Antônio Carlos Gomes (1836-1898):
Johanna von Flandern
Entstehungszeit: | 1863 |
Uraufführung: | 15. September 1863 in Rio de Janeiro (Teatro Municipal) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Bemerkung: | Die zweite Oper des brasilianischen Komponisten hatte in seiner Heimat außerordentlichen Erfolg, was den Kaiser bewog, ihn zum Ruhm des Vaterlandes zwecks weiterer Ausbildung nach Italien zu entsenden. Von der Musikwelt sofort angenommen, erinnern seine Tonschöpfungen in Melodik und Temperament an die Meisterwerke des frühen Verdi. |
Art: | Oper in vier Akten |
Libretto: | Salvador de Mendonça |
Sprache: | portugiesisch |
Joanna | |
Raoul | |
Balduin | |
Humbert | |
Weitere: | Volk von Flandern |
Vermutlich ist Balduin, der Graf von Flandern, im Heiligen Land auf der Strecke geblieben. Seine Tochter Joanna bewältigt in seiner Abwesenheit die Amtsgeschäfte. Regieren ist schön! Unterstützt wird sie dabei von Raoul de Mauleon, einem Troubadour. Eines Tages kam er an den Hof und ist dann geblieben. Er musizierte und sang zur Minne, so dass Joanna zu ihm in Liebe entbrannte. Das ist aber nun schon zehn Jahre her. Die Verliebte überhäuft ihren Galan mit Gunst und Gaben, aber geheiratet wurde bisher nicht. Das soll sich ändern, sobald der Bühnenvorhang beiseite geschoben wird, um für den ersten Akt Platz zu schaffen.
Zur Feier des Tages hat sich Joanna für den Geliebten ein besonders schönes Geschenk ausgedacht: Die Krone von Flandern soll sein Haupt schmücken. Das Volk kann sich einen würdigeren Kandidaten vorstellen, zumal gemunkelt wird, dass Balduin gar nicht richtig tot ist, sondern als Pilger verkleidet unerkannt umhergeistert. Ewige Gefolgschaft schwören die Untertanen dem Abwesenden bei ihrem Leben, aber der als verschollen geltende Graf sollte sich endlich zeigen. Balduin macht die Sache richtig spannend und deckt just in dem Moment seine Identität auf, als Joanna die Krone ihrem Troubadour auf das lockige Haar setzen will.
Nicht Liebe, sondern Widerwille zeigt sich im Gesicht der verärgerten Tochter über das unerwartete Wiedersehen. Die Macht möchte Joanna behalten und den Liebsten nicht verprellen. Die Offenbarung kommt ihr extrem ungelegen, deshalb bezichtigt sie den Pilger des Betrugs und droht, ihn einzusperren. Doch da spielt Humbert nicht mit. Der Getreue schlägt einen Zweikampf zwischen Pilger und Troubadour vor, damit durch ein Gottesurteil seine wahre Identität bestätigt wird. Auf Kampfspiele ist der Musikus nicht eingestellt und lehnt es ab - der Opernbesucher möge Verständnis haben - sich öffentlich zu blamieren.
Die monströse Tochter hat sich durchgesetzt. Der Bühnenbildner hat die Thronhalle in einen dunklen Kerker verwandelt, in dem Balduin als Strafe für seinen Vorwitz nun schmachtet. Joanna bekommt Gewissensbisse und besucht ihren armen alten Vater im Kerker. Er hat die Möglichkeit sein Leben zu retten, wenn er schriftlich eingesteht, dass er ein Betrüger sei und mit der Herrschaft über Flandern nichts im Sinn habe. Der alte Herr zögert und verlangt, dass er sich mit seiner anderen Tochter zuvor beraten möchte. Das kleine Scheusal wird eingeschleppt, doch sie hetzt den Vater gegen die Schwester auf. Von einem Schurkenstreich spricht sie, auf den der Vater sich nicht einlassen soll. Es sei besser zu sterben als die Ehre zu verlieren.
Bei Raoul klopft das Gewissen auch an. Als vom Volk nicht geliebt, möchte er sich nicht auf einen Thron setzen, der ihm nicht gehört. Fanfaren ertönen und Joanna denkt in ihrer Einfalt, der Jubel gehöre dem Geliebten. Doch die Untertanen haben das Gefängnis gestürmt und den Grafen in Freiheit gesetzt. Raoul denkt praktisch: Er glaubt, dem Befreiten einen Gefallen zu tun, wenn er seine Geliebte, die alles für ihn getan hat, kurz und bündig ersticht.
Balduin will seinen Gemächern einen Besuch abstatten und stolpert über die Tochter, die verblutend auf der Schwelle liegt. Dem kleinen Ungeheuer sei vergeben! Väterliche Gefühle bemühen sich um Erste Hilfe, doch die sterbende Tochter ist nicht mehr zu retten, der Dolch hat lebenswichtige Organe getroffen. Raoul macht zu den vergeblichen Bemühungen passende Bemerkungen: „Du kannst sie weder retten noch bestrafen! Du bist gleichzeitig ein Vater und ein König!“ Entrüstet will der Alte sich mit seiner Waffe auf den Troubadour stürzen, doch dieser ist flinker und setzt seinem Leben selbst ein Ende.
Letzte Änderung am 1.2.2010
Beitrag von Engelbert Hellen