Peggy Glanville-Hicks (1912-1990):
Entstehungszeit: | 1956-61 |
Uraufführung: | August 1961 in Athen |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Bemerkung: | In der Odyssee des antiken Dichters Homer ist Nausikaa das Mädchen, welches den angeschwemmten Odysseus in liebevolle Obhut nimmt. Schlimmes Schicksal, auch amouröser Natur, hat der Held vorläufig überstanden und findet nun am Hof des Phäkenkönigs Alkinoos ein wenig Ruhe, nachdem mitleidlose Götter ihn auf den Meeren umhergeschleudert haben. Die Unschuldsvolle lässt sich seine Geschichte erzählen, verliebt sich und möchte ihn in Erfüllung ihrer Jungmädchenträume am Hofe ihres Vaters halten. Doch den Rastlosen, der ein Abenteuer nach dem anderen zu durchleiden hat, zieht es in die Heimat, in der die Gattin Penelope und sein Sohn Telemachos sehnsüchtig auf ihn warten. Die Königin wird ständig von unliebsamen Freiern bedrängt, die sich am Hof von Ithaka eingenistet haben. Ihrem Gemahl treu ergeben, versucht Penelope es mit dem bekannten Teppichtrick, einer unerwünschten Neuvermählung auszuweichen. Bevor Odysseus seinen Thron wieder in Besitz nehmen kann, muss radikal aufgeräumt werden. In Zusammenarbeit mit dem Librettisten Robert Graves im Sommer 1956 hat Peggy Glanville-Hicks auf der Insel Mallorca Elemente aus der homerischen Dichtung variiert und ein neues Kunstwerk geschaffen. Nausikaa erlebt mit dem schiffbrüchigen Kreter Aethon eine fiktive Neuauflage ihres Abenteuers mit Odysseus und hat dazu noch das Glück, von ihm geheiratet zu werden, weil diesen Helden es nicht in die Heimat zurückdrängt. Unter aufdringlichen Freiern hat auch Nausikaa zu leiden, denn der törichte Vater begibt sich auf Reisen und lässt die Familie ohne ausreichenden Schutz zurück. Die Revolte von Ithaka wird an den Hof von Drepanum ins griechische Sizilien verlegt und mit tödlichem Ausgang für die aufdringlichen Freier erfolgreich niedergeschlagen. Entgegen den Strömungen der Zeit ist es das Anliegen von Peggy Glanville-Hicks, Modus und Metren einer in Jahrtausenden gewachsenen Musik wiederzubeleben. Um zu einem optimalen Resultat zu kommen, verlegte Entertainerin vorübergehend ihren Wohnsitz nach Griechenland, um in den Musikarchiven von Athen und auf den Inseln der Ägäis Forschungsmaterial zu sammeln. Hier kann sie den Liedern der Einheimischen lauschen und Nützliches für ihre Zwecke herausfiltern. Es gilt, den gesanglichen Duktus der Ägäis mit der Melodik der englischen Sprache zu vereinbaren und zu verschmelzen, ein Unterfangen, welches der Australierin mit Bravour gelungen ist. Sie schuf ein Werk von überquellender Gesanglichkeit und optimaler Spannung, welches dem Zuhörer zum ersten Mal im Jahre 1961 beim Musikfestival von Athen zu Gehör gebracht wurde. Die Interpretation der Nausikaa durch Teresa Stratas muss überwältigend gewesen sein. Ein Tondokument von Szenen aus dieser Aufführung beweist es. |
Art: | Oper in drei Akten mit Prolog und drei Zwischenspielen |
Libretto: | Alastair Reid nach der Novelle „Homer's Daughter“ von Robert Graves |
Sprache: | englisch |
Ort: | der griechische Stadtstaat Drepanum in Westsizilien |
Zeit: | 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung |
Nausicaa / Nausikaa: | Tochter des Königs Alkinoos |
Aethon: | Schiffbrüchiger kretischer Prinz |
Phemius / Phemios: | der Hofbarde |
Clytoneus / Clytoneos: | jüngerer Bruder Nausikaas |
Königin Arete / Arethe: | Mutter Nausikaas |
König Alcinous / Alkinoos: | Vater Nausikaas |
Antinous / Antinoos: | erster Freier |
Cteppius / Cteppios: | zweiter Freier |
Eurymachus / Eurymachos: | dritter Freier |
Prinzessin Nausikaa ist auf den Hofsänger Phemios nicht gut zu sprechen. Er stellt Begebenheiten, die sich während und nach Beendigung des Trojanischen Krieges ereigneten, nach ihrer Ansicht frauenfeindlich und sogar falsch dar. In der Tat ist es eine Unverschämtheit, Königin Penelope von Ithaka der Lächerlichkeit preiszugeben, weil sie während der Abwesenheit ihres Gemahls keinen Liebhaber hat, obwohl mehr als fünfzig Freier sich um ihre Gunst balgen. In der vorgetragenen Form sind die Verse eine Beleidigung für alle Frauen, die ihrem Gemahl während dessen Abwesenheit in Treue ergeben sind. Von seiner Version möchte Nausikaa nichts mehr hören. Die Prinzessin verbietet dem Alten, das obszöne Verhalten der Freier von Ithaka zum Thema zu nehmen und fordert den Barden auf, die Gemahlin des Odysseus nicht länger zu kränken, sondern Themen auszuwählen, die keinen Anstoß erregen.
Damit hat Phemios ein Problem, denn er verfügt nur über geringe Kenntnis der kriegerischen Begebenheiten von Troja und den Schicksalen der Heroen, die er zu Versen zusammenfügt. Der Vortragskünstler erzählt, dass die Helden in Troja nur ihre Zeit vergeudet haben. Sie erregten das Missfallen der Göttin Aphrodite, die nun einen Helden nach dem anderen unter schicksalhaften Umständen in den Tod schickt. Phemios singt von Ajax, der gegen einen Felsen geschleudert wurde, von Menelaos, der sich unter Murren in Ägypten die Zeit vertrieb und von Agamemnon, der mit Schätzen beladen schließlich nach Mykene zurückfand. Das härteste Schicksal traf Odysseus, der auf den Meeren umherirrte und schließlich sein kleines Königreich unter fragwürdigen Zuständen wiederfand.
Alles, was Phemios vorträgt, beruht auf Halbwissen und ist eher dürftig. Keineswegs bieten seine musischen Künste ausreichend Anlass zur Arroganz, doch diese lässt der Überhebliche die Prinzessin spüren. Die Hochstehende soll nicht ärgerlich sein, aber die Söhne des Homer, als solche bezeichnen die Barden sich, nehmen keine Befehle von Frauen entgegen. Ihre Geschichten, die sie mit ihrer Lyra vortragen sind heilig und unverwechselbar. Der Bogen des tapferen Philoctetes, der die Waffe von Herakles als Geschenk erhalten hat, hängt als Wandschmuck in diesem Palast. Es ist durchaus tauglich, dass er von diesem Helden am heutigen Tage singt, weil der Vater zu einer Reise aufbricht. Nausikaa lässt sich den Tonfall nicht gefallen und ist nicht bereit, sich weiterhin provozieren zu lassen. Penelope ist nicht der Barden Spielzeug und deren Willkür unterworfen. Er wird eines Tages das Versmaß wechseln, so wahr sie Nausikaa heiße.
Der Vorhang öffnet sich und Nausikaa und Phemios begeben sich ins Bild.
ERSTE SZENE
Die königliche Barke liegt im Hafen des kleinen Stadtstaates und hat die Segel gesetzt. König Alkinoos ruft seine Untertanen zusammen und informiert sie, dass er sie für einige Zeit verlassen wird. Die Inselbewohner wissen, dass das Land stets mit Fülle gesegnet ist und die Götter es gut gemeint haben. Mit reichhaltiger Ernte haben die Immerwährenden das Land versorgt. Die ruhige See ist gefüllt mit Fischen und die günstigen Winde bieten beste Gelegenheit, diese zu fangen. Die Kinder sind kräftig und in Frieden aufgewachsen.
In seinem albernen Bestreben nach Bernsteinschmuck hat sein Sohn Laodamos die Heimat verlassen. Seine Abwesenheit hat den König krank gemacht und sein Herz weigert sich zu glauben, dass er ertrunken sei. Nun will er ihn suchen, aber zunächst das Orakel des Zeus von Sandy Pylos befragen. Gewissheit wird seinem Gemüt Frieden bringen und die königliche Barke wird bald wieder zurück sein.
Antinoos, ein Vornehmer des Landes, spricht für alle. Er bedauert das Fortgehen des Königs, aber er versteht die Schwere seines Herzens. Es bleibt zu hoffen, dass er seinen Sohn Laodamos ungeachtet seiner Dummheit lebend und erfolgreich in seiner Aufgabe wiederfinden wird. Eurymachos hat von einem Zeichendeuter erfahren, dass gute Voraussetzungen für eine Reise gegeben seien.
Der König bedankt sich bei Antinoos für seine nette Art. Die Ratsmitglieder sollen sich nicht unnötig belasten und in seiner Abwesenheit Frieden halten. Über die Lagerhaltung der Früchte ist Wachsamkeit zu üben. Die Schafe müssen gemolken werden und die Milchvorräte sind kühl zu lagern. Das Kommen und Gehen der Schiffe muss die Hafenaufsicht exakt registrieren. Kein Mann soll sich im Ärger äußern und sich über die Gerichtsbarkeit beklagen müssen. Dem Gezänk der Kaufleute untereinander ist genügend Freiraum zu geben. Die Zeichen der Auguren sollen beachtet und die Götter durch Opfergaben günstig gestimmt werden.
Einige der anwesenden Edelleute haben sich als mögliche Ehekandidaten deklariert und bei ihm um die Hand der Tochter Nausikaa angehalten. Er weist darauf hin, dass die Wahl eines Ehemannes in den Händen der Prinzessin selbst liegt und der Vater keinen Einfluss nehmen wird. Er weiß, dass er der Prinzessin nicht erzählen muss, mit Sorgfalt zu wählen. Sie ist intelligent genug, ihre Schönheit nicht leichtfertig wegzuwerfen, und wird auf ihre königliche Position Acht geben. Zu ihrem Bruder und auch zu ihrer Mutter wird sie stets liebenswürdig sein. Ihre Zeit soll sie mit Stickereien und Weben von Tüchern verbringen. Er hat sie gebeten, ihn dem Schutz ihrer Göttin Athene zu empfehlen.
Nausikaa erwidert, dass sie sich schon immer verpflichtet gefühlt habe, seine Sicherheit der ihr wohlgesonnenen Athene anzuvertrauen. Ohne seine Anwesenheit ist der Palast hohl und leer und niemand ist in der Lage, die verantwortungsvolle Arbeit des Regierens zu leisten. Alle werden sehnsüchtig darauf warten, dass er bald wieder von seiner Reise zurück sein wird. Einen Ehemann kann sie sich im Moment nicht vorstellen, weil die Stimme ihres Herzens noch nicht gesprochen hat. Aber sie wird darauf achten, dass ihre Wahl ihm niemals missfallen wird.
Sein Sohn Clytoneos ist zu jung, um in seiner Abwesenheit schon jetzt die volle Verantwortung zu übernehmen. Der Vater weiß aber, dass er auf ihn zählen kann und die Ehre des Hauses zu verteidigen weiß. Schon hat er begonnen, Waffen zu tragen. Weisen Rat soll er annehmen, denn eines Tages wird er das Oberhaupt der Familie sein. Clytoneos sieht den Vater ungern ziehen. Er wird der erste sein, der ihn am Hafen willkommen heißen wird, sobald er von seiner Reise zurück ist.
Auch Königin Arethe seien ein paar Worte des Abschieds gegönnt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie ihren Liebling wegsegeln sieht. Sie soll dankbar sein, dass er nicht in den Krieg zieht, sondern nur eine Erkundungsreise unternimmt. Ihre Missbilligung zur Abfahrt habe er zur Kenntnis genommen, aber auch eine Mutter muss begreifen, dass ein Sohn von übergeordneter Wichtigkeit ist. Der Vater wird nicht rasten, ihn zu finden. Die Götter mögen ihn auf seiner Reise beschützen, mehr kann sie zu seinem Entschluss nicht sagen.
Der Opernchor hat sich bisher zurückgehalten: Mögen die immerwährenden Götter das Meer offen halten und die Segel mit Wind füllen. Die mordlustigen Hände seiner Feinde sollen sie von dem Abreisenden fernhalten und ihn in Frieden zurückbringen. Schroffe Klippen mögen ihm erspart bleiben und eine glückliche Fahrt ihn erfreuen. Auf den Feldern und in den Tempeln werden die Untertanen für eine gesegnete Rückkehr beten. Jetzt soll der König sich beeilen und das Schiff besteigen. Ihre Tage werden lang sein und mit Warten vergehen.
ERSTES ZWISCHENSPIEL
Eine tiefe Unruhe hat Nausikaas Gemüt erfasst. Gern wüsste sie, wie die vielen Signale, die auf sie eindringen, von den Auguren gedeutet werden. In einiger Entfernung glaubt sie merkwürdige Lichter auf dem Meer zu sehen, besorgniserregende Winde murmeln an ihrer Tür, eine Taube fliegt zum Fenster herein. Die Diener gehorchen ihr mit Widerwillen, man sucht, ihrem prüfenden Blick auszuweichen. Was wird der Vater an den griechischen Küsten finden? ES überkommt sie das bestimmte Gefühl, dass ihr Bruder nicht mehr lebt. In ihren Träumen hat sie gesehen, wie Laodamos in Blut ertrinkt. Das unmotivierte Murmeln und Wispern im Palast knabbert an ihrem Schlaf. Sogar die See konspiriert mit dem Sturm und der Himmel ist von Wolken durchfurcht. Der Mond versteckt sich und unruhig funkeln die Sterne. Athene möge ihren Augen Licht geben, damit sie klarer sieht.
Ihre letzten Worte hat die hinzukommende Königin gehört. Die Augen ihres Kindes sind immer klar! Athenes Weisheit steckt in ihrem Mund und ihr Kind hat einen Kopf, der das Herz unter Kontrolle hält. Die Königin ist sich sicher, dass ihr Sohn Laodamos tot ist. In ihren quälenden Träumen hat auch sie den gemordeten Körper wahrgenommen. Sie rät, nicht darüber zu sprechen bis die Zeit gekommen ist. Sofern man die Mörder findet, wird man Rache an ihnen nehmen. Weshalb hat die Mutter den Vater davon segeln lassen? Sie sprach zu ihm von ihren Befürchtungen, aber er hat nun einmal seinen eigenen Willen. Da alle ihn bedrängten, hat er gedacht, man habe sich gegen ihn verschworen und es sei erforderlich, seinen Willen durchzusetzen. Sie denkt, dass er die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens erkennt und vorzeitig die Rückkehr an den heimatlichen Herd antreten wird.
Nausikaa kann nicht in Erfahrung bringen, was die Frauen sich unbeobachtet an den Webstühlen erzählen und weshalb die Herren des Rates auf dem Marktplatz ständig in Gruppen zusammen stehen. Auch Arethe hat das Gefühl, dass sie sich an der Kante einer Gefahr befinden. Niemandem ist zu trauen. Ihren ungestümen Bruder soll sie ein wenig zügeln. Clytoneos ist noch ein unbedachter Knabe. Die Augen soll Nausikaa offen halten, ihre Athene um Hilfe bitten und sich zwischendurch ein wenig Schlaf gönnen. Einen Schlaf im Zeichen des Friedens kann Nausikaa nicht finden, denn es ist kein Friede im Palast. Sie ist erschrocken, wenn sie auf das Meer schaut. Sie sieht eine Bedeutung in den sich aufbäumenden Wellenkämmen, überall sieht Nausikaa Zeichen nahenden Unheils. Sie ist erschrocken von den lieblosen gierigen Blicken der Männer von denen sie glaubte, dass es ihre Freunde seien. O liebe Athene, belohne Nausikaas Glauben und sende ihr ein Zeichen!
ZWEITE SZENE
„Guten Morgen, Nausikaa!“ Bleich schaut sie aus, obwohl ein süßer Wind weht! In ihren Kissen gab es diese Nacht eine Katastrophe. Ihre Träume zeigten Krieg an und Geister spazierten in ihren Schlaf. Clytoneos wirkt besänftigend auf die Schwester ein. Sie soll den strahlend blauen Himmel anschauen und sich erneuern lassen. Der Morgen macht uns still und löst die Rätsel der Nacht! Nausikaa wünscht sich, dass es so wäre. Gern würde sie sich hinter den Mauern des Palastes verbergen bis der Vater zurückgekommen ist. Ihre Furcht sei Frauenfurcht und ihre Träume Fantasiegebilde. Er hätte jetzt Lust, auf die Eberjagd zu gehen. Nausikaa bittet den Bruder zu bleiben. Ein Frösteln liegt in der Luft und sie fürchtet für aller Sicherheit. Mancher fehlgeleitete Speer könnte den Weg zwischen seinen Schultern finden. Clytoneos möge im Palast bleiben und wachen. Nausikaa sieht zu tief unter die Oberfläche der Dinge. Gut, er wird bleiben! Seitdem der Vater weg ist, sind auch ihm Merkwürdigkeiten nicht entgangen. Flüstern in den Ecken und sonderbare Blicke in den Augen hat seine Beobachtung registriert.
Clytoneos soll schauen, wer da läuft! Die Eindringlinge denken, sie seien unbeobachtet. Wer hat ihnen überhaupt das Tor geöffnet? Die Geschwister machen im Hof Antinoos, Eurymachos und zwei Unbekannte aus, die sich vorsichtig umschauen und nun im Disput die Köpfe zusammenstecken. Der Wind weht ihr Gespräch nach oben. Antinoos meint, dass es für ihren Plan günstig sei, den König abwesend zu wissen und nur eine handvoll Frauen sich zurzeit im Palast aufhalten würden. Als vornehme Prinzen sollten sie hoheitsvoll in Erscheinung treten, erinnert Eurymachos. Der Plan sieht so aus: Sie wollen sich im Palast präsentieren, formell als Brautwerber auftreten und um die Hand von Nausikaa anhalten. Sie werden anschließend einfach bleiben und feiern und trinken so lange es ihnen gefällt. Nausikaa bleibt für Antinoos reserviert, während sich die anderen den Rest der Mädchen teilen. Aber wie sollen sie sich gegen Clytoneos verhalten? Und was ist, wenn der König zurückkommt? Nun, sein ungebärdiges Temperament führen den Kleinen in die Katastrophe und seine Argumente werden in Blut enden. Der König wird gleich nach seiner Rückkehr im Hafen abgefangen und auf rätselhafte Weise im Salzwasser verschwinden. Eurymachos findet den Plan gefährlich. Er glaube an die Götter und kann sich nicht vorstellen, dass die Unsterblichen ihnen ein blindes Auge zudrehen werden. Die Aufrührer verschwinden, um sich mit den anderen zu treffen.
Nun sieht und hört Clytoneos selbst, was es mit den „Frauenfantasien“ auf sich hat. Wie ein Blitz kommen die Träume der Nacht zu Nausikaa zurück und beleuchten die Situation. Clytoneos rät zur Verschwiegenheit und abzuwarten, welche Formen der Plan annimmt. Zur Untätigkeit verdammt sind sie jetzt in jedem Fall auf unerwartete Situationen eingestellt. O Athene, sende ein Signal von deiner Anwesenheit und schütze die bedrängten Königskinder!
DRITTE SZENE
Die Mädchen singen bei der Arbeit fröhliche Lieder, und im Kreise ihrer Gespielinnen kann Nausikaa die Ängste, die auf ihr lasten, vorübergehend verdrängen. Dort, wo der Strom Periboa ins Meer mündet, ist der Platz zum Waschen und Trocknen. Die Mädchen feuern sich an: Sammelt die Leinen, die purpurnen Roben, sammelt die glatten Laken und gestickten Gewänder! Lasst unsere Stimmen hell fließen wie das Wasser über die Steine. Freudvoll gleitet die Arbeit unter den willigen Händen. Ausgebreitet werden die Prachtgewänder für Feste und Hochzeiten, nachdem sauberes Wasser ihnen Frische gegeben hat. Ist die Arbeit getan, wird die Wäsche zum Trocknen ausgebreitet, und Nausikaa gibt das Zeichen, sich zu amüsieren. Zu Ehren der Göttin Athene sollen die Mädchen ein Labyrinth aus Tanz und Fröhlichkeit weben. Nausikaa beginnt mit den Tanzschritten und wirbelt durch eine Gruppe lachender Mädchen. Sie setzt sich auf einen Stein, während die Freundinnen die Variationen für den Tanz entwickeln. Andere Mädchen amüsieren sich beim Ballspiel. Plötzlich entsteigt ein Mann den Fluten und erklimmt den Felsen, auf dem die Mädchen sich niedergelassen haben. Aller Augen sind auf ihn gerichtet, weil zufällig der Ball in diese Richtung fliegt. Nausikaa tritt vor und fragt den Überraschten, ob er ein Gott oder ein Sterblicher sei, den das Meer ihr überraschend vor die Füße wirft? Es ist ein Signal von Athene, reagieren die Mädchen, Nausikaa soll auf den edlen Kopf und die stattliche Größe schauen. Allerdings ist der Körper zerquetscht und vom Meer verwüstet.
Nausikaa fragt schlicht: „Fremder, wer bist du?“ Nun, die Dame von dieser Küste sieht einen Flehenden, der ihre Gunst sucht. Wenn sie ein Herz hat, welches zu ihrer Schönheit passt, werde sie ihm ihren Schutz nicht verweigern. Dafür versichert er ihr seine Ergebenheit. Offenbar hat die See seine Redekunst nicht befeuchtet. Er darf unter ihnen weilen! Er wird zu essen und zu trinken bekommen sowie ein gutes Kleidungsstück als Gewand. Nun möchte sie seine Geschichte hören. Sein Name sei Aethon und er komme von Kreta. Durch Unglück ist er aus seiner Heimat verbannt. Er bittet, ihm die Geschichte seiner beschwerlichen Wanderung zu ersparen. Sein Schiff ist gesunken, seit zwei Tagen kämpft er gegen die See und nun findet sie ihn hier, um ihm sein Leben zurückzugeben. Nun soll auch sie ihm erzählen, wer sie ist, damit er seine Dankbarkeit förmlich zum Ausdruck bringen und sie beim Namen nennen darf.
Nun, sie ist Prinzessin Nausikaa von Drepanum. Ihr ältester Bruder Laodamos ist auf mysteriöse Weise verschwunden. Ihr Vater, der König, ist losgesegelt um ihn zu suchen. Nur ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder Clytoneos befinden sich im Palast. Sie bestimmt in des Vaters Abwesenheit. „Prinzessin Nausikaa, du hast mein Leben gerettet. Es gehört jetzt dir. Befehle!“ Nausikaa weiß, dass Athene den edlen Aethon gesandt hat, dem Könighaus zu helfen. Eigentlich ist es nicht der Moment, aber die Umstände erfordern, jetzt darüber zu sprechen. Er muss wissen, dass ein aufsässiger Pöbel den Palast bedrängt. Die Aufrührer geben sich als ihre Freier aus und planen ein Komplott. Sie fürchtet um den Thron. Er soll seine Identität nicht zu erkennen geben. Sie wird ihn zum Palast führen und die Königin, ihre Mutter, wird ihm Schutz geben. Gemeinsam werden sie dann einen Plan entwickeln. Aethon erklärt der Prinzessin erneut seine Ergebenheit und findet es richtig, dass er vorerst als Bettler auftritt. Nausikaa ersucht ihre Mädchen, keine Einzelheiten über den fremden Gast auszuplaudern.
VIERTE SZENE
Es ist nicht zu fassen! Antinoos und seine Gesinnungsgenossen nutzen die Abwesenheit des Königs, um sich ungehindert im Palast festzusetzen und sie benehmen sich so, als ob es die eigenen vier Wände seien. Der König wird vom Publikum kritisiert, weil er sich leichtsinnig auf Reisen begibt, ohne zuvor ausreichend Maßnahmen zur Sicherheit seiner Angehörigen getroffen zu haben. Gibt es tatsächlich keinen wirksamen Polizeischutz auf der Insel, der Übergriffe in Form von schwerem Hausfriedensbruch unterbindet? Muss man davon ausgehen, dass der König keine Autorität hat?
Noch ein Becher, noch ein Becher! Es macht nichts, wenn beim Ausschenken der edle Rebensaft verschüttet wird. Eine Menge Fässer befinden sich noch im Keller. Schlachtvieh grast in ausreichender Zahl auf der Weide und im Unterholz wartet der Eber, gejagt zu werden. Feines Essen, feines Fleisch! Doch Unmäßigkeit verändert das optische Erscheinungsbild und bewirkt Korpulenz! Man wartet auf Prinzessin Nausikaa, damit der Spaß losgehen kann. Leocritos ist geschickt beim Würfeln! Antinoos fordert Phemios auf, aus seiner Ecke zu kommen und die Anwesenden mit einer Geschichte über Heroen zu unterhalten. Der Hofbarde lässt sich nicht lange bitten. Er singt von Odysseus dem Helden. Sein Vater Homer hat oft von Odysseus gesungen, von seiner bitteren Heimkehr in das verwüstete Ithaka. Ihm, der hart gekämpft hatte, war eine eisige Rückkehr beschieden. Aphrodites Ärger hatte ihn zehn Jahre lang über die Meere gejagt. Die treulose Penelope hat seinem Namen Schande gebracht und sich in seiner Abwesenheit mit fünfzig Liebhabern getröstet. Ha, ha, ha!
Wie oft hat Nausikaa dem Phemios schon verboten, unwahre Geschichten über die Königin Penelope zu berichten! Er soll die berüchtigten Namen der fünfzig Aufrührer rezitieren, die Odysseus mit Apollos Bogen zur Strecke brachte. Rächende Pfeile haben das Leben der Plünderer vorzeitig beendet. Das wäre eine gute Geschichte, in betrunkene Ohren zu fallen. Um Gewissensbisse auszulösen. Antinoos ist der Ansicht, dass die fünfzig Verehrer ein solch hartes Schicksal nicht verdient haben, Nausikaa spreche mit harten Worten, welche die Liebe ungebührlich provoziere.
Die Prinzessin wird deutlich: Jeder Tropfen Wein, den er in ihres Vaters Haus verschütte und jeder Ochse der geschlachtet wird, um seine Kumpane zu beköstigen, werde er persönlich mit seinem Leben bezahlen. Bei ihrer prasselnden Zunge wird der Bestand an Verehrern sich deutlich reduzieren, setzt der Zurechtgewiesene dagegen. Doch was ist das? Antinoos hat den Fremden wahrgenommen. Ein schmutziger Bettler schnieft auf der Schwelle. Seine Freunde brauchen niemanden, der ihnen assistiert, um die königlichen Speisekammern zu leeren. Er soll verschwinden! Aethon bittet um Nachsicht, es sei völlig neu für ihn, zu betteln und in den Gepflogenheiten der Menschen kenne er sich nur unzureichend aus. Er habe gedacht, dass feine Kleider einen Edelmann als solchen auch ausweisen würden. Ist er eine Plage, die Zeus ihm schickt? Zurück in den Schweinestall! Der Unverschämte soll sich beeilen! Es sei nicht weise, ihn zu kränken, denn er sei kein Bettler von Geburt. Der Aufbrausende solle Sorge tragen, dass die Götter die zugefügten Beleidigungen nicht rächen werden. Der Chor mahnt Antinoos zur Vorsicht. An seiner Sprache und seiner Haltung gemessen, könnte es ein Gott in Verkleidung sein!
Clytoneos, der sich bisher passiv verhalten hat, wendet sich an Antinoos und gibt ihm einen Verweis. Kein Bettler, der in ehrlicher Absicht dieses Haus betritt, wird fortgeschickt. Aus Furcht, die Götter zu verärgern, soll er seinen Ton ändern. Clytoneos möge sich vorsehen! Es sei noch zu früh, den Mann zu spielen. Er solle mit ihnen zusammensitzen und lernen, wie ein Mann sich zu verhalten pflegt.
Der Angesprochene entgegnet, dass er das Vertrauen seines Vaters verlieren könnte, wenn er sich zu ihnen setzen würde. Er wird nicht assistieren, wenn dieses Land geplündert wird. Die Herren von Drepanum mögen seine Ausführungen zur Kenntnis nehmen: Zwei Tragödien hängen über diesem Haus, die in dem Verschwinden seines Bruders Laodamos und in der zweckgebundenen Abreise seines Vater zu suchen sind. Die Segel des Abschieds sind gerade erst gesetzt und schon rempelt der Mob zur Nachtzeit die Bewohner dieses Hauses an und verwüstet seine Einrichtung. Seiner Schwester wird unwillkommene Beachtung geschenkt, die Ochsen werden geschlachtet und die Weinfässer ausgetrunken.
Er bittet nun die edlen Herrn Eurymachos, Antinoos, Cteppios und die anderen, sofern sie noch einen Rest von Anstand in ihrem Herzen oder Achtung vor den unsterblichen Göttern haben, den Palast zu verlassen, damit die Familie in Frieden leben kann. Wenn sie trotz seiner Warnung fortfahren zu randalieren, wird er den großen Zeus bitten, ihnen den Tag der Abrechnung bald zu präsentieren.
Wie gedenkt der junge Clytoneos in dieser edlen Gesellschaft seine unbedachten Worte zu vollstrecken? Nun, er wird morgen die Segel setzen, um seinem Vater nachzureisen. Die Vorfälle wird er melden und Antinoos möge sich ausrechnen, ob der Rückprall zu seinem Vorteil auslaufen wird. Er geht und Nausikaa folgt ihm. Antinoos schaut ihm hinterher. Jede Silbe war zu viel! Mit solcher Unterhaltung riskiert der junge Clytoneos sein Leben!
Nausikaa ist mit dem Bruder allein. Was bedeutet dieser Plan, wegzusegeln? Sie werden ihm auflauern, so wie sie es auch bei Laodamos machten und wie sie es mit dem Vater im Sinn hatten. Seine Warnung hat er abgeliefert, sein Schicksal liegt in den Händen der Götter. Selbstverständlich wird er nicht dem Vater nachreisen, sondern den verbannten Bruder Halios aufsuchen. Die Entfernung nach Minoa ist nicht weit und dauert nur eine Tagesreise, ihn wird er um Hilfe bitten. Über die Hintergründe, welche Bewandtnis es mit dem fernen Bruder hat und weshalb er nicht in Drepanum lebt, schweigt der Librettist sich aus. Nausikaa sieht sich in der Abwesenheit des Verwandten nicht ganz ohne Schutz. Der Fremde, der im Palast Wohnung bezogen hat, ist kein Bettler, sondern ein unerwarteter Verbündeter. Clytoneos soll mit dem Wind gehen und bald wohlbehalten zurückkommen.
ZWEITES ZWISCHENSPIEL
Jede Nacht geht einmal zu Ende und die Meute verlässt lärmend das Haus. Athene möge Hilfe schicken. Clytoneos solle bald heimkehren, der Vater die vergebliche Suche nach Laodamos beenden und seine Reise abbrechen. Aethon möge Geduld aufbringen, denn auch diese schlimme Zeit wird einmal enden.
Kommt Phemios herauf zum Atmen? Hat ihn die Unterhaltung der Feinde des Hauses erschöpft? Dieser Mangel an Wertschätzung und Taktgefühl dürfte dem Vater nicht gefallen. Die Söhne Homers genießen überall Vertrauen und haben mit Politik nichts zu tun. Sie haben es auch nicht nötig, irgend jemandem zu antworten außer ihrem Herrn Homer selbst. Aber Phemios sollte doch die Sachlage realistisch betrachten und sich bewusst sein, dass die Feinde des Hauses harte Strafe zu erwarten haben, sobald der Vater zurück ist. Wenn er nun mit ihnen gemeinsame Sache macht, wird das auch für ihn Folgen haben. Es sei unerhört, welche Lügen er über die Königin Penelope verbreite. Im Moment sei Nausikaa zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, denn sonst würde sie ihre Version der Ereignisse, wie diese sich wirklich zugetragen haben, komponieren und ihm befehlen, sie zu singen. Mit allem Respekt antwortet Phemios der Prinzessin, dass Homer keine Töchter habe. Die Kunst der Barden liegt jenseits der Macht der Frauen und weit weg von häuslichem Streit. Phemios soll genau zuhören, was Nausikaa ihm sagt. Die schlimmen Ereignisse in diesem Palast suchen nach Umwälzung. Seine Gesänge werden ihn nicht schützen in seiner letzten Stunde. Homer möge keine Töchter haben, aber Phemios soll sich in Acht nehmen, sonst wird der blinde Sänger einen Sohn verlieren.
FÜNFTE SZENE
Die Türen der Banketthalle sind geschlossen und Nausikaa kann sich nun endlich Zeit nehmen, sich ihrem treuen Bettler, wie sie scherzhaft sagt, zu widmen. In einer Ecke des Hofes hat dieser eine kleine Flamme entzündet und bittet Nausikaa, sich zu ihm ans Feuer zu setzen. In geduldiger Wut hat er den abscheulichen Tag verbracht und unter den zugefügten Beleidigungen gelitten. Seine Gelüste nach Rache haben sich verschärft. Ihr Gemüt soll sich nun ihm zuwenden, denn er möchte ihr gestehen, was das Herz nicht länger für sich behalten kann. Er liebe sie, habe sie vom ersten Moment an geliebt als sie am Ufer wie eine Göttin vor ihm stand. Ach Aethon, wie kann er von Liebe sprechen, wenn unter den jüngsten Ereignissen die Mauern erzittern und in den Ecken sich die Furcht verbirgt. Sein eigenes Schicksal will er mit dem ihren verknüpfen. Wenn er in aller Form um ihre königliche Hand anhielte, was würde sie antworten? Zu anderer Zeit wird er Nausikaa willig finden, aber im Moment ist sie nur erschrocken.
Unbemerkt hat Königin Arethe sich genähert. Sie findet es an der Zeit, dass Nausikaa ihr offenbart, wer der Fremde sei, den sie unter Bettlers Lumpen in ihrer Mitte versteckt. Von seiner edlen Abkunft muss sie nicht überzeugt werden, diese erkennt sie an seinem Gebaren. Nun, der Fremde ist Aethon von Kreta. Seine Mutter war ihre Cousine Giuna, die von Piraten geraubt wurde. Aethon bestätigt, dass er ein Diener Apollos sei und - gebannt durch ein schlimmes Schicksal - sein Leben auf Wanderschaft ausgerichtet ist. Der Sturm habe ihn an diese Küste gebracht und die Tochter nahm ihn in ihre Obhut. Im rechten Augenblick ist er gekommen, denn die Familie sei hart gefordert und brauche dringend Hilfe. In Zeiten der Gefahr wird er ihr treu zur Seite stehen. Die Königin möge auf ihn zählen!
Clytoneos ist endlich zurück! War seine Mission erfolgreich? Er zeigt Nausikaa fünfzig Pfeile mit kupferner Spitze. Nausikaa ist grenzenlos enttäuscht. Pfeile, nur Pfeile und keine Männer, die sie abschießen werden. Um die frechen Freier vom Hof zu vertreiben, werden sie nützlich sein. Athene muss aber mehr Hilfe schicken, denn was Nausikaa sieht, ist nur eine freundliche Geste. In ihr reift ein Plan und ihr Blick richtet sich auf den Bogen des Herakles, der als Dekoration an der Mauer hängt. Die Prinzessin setzt auf die Vermutung, dass niemand der Freier den großen Bogen spannen kann, Aethon traut sie dagegen die erforderliche Kraft und Geschicklichkeit zu. Zum Fest des Apollo wird sie nun einen Wettstreit veranstalten. Wem es gelingt, den Pfeil ins Ziel zu senden, wird noch vor Sonnenuntergang ihr Eheversprechen erhalten. Clytoneos soll es allen verkünden. Aethon findet die Idee gut und Clytoneos freut sich, dass er die Schwester gewinnen wird. Jedoch Königin Arethe hat Bedenken. Was wird sein, wenn einer der Freier in angetrunkenem Zustand aus Versehen das Ziel trifft? Ist es nicht besser, zuvor die Auguren zu befragen, um zu wissen, ob dieser Plan nicht doch einen Makel hat? Das Risiko ist zu hoch!
Phemios hat bei Hofe eine Doppelfunktion. Als Sohn des Homer ist es ihm auch vorbehalten, die Zeichen zu deuten. In aller Eile wird einem Ochsen der Kopf abgehackt und seine Innereien in einen Bottich gelegt. Phemios wird herbeigerufen und seine Kunst in Anspruch genommen. Er möge erzählen, ob die königliche Familie am folgenden Tag leben oder sterben wird! Phemios fühlt sich geehrt, betrachtet lange den Kopf des geschlachteten Tieres und anschließend kontrolliert er sorgsam die Eingeweide. Was sieht er? Wie stehen die Zeichen? Viel hat er nicht zu verkünden, sein Spruch lautet: Eine Hochzeit bei Nacht segnet den Tag!
Nun, Nacht ist jetzt und der Tag steht bevor! Die Königin sieht sofortigen Handlungsbedarf. Aethon und Nausikaa sollen das erforderliche Paar bilden. Brunnenwasser von der Fontäne an der Palastpforte wird herbei geholt und ein paar Girlanden, um das Brautpaar zu schmücken, sind schnell geknüpft. Ein bisschen Poesie zwischen den beiden jungen Leuten soll auch sein. Das Liebesduett fällt so sparsam aus wie die Feierlichkeit selbst, so dass man bestenfalls von einer Verlobung in engstem Familienkreis sprechen könnte. Nausikaa erinnert sich, dass der Erwählte wie ein Gott aus dem Meer stieg und ihr Herz zum Erzittern brachte, als sie ihn sprechen hörte. Aethon ersucht seinen Schirmherrn Apollo, Licht zu bringen, seinem Arm Stärke zu verleihen und den Pfeil des Sieges ins Ziel zu führen.
Den Gegensatz, in der Nacht zu heiraten und am folgenden Tag einen Hochzeitswettbewerb zu veranstalten, konnte der Librettist nicht auflösen. Die Götter, die das Orakel geschickt haben, werden zuständig sein, den Widerspruch zu neutralisieren.
DRITTES ZWISCHENSPIEL
SECHSTE SZENE
Soviel hat Antinoos mitbekommen, dass sich in der Nacht noch Dinge zugetragen haben, die sich seiner Kontrolle entziehen. Er ruft die anderen herbei und man fragt sich, was der überflüssige Flitter, der überall herumhängt, zu bedeuten habe. Die Freier sind überrascht und sie ziehen den Schluss, dass die Organisatoren zum Fest des Apollo sich etwas besonderes ausgedacht haben. Clytoneos bringt die Aufklärung. Er habe ins Horn gestoßen, weil er beauftragt worden sei, die Konditionen zu verkünden, zu denen seine Schwester Nausikaa bereit sei, einen Gemahl zu wählen. Nun, deshalb muss der Knabe mit seinem Instrument keinen unnötigen Lärm veranstalten. In angemessener Gewandung werden die Brautwerber für den festlichen Tag gerüstet sein und sich auch ohne seine Einladung im Palast erblicken lassen. Nausikaa erscheint ganz in weiß gekleidet, die Männer treten in Staunen über ihre Schönheit einen Schritt zurück. Dem Protokoll zuwider nimmt die Braut keinen Herold in Anspruch, sondern verkündet den Beschluss ihrer Göttin Athene selbst. Unter den Männern, die am Hof weilen, will sie einen Gatten auswählen. Im Wechsel sollen die Bewerber den Bogen des Philoktetes spannen und den Pfeil abschießen. Der beste Bogenschütze mit dem schärfsten Auge ist der Gewinner und wird den Preis bekommen. Prinzessin Nausikaa von Drepanum ist es in Person! Wenn das keine Verlockung ist?
Die Prinzessin treibt ein lustiges Spiel, welches Antinoos nicht liebt. Aber an Apollos Festtag wird er die Herausforderung nicht verweigern. Clytoneos soll ihm den Bogen reichen. Er macht den ersten Schuss. Der Chor warnt, Nausikaa treibe Schabernack mit ihnen. Alle sollten den Wettbewerb boykottieren! Antinoos ist von der Warnung unbeeindruckt und versucht, den Bogen zu spannen, schafft es aber nicht. Das Alter hat die Sehne steif gemacht, mit Eberfett könnte man vielleicht Abhilfe schaffen. Eurymachos nimmt jetzt den Bogen, ohne ein Resultat zu erzielen. Der Chor warnt erneut vor drohendem Unheil, welches in der Luft läge. Jetzt ist Cteppios an der Reihe. Der Bogen, aus dem Horn eines gewaltigen Paarhufers gefertigt, zeigt bei seiner Anstrengung keine Reaktion. Die Mädchen kichern bereits.
In diesem Moment kündet ein Bote, dass das königliche Segel am Horizont gesichtet worden sei. Das Schiff sei bereits im Hafen eingelaufen. Bedeutet das etwa, dass der König von seiner Reise zurück gekehrt ist? Antinoos ist plötzlich hellwach. Eurymachos soll das Tor zum Hof des Palastes sofort von innen verriegeln. Es sei zu verhindern, den König einzulassen, bevor sie selbst sich in Sicherheit gebracht hätten. Er soll sich des Plans erinnern, den sie für den Extremfall gemeinsam entworfen haben. Die Rebellen richten ihre Aufmerksamkeit auf die Pforte und versuchen, diese mit einer Stange zu verschließen.
Aethon, der neben der Königin auf den Stufen des Palastes steht, tritt nun vor und bittet, dass man nun ihm den Bogen reiche. Wie zu einer Hochzeit ist er in elegante weiße Gewänder gekleidet. Der Bettler, der Bettler in prinzlicher Robe! Der Opernchor ist ebenso erstaunt wie erschrocken. Der Fremde möchte ein einziges Mal den Bogen des Herakles in Händen halten und man soll ihm das Vergnügen lassen. Antinoos wird bleich. Der Angeber muss sich seines Sieges offenbar sehr sicher sein. Aethon bittet erneut, dass man ihm den Bogen nicht vorenthalte. Antinoos verweigert es strikt, denn Furcht ist in ihm hoch gestiegen. Der Chor hat es geahnt, dass ein Gott in Verkleidung vor ihnen steht. Der Kreter ergreift den Bogen, welchen Clytoneos ihm reicht, nachdem er ihn dem verdutzten Cteppios weggenommen hat. Aethon spannt ihn mit Leichtigkeit und sendet den Pfeil ins Ziel. Es ist nicht zu fassen. Die Männer wittern Betrug, aber der glückliche Schütze hat alle Frauen auf seiner Seite. Er hat den Bogen gespannt und der Pfeil hat sein Ziel gefunden. Wo soll der Betrug sein? Formell lässt sich der Sieger von Bruder und Mutter der Braut nochmals bestätigen, dass er unwiderruflichen Anspruch auf die Hand der Prinzessin hat.
Bedrohlich bewegt die Menge sich auf die Stufen des Palastes zu. Ihre Stimmen erheben sich zur Besessenheit. Aethon spannt den Bogen erneut und legt einen Pfeil an. Zuerst fällt Antinoos. Für einen Moment weicht der Mob zurück, um dann erneut vorzudringen. Als nächstes stürzt Eurymachos, dann folgt Cteppios. Immer wieder reicht Clytoneos dem Schützen einen neuen Pfeil. Ein Aufrührer nach dem anderen muss sein Leben lassen. Rückwärts steigen Aethon und Clytoneos die Stufen des Palastes empor, um Platz für die Leichen zu schaffen, die sich türmen.
Nun greift Aethon nach dem Speer, um ihn dem Verräter Phemios entgegenzuschleudern. Doch Nausikaa stellt sich schützend vor den Barden. Mit wem soll die Feministin streiten, wenn der Dialogpartner ausgeschaltet ist? Der Gatte soll den Sänger verschonen, denn er ist ein Sohn Homers und dem Apollo heilig. Ermordet er ihn, beleidigt er alle Götter und Unglück fällt über sein Haus. Also, der Sänger soll in Frieden gehen und seine Lyra mitnehmen.
Inzwischen ist der König angekommen und nimmt das stattgefundene Gemetzel mit Befriedigung zur Kenntnis. Die Begrüßung ist allerseits freudig und der Heimkehrer hat sich auch schon einen Vortrag zurechtgelegt. Die ewigen Götter sollen die Courage seiner Frau segnen. Den Wert seines Sohnes Clytoneos hat er erkannt. Wie man ihm bereits im Hafen erzählte, sei in seinem Palast eine Revolte ausgebrochen und Nausikaa habe für sich einen Ehemann gefunden. Die Götter haben ihm befohlen vorzeitig zurückzukehren. Von den Umständen über Laodamos Tod habe er erfahren und sich an den Übeltätern gerächt. Ansonsten: ohne Spesen nichts gewesen!
Stellvertretend für alle darf Nausikaa sich eine Gnade von ihm erbitten, denn der Becher des Lobes für sie und die Familie ist voll. Nun, was könnte Nausikaa vom König schon erwarten, als Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen gegen Ausschreitungen des Pöbels durch Anwerbung von qualifizierten Bogenschützen? Doch für sich selbst will die Bescheidene von ihm nichts. Aber sie hat eine Bitte an den Hofsänger Phemios. Sie rettete sein Leben und er schuldet ihr einen Preis. Was immer es auch sein mag, reagiert der Angesprochene. Er ist sich sicher, dass es wird ein hartes Feilschen wird, aber in seiner angeborenen Großzügigkeit wird er sich nachgiebig zeigen.
Als Sohn von Homer hat Phemios das Recht, an den griechischen Höfen zu singen, um der Nachwelt die Geschichte der griechischen Vorfahren und ihrer Familie zu hinterlassen. Nur, was die Treue und Opferbereitschaft Penelopes anbelangt, soll in Zukunft ihre Version Gültigkeit haben. Desgleichen werden die jüngsten Vorfälle in diesem Palast von ihr niedergeschrieben werden. Alle Teile seiner Dichtungen, in denen Frauen vorkommen, sind ihr zur Kontrolle vorzulegen. Natürlich darf er den Vortag in Gang bringen und als sein Werk oder als das Werk des Homer ausgeben. Sie und ihre Freundinnen geben sich damit zufrieden, dass sie einer Darbietung, gefertigt aus dem Geist einer Frau, lauschen dürfen.
Schweren Herzens gibt Phemios sich einen Ruck und akzeptiert die Bedingungen. Aber er bittet die Prinzessin eindringlich, dass seine Kollegen, die Barden von Delos, davon nichts erfahren dürfen.
Letzte Änderung am 16.1.2008
Beitrag von Engelbert Hellen