzufordern, weil sie die Absicht hat, sich von Soliman zu trennen. Sarahil rät, diplomatisch vorzugehen und von ihrer Chance guten Gebrauch zu machen. Die Freundin soll in ihrer Nähe bleiben; zur rechten Zeit wird Balkis sie rufen. Sie fürchtet sich nicht, denn ihre Liebe schützt sie. Sie möge auch Adoniram ausrichten, dass er sich bereithalten soll. Morgen werden sie weit weg sein von hier. Der Opernbesucher rätselt, was die trickreiche Königin mit Soliman im Sinn hat!

9. Szene:

Balkis erklärt, dass eine Weissagung sie durcheinander bringt. Im Namen ihrer Liebe bittet sie ihn, ihr einen Tag zu bewilligen, an welchem sie ihre Angelegenheiten regeln will. Fürchtet sie nicht trotz der Liebe, die er für sie empfindet, seinen Ärger. Sie füllt einen Becher mit Wein und bittet Soliman auf einem Kissen zu ihren Füßen Platz zu nehmen, um zu träumen und die Stunde mit ihr zu genießen. Die herzliche Wärme, die von ihr ausgeht, soll die düstere Langeweile verjagen. Die Macht ihres Charmes entwaffnet ihn und sein Ärger verflüchtigt sich und zu ihren Füßen verspricht er, seinen eifersüchtigen Argwohn zu vergessen.

Er weiß nicht, ob Balkis ihren Eid brach und ob in ihren Armen ein anderer gelegen ist. Balkis wischt seine Bedenken fort. In seinen Armen fühle sie echte Leidenschaft und sie wünscht nicht, ihm wegzulaufen, beteuert sie. Kann er es in ihren Blicken nicht lesen?

Diese Stunde gehöre ihm. Er ist der König und er liebt sie. Balkis soll ihm keinen Ärger machen. Mit der Macht der Hölle würde sein Arm um sie kämpfen. Er umklammert sie und drückt sie leidenschaftlich an sich. „Herr, Du bist rasend!“

Balkis ruft nach ihrer Dienerin: „Sarahil hilf mir!“. Sie sucht, ihrem Flehen eine scherzhafte Note zu geben. Du versuchst vergeblich mir zu entkommen, greift Soliman ihren Tonfall auf. Keiner kann sie schützen und Adoniram sei zu weit weg, um die zu hören.

Während sie mit ihm scherzt und er sie umarmt, verdeckt sie ihm mit ihrem Körper die Sicht. Auf leisen Sohlen betritt Sarahil unbemerkt den Raum, greift unter ihrem Gewand nach einer goldenen Ampulle und kippt den Inhalt in den Becher Solimans. So rapide, wie sie gekommen ist, verschwindet Sarahil auch wieder. Soliman ist so sehr mit Balkis beschäftigt, dass er von ihrer kurzen Anwesenheit nichts mitbekommen hat.

Beide greifen nach ihrem Becher, Soliman trinkt seinen in einem Zug leer und wirft ihn auf den Boden. Ich trinke auf Deine Liebe Balkis, ich trinke Dir zu!

Doch dann geht ein Ruck durch seinen Körper und er hält jäh inne. Himmel, welche eine starke Kraft drückt seine Glieder nieder. Das Licht des Tages verdunkelt sich. Jedes Ding verschwimmt vor seinen Augen.

Balkis beobachtet, wie Schlaf ihn überkommt und er in die Kissen zurückfällt. Er flucht ihrer Schönheit! Das wäre geschafft. Liebe hat sie berührt und List hilft ihr weiter. Sie hat ihre Freiheit wieder.

„Leb' wohl, König von Israel.
Ich bin verliebt, aber nicht in Dich.
Ich nehme das Pfand zurück!“

„Adieu! Roi d'Israël!
J'aime. Et ce n'est pas toi!
Et j'emporte ce gage
Et je reprends ma foi!“

Balkis zieht ihm den Ring vom Finger. Es ist das Letzte, was Soliman noch mitbekommt. Dann sinkt er in Umnachtung.

„Malheur! Malheur sur toi!“

5. Akt:

1. Szene:

Adoniram hört die Wasser des Cedron und erkennt den Weg bei einem Blitzschlag, wo er mit Balkis sein Treffen vereinbart hat. Sein Herz ist glücklich und auf der Lichtung horcht er nach ihrem Schritt. Sein Werk ist beendet und jetzt verlangt es ihn nach Ruhe. Lasst Soliman herrschen und Meister sein! Er missgönnt ihm seine Größe nicht. Es ist ein anderes Leben, ein süßes Glücklichsein, welches sein Herz begehrt.

Mit Balkis will er das unreine Land, diesen verfluchten Platz verlassen und nie mehr zurückkommen und ihre Seelen werden alle Sorgen und Bekümmernisse vergessen und Liebe und Glückseligkeit werden ewig anhalten. Doch das Schicksal hat anderes im Sinn.

2. Szene:

Die drei Ganoven sind ihm gefolgt und versperren ihm den Weg. „Hat er ihn erkannt?“ fragt Méthousaël. Was will er von ihm? Ihm seinen Abschied anbieten. Adoniram verkennt die Situation und provoziert ihn als tückischen Sklaven. Wenn er diesen Platz körperlich unversehrt verlassen möchte, soll er ihm das Losungswort verraten, welches ihn vor den anderen als Meister ausweist. Durch die beiden Nebenbewerber bekommt er Verstärkung. Adoniram soll keine weiteren Worte der Geringschätzung an sie verschwenden. Er provoziere sie vergeblich! Der Baumeister versucht ihn wegzuschubsen. Phanor und Amrou verlangen ebenfalls das Passwort zu wissen. Vorher geben sie ihm den Weg nicht frei. Adoniram bleibt unnachgiebig und beschimpft die drei als abscheuliche Sklaven einer niederträchtigen Rasse. Wenn er die Losung nicht verraten will, ist sein Tod die Quittung. Die Stunde der Rache sei da. Die drei zücken ihre Messer und Adoniram sackt zusammen. Die Naturgewalten antworten auf die Reaktion und die drei Mörder flüchten in die Dunkelheit der Nacht.

3. und letzte Szene:

Balkis erscheint und findet den sterbenden Adoniram. Die Lippen sind mit Blut bedeckt und seine Hand ist eiskalt. Der Sterbende mahnt, sie möge ihren Gott nicht verlassen und ihr eigenes Leben nicht aufgeben. An ihre Liebe zu ihm soll sie sich stets erinnern, sind seine letzten Worte. Sein Herz wird immer bei ihr sein.

Nein, er wird nicht sterben. Sie fleht ihn an, seinen Geist nicht aufzugeben. Sie sei Balkis und bitte ihn, zu ihr zu sprechen. O Himmel, er ist ihr Ein und Alles, den der Tod ereilt? Als letzten Beweis ihrer Liebe steckt die Königin ihm den Ring an den Finger, den sie Soliman wieder abgenommen hat. Adoniram ist nicht mehr und sie bettet den großen Meister in ihre Arme. Es fällt der Sabäerin nicht schwer zu erzählen, wer sie für immer getrennt hat. Fluch dem bösen Soliman!

Aber Tubal-Kain ruft ihn zu ewigem Leben. Der Name Adoniram, stolz und siegreich, wird auch dem Opernchor unvergessen bleiben.


Letzte Änderung am 22.3.2015
Beitrag von Engelbert Hellen