Charles François Gounod (1818-1893):
Die blutige Nonne / The Bloody Nun
Entstehungszeit: | 1852-54 |
Uraufführung: | 18. Oktober 1854 in Paris (Opéra National de Paris) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Spieldauer: | ca. 140 Minuten |
Erstdruck: | Paris: Choudens, ca. 1860 |
Verlag: | Kassel: Bärenreiter, 2007 ? |
CD: | [Details] |
La Nonne Sanglante (CPO, DDD, 2008/2009) Charles Gounod (1818-1893) Stuttgarter Zeitung 06/10: »Eine kleine Sensation ist vor zwei Jahren dem Theater Osnabrück mit der Ausgrabung von Charles Gounods 1854 uraufgeführter Oper ›La Nonne Sanglante‹ gelungen. Hermann Bäumer erweist sich mit dem Orchester als souveräner Gestalter der feinen Lyrismen und der gespenstischen Albtraumatmosphäre. Erstaunlich ist das sängerische Niveau. Vor allem die Sopranistin Natalia Atmanchuk beeindruckt mit gleißenden Spitzentönen und ausgeglichenem Timbre.« |
Art: | Oper in fünf Akten |
Libretto: | Eugène Scribe und Germain Delavigne nach dem Roman „The Monk“ von Matthew Gregory Lewis |
Sprache: | französisch |
Ort: | Böhmen |
Zeit: | 11. Jahrhundert |
La Nonne sanglante: | die blutige Nonne (Mezzosopran) |
Pierre, l'Hermite: | Peter, der Eremit (Bass) |
Le Comte de Luddorf: | Graf Luddorf (Bariton) |
Rodolphe: | sein Sohn (Tenor) |
Le Baron de Moldaw: | Baron von Moldaw (Bass-Bariton) |
Agnès: | seine Tochter (Sopran) |
Arthur: | Rodolphes Page (Sopran) |
Arnold und Norbert: | Moldaws Freunde (Tenor, Bass) |
Fritz und Anna: | ein Pächter und seine Braut (Tenor, Sopran) |
Théobald: | Rudolfs Bruder |
Weitere: | Ludorfs und Moldaws Untergebene, Ritter, Edelleute, Soldaten, Wachen, Hochzeitsgäste, Landvolk |
Ein weiser Eremit sieht es als seine Aufgabe an, zwei verfeindete Adelsfamilien wieder miteinander zu versöhnen. Er denkt, dass eine Hochzeit zwischen den beiden streitlustigen Sippen eine friedliche Lösung bringen wird. In der Familie der Luddorfs gibt es zwei erwachsene Söhne, und Baron Moldaw hat eine heiratsfähige Tochter. Der Eremit hat Rodolphe als Heiratskandidat vorgesehen, während der Baron aber zunächst seinen Ältesten verehelicht wissen will. Agnès soll sich gemäß dem Willen des zukünftigen Schwiegervaters mit dem Gedanken an Théobald anfreunden. Das Mädchen liebt aber den Rodolphe und dieser schlägt der Geliebten vor, die Familie zu verlassen und gemeinsam zu fliehen. Damit keiner etwas merkt, beschließen sie, sich nachts aus dem Staub zu machen. Sie soll sich als „blutige Nonne“ verkleiden, von der die Bevölkerung glaubt, dass ein solcher Spuk existiert, ohne wirklich daran zu glauben. Man erzählt sich von der Nonne, dass ihr Geliebter sie betrogen und ermordet haben soll. Doch Agnès hat ein flaues Gefühl, sich in die Rolle einer Nonne zurechtfinden zu können, aber Rodolphe kann sie überreden, sich zur Mitternacht in entsprechendem Gewand bereitzuhalten. Was tut man nicht alles aus Liebe!
Die Flucht ist zu oberflächlich geplant und der Alte bekommt Wind von der Sache. Fuchsteufelswild fährt er dazwischen und der Vater stellt seinen rebellische Sohn zur Rede. Unbeeindruckt halten die Liebenden an ihrem mitternächtlichen Fluchtplan fest.
Seinen Pagen Arthur hat Rodolphe in seine Absichten eingeweiht. Dieser ist nun bemüht, anwesende Freunde, die vom süßen Wein nicht genug bekommen können, zu verabschieden, damit sein Gebieter die Flucht mit der Geliebten aus der elterlichen Residenz antreten kann.
Die Idee, dass es das Gespenst wirklich gibt, ist so nahe, dass er es scherzhaft anfleht, seine Liebe zu beschützen. „Bleiche Braut, wenn du hörst, wie ich bei Gott, dem Herrn, deine Rettung erflehe, dass deine Asche einst erkalte, Nonne, beschütze unsere Liebe!“ Die Glocke läutet in dem gewaltigen Gewölbe und ein ferner Schritt stört die Stille. Das ist Agnès, denkt der Wartende.
Doch Rodolphe hat die Rechnung ohne das Gespenst gemacht, welches er angerufen hat. Es kommt wirklich mit Lampe und Dolch in langem Gewand, so wie der Spötter sich die Erscheinung ausmalte. Den Fluchtwilligen erfasst plötzlich ein tödlicher Schrecken und er verspürt Grabeskälte. Agnès hat sich geschickt verkleidet, denkt er, sogar der Blutfleck über dem Herzen ist sichtbar. Warum sagt sie nichts und bewegt sich nicht vom Fleck. Sie soll sich doch beruhigen und sich nicht fürchten, ihm zu folgen? Er versichert ihr ewige Treue und schwört, ihr für immer zu gehören. „Mein?“ kommt es ungläubig zurück. „Toujours à toi!“ bestätigt Rodolphe. Er greift nach ihrer Hand, die sich eiskalt anfühlt. Die Gestalt lässt sich das Angebot nochmals bestätigen: „A moi! Toujours à moi?“ Ein Frauenchor hinter der Szene tönt synchron: „Immer Dein! Die Hochzeit binde sie auf ewig. Huh, huh!“
MUSIKLALISCHES INTERMEZZO
Plötzlich tauchen seltsame Gestalten auf. Die bleichen Gesichter haben Ähnlichkeit mit Verstorbenen, die er von alten Gemälden kennt. Sind seine Augen verwirrt oder narrt ihn sein Verstand? Er fragt seine Begleitung, wer die Toten an ihren früheren Platz zurückgeführt und welcher Anlass sie versammelt habe. Sie sind zu unserer Hochzeit erschienen! Es seien alles Trauzeugen, erklärt die Nonne.
Seinen Bruder sieht er auch unter ihnen. Erst vor kurzem sei er bei einem Scharmützel ums Leben gekommen, erfährt er. Für den Bruder öffnete sich ein Grab, aber sie selbst habe keins! Endlich erwacht in Rodolphe das Misstrauen. Wer sie sei, fragt er argwöhnisch?
„Moi? La nonne sanglante!“
Das kalte Entsetzen macht sich nun breit. Doch die blutige Nonne argumentiert und wiederholt seine Worte, dass sie ihm teuer sei, und ihr ewige Treue gelobt habe. Der Chor bestätigt seinen Treueschwur. Rodolphe hat das Gefühl, dass unter ihm die Erde versinkt.
Die Hochzeit zwischen Fritz und Anna steht ebenfalls vor der Tür. Der Hochzeitschor ist frohen Mutes:
„Tanzt Walzer unterm Blätterdach,
Mädchen aus dem Dorf.
Die Fiedel erklingt
und der Tag geht zu Ende!
Wie ist der Walzer schön!
So schnell wie er
entflieht auch das Vergnügen.
Lasst es uns erhaschen.“
Anna ist glücklich, die Seine zu werden. Fritz freut sich ebenfalls auf die Hochzeit. Der Walzertakt berauscht beide. Rodolphe hat auf dem Bauernhof Unterschlupf gefunden und Arthur hat ihn aufgespürt. Von Fritz erfährt er, dass den Gast ein großer Schmerz plagt. Eben um ihn von diesem zu befreien, sei er hergekommen. Arthur macht die Sache sehr spannend. Rodolphe taucht auf und der Page rückt mit der Neuigkeit heraus, dass seine Eltern nunmehr einverstanden seien, wenn er Agnès zur Frau nimmt. Seinen Bruder Théobald habe es in der Schlacht erwischt, und jetzt sei die Braut für ihn frei.
Nun erläutert Rodolphe, er habe sich sich mit der „Blutigen Nonne“ ehelich verbunden und einen Treueeid geleistet. Vom Tod seines Bruders wisse er bereits, denn dieser habe sein Grab verlassen und war bei der nächtlichen Vermählung im Beisein vieler verstorbener Verwandter dabei. Kann er sich sein Grauen vorstellen? Jede Nacht sitzt die Nonne nun eiskalt an seinem Bett und pocht auf die Einlösung seiner Abmachung auf Zärtlichkeit.
Es bedarf noch einiger Worte, bis Arthur den Sachverhalt begriffen hat. „Und die fürchterliche Geliebte kommt regelmäßig zum Stelldichein?“ will der Neugierige wissen. In der Tat, das schreckliche Grauen, welches die erzürnte Hölle für ihn vorsieht, wiederholt sich jede Nacht, wenn die Nonne Gestalt annimmt.
Arthur soll weit fliehen. Doch dieser sieht den dunklen Wahn, der auf seiner Seele lastet, weniger bedrohlich. Erlösung wird Pierre, der Eremit, bringen und die Hölle in ihre Schranken weisen. Der Druck, der auf ihm lastet, wird verschwinden, und die strahlende Liebe von Agnès wird ihm zulächeln. Er soll Mut fassen, einen Himmel ohne Wolken gibt es nicht! Vergnügen und Zärtlichkeit warten auf ihn und die edle Geliebte wird seine Jugend verzaubern. Rodolphe lässt sich das nicht zweimal sagen und singt eine Kavatine:
„Un jour plus pur,
un ciel d'azur
brille à ma vue!
Rêve d'amour,
charme en ce jour,
charme mon âme émue !
A son fils malheureux
mon père pardonne!
Et le pardon des cieux
autour de moi rayonne!“
„Ein unschuldiger Tag,
ein blauer Himmel
strahlt vor meinem Auge!
Liebestraum,
bezaubere diesen Tag,
bezaubere meine bewegte Seele!
Seinem unglücklichen Sohn
verzeiht mein Vater!
Und die Vergebung des Himmels umstrahlt mich!“
Die Nonne kündigt sich an: Da bin ich, Deine Qual! Sie besitze sein Versprechen und seinen Ring. Der Himmel will, dass er seinen Eid erfüllt, behauptet sie. Rodolphe beschwert sich, dass er dazu verdammt sei, sie zu sehen. Was hat er ihr getan? „Du hast dich mir gegeben.“ Dein ist mein ganzes Leben, hat er sich ausgedrückt. Der Hölle hat er kein Gelübde angelegt, widerspricht er. Die Nonne äußert sich ähnlich. Sie gehöre nur Gott. Schuldig, wie er, büßt sie für ihren Fehler. Kann er ihr helfen, ihre Schuld zu sühnen? Die Nonne nickt bestätigend und sagt, indem er ihren Mörder richte. Bis dahin wird sie regelmäßig wiederkommen. Was ist mit dem Mörder? Er wird alles erfahren:
Die Leute erzählten ihr, im Krieg habe er sein Leben verloren. Doch das war geschwindelt. Im Kloster, in welches sie sich zurückzog, erfuhr sie dann, dass er noch lebt und im Begriff sei, wieder zu heiraten. Dann ist sie zu ihm gelaufen, um ihn an seine Liebe und seine heißen Schwüre zu erinnern. Doch um sich Probleme vom Hals zu halten, hat der Schuft sie kurz und bündig erstochen. Gewissensbisse kannte er nicht.
Wer ist denn der Niederträchtige überhaupt, der sie hintergangen hat? Wird sie Wort halten und ihn von allen Versprechungen entbinden, sobald er das Leben des Bösewichts ausgelöscht hat? „Natürlich!“ Gut, dann wird er ihr Ritter sein und ihren Mörder bestrafen. Sie soll ihm noch schnell seinen Namen sagen und wo er den Schuft finden kann. Morgen um Mitternacht wird sie wiederkommen und dann mit dem Namen des Unholds herausrücken!
Die Luddorfs und die Moldaws haben sich zur Hochzeit von Rodolphe und Agnès versammelt. Sie freuen sich, dass aller Streit nun für immer ein Ende haben wird, und Pierre, der Eremit, bestätigt, dass alle Feindseligkeiten endgültig begraben sind. Doch zu Rodolphes Schrecken taucht - nur für ihn sichtbar - die blutige Nonne auf, zeigt auf seinen Vater sagt: „Dort ist er!“ und verschwindet wieder. „Mein Vater. O Entsetzen!“
Agnès, kann sich natürlich nicht zusammenreimen, weshalb Rodolphe sein Gleichgewicht verliert, und argwöhnt, dass Verrat im Spiel ist. Sein Verhalten ist allen unbegreiflich, denn er ist nicht mehr in der Lage, den Hochzeitsfeierlichkeiten zu folgen. Agnès bricht die Hochzeit ab. Der Streit entzündet sich aufs Neue und die Moldaws beschließen, Agnès zu rächen und Rodolphe zu töten.
Der alte Luddorf sieht seinen Sündenfall ein und lässt erkennen, dass er seine Schuld büßen muss. Agnès hält an Rodolphe fest, auch wenn er sich nicht in vollem Umfang verständlich machen kann. Wie soll er ihr und den Gästen auch erklären, dass das Gespenst ihn nur dann freigibt, wenn er zuvor seinen Vater umbringt? Während der Clan der Moldaws versucht, seinen Sohn zu greifen, wirft der alte Luddorf sich schützend dazwischen und fängt den tödlichen Streich mit seinem Körper ab. Die Tugend des Schuldigen ist gleichzeitig seine Buße, verkündet die „Nonne sanglante“ und gibt ihr Opfer frei.
Letzte Änderung am 23.11.2012
Beitrag von Engelbert Hellen