Marco da Gagliano (1582-1643):

La Dafne

deutsch Daphne

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1608
Uraufführung: 1608 in Mantua, Teatro della Corte
Besetzung: Soli, Chor und Orchester

Zur Oper

Art: Dramma in Musica
Libretto: Ottavio Rinuccini nach Ovid
Sprache: italienisch
Ort: antikes Griechenland
Zeit: zu mythischer Zeit

Personen der Handlung

Daphne
Apollo
Venus
Amor
Tirsi
Weitere: Hirten, Nymphen

Handlung

Prolog:

Ovid selbst, der die Liebesglut der himmlischen Liebhaber und deren Verwandlung so vortrefflich besang, steigt in dieser Nacht zu den Sterblichen hinab und hat seine Lyra dabei. Er freut sich diebisch, dass man ihn nicht vergessen hat und man seine Poesie noch heute bewundert. Er lehrte die Kunst, wie man in kalter Brust die Flamme der Liebe entzündet, und wie ein Herz, dem die Liebesflamme lästig ist, sich wieder davon befreit. Jetzt will er an einem Beispiel erzählen, wie gefährlich es für Frauen und Ritter ist, die Macht des Amor zu verachten. Jenen Gott, der in seinem schönen goldenen Wagen das Licht und den Tag bringt, werdet ihr sehen, wie er die in eine Pflanze verwandelte Nymphe anbetet.

1. Akt:

Erste Szene:

Die Hirten sind völlig verstört. Eine grauenvolle Bestie kommt regelmäßig aus ihrem Versteck, tritt ganz leise auf und wirbelt kein Laub auf. Das bösartige Vieh hat es auf die Herde und die Mädchen abgesehen. Dazu frisst es die Bäume kahl und trübt die Bäche. Es ist unmöglich geworden, ohne Furcht und Schrecken die Herde auf die Weide zu führen. Die Mädchen können weder Zweige noch Blumen pflücken, ohne dass ihnen das Herz vor Furcht erstarrt. Den Nymphen geht es ähnlich. Tirsi, Anführer der Hirten, bittet den unsterblichen Jupiter, dass er mit Blitz und Donner Himmel und Erde erschüttert. Er kann auch Feuer und Pfeile schicken, welche die Bevölkerung von dem Ungeheuer befreien. Die Herrscher des Olymps sollen ihre Klagen hören und die grausame Schlange - falls es sich um eine solche handelt - töten, weil sie die Welt verdirbt. Ihr böses Gift soll nicht länger wüten. Die Wiesen mögen wieder ergrünen, und der Himmel soll wieder heiter werden, so wie es immer war.

Wo kann man heute eine ruhige Stunde verbringen, ohne das Gift zu fürchten. Im düsteren Wald hat man das Monster zuletzt gesehen, trunken von Blut. Zufällig kommt Apollo vorbei. Die Hirten fragen ihn, ob er der Herr von Delos sei und ob er seinen Bogen dabei habe. Dann soll er das grausame Ungeheuer erschießen, bevor es alle frisst. Apollo spannt seinen Bogen, schießt und trifft. Eine Himmelsmacht hat die schreckliche Schlange getötet. Das Ungeheuer bricht zusammen und liegt in seinem Blut. Er soll den Bogen noch einmal spannen und auch das Herz treffen, in dem noch Leben wohnt. Der schreckliche Atem verpestet die Luft nicht länger, und Mädchen und Nymphen können wieder Blumen pflücken. Der wilde Drache, mit Gift und Feuer bewaffnet, hat sein Leben auf dem Boden ausgehaucht. Dem würdigen Apollo wird ein Kranz aus Efeu geflochten und auf das mit Strahlen umkränzte Haupt gedrückt.

Zweite Szene:

Amor glaubt es nicht, dass die Mutter Lilien oder Rosen sucht, um ihr Haar zu schmücken. Nach einem hübschen kleinen Hirten schaut sie aus, den er mit seinem Pfeil treffen soll. Apollo, der Venus auf ihrem Morgenspaziergang begleitet, versucht den Knirps zu ärgern. Auf welches wilde Tier oder auf welche Schlange will er schießen, da er sich mit Pfeil und Bogen ausgerüstet hat. Der Kleine merkt die Spitze in Apollos Rede. Wenn der Python auch nicht von seinem Bogen getötet wurde, so habe er doch keinen Spott verdient. Er betrachtet ihn als seinesgleichen, denn auch er ist ein Gott des Himmels. Wenn er den Bogen spannt, will Apollo wissen, nimmt er dann die Binde von den Augen oder trifft der erfahrenen Schütze auch im Dunkeln? Falls der Lichtbringer Beweise seiner Treffsicherheit wünscht, soll er doch die übrigen Götter fragen. War Jupiter jemals vor ihm sicher? Wo soll Apollo sich nun verbergen, wenn Amor überall triumphiert? Er soll ihm einen neuen Himmel zeigen oder eine neue Welt. Wenn er ihn treffen will, spottet Apollo, soll er bitte nicht auf sein Herz zielen. Venus warnt, wie gefährlich es ist, mit ihrem Sohn zu scherzen auch wenn er nur ein Kind ist, dazu nackt und blind. Amor höhnt zurück. Wenn es ihm nicht gelingen sollte, dieses hochmütige Herz zu treffen, will er nicht der Sohn der Venus sein. Der Kleine ist ernsthaft böse, aber die Mutter versucht zu beschwichtigen. Was für ein gerechter Zorn, welche Wut hat das Kindchen heute gepackt. Der Kleine wird keine Ruhe und keinen Frieden haben, bis er den Hochmütigen nicht weinen sieht, getroffen von seinem verspotteten Pfeil.

Die Hirten und Nymphen erinnern sich, dass einst ein anmutiger Jüngling - des Waldes Ehre und Ruhm - die Macht Amors zu spüren bekam. Er bewunderte sich in einem Bächlein, entflammte in Liebe zu sich selbst und wurde in eine Blume verwandelt, um endlich Ruhe zu finden.

Ditte Szene:

Daphne heißt die edle Jägerin, die mit ihren schönen Augen den Glanz dieses heiteren Tages verdoppelt, welche von den Hirten wissen will, wie der grausame Python zu Tode kam. Die Nymphe hat das nasse Element verlassen und ist eine Anhängerin der jungfräulichen Göttin Diana geworden. Wer ist es gewesen, der das böse Ungeheuer in eine Beute des Todes verwandelte? Phoebus, der in der Höhe die Fackel kreisen lässt, wodurch es auf der Erde Tag wird, erledigte das Notwendige. Herrlich war es, dem Gott zuzusehen bei dem grausamen, aber anmutigen Kampf mit dem ungeheuerlichen Drachen. Zuerst stand er ihm gegenüber, drohend und kühn, dann federnden Fußes verhöhnte er die Wut des riesigen Tieres, das aus feuerrotem Rachen vergeblich Feuer und Gift fauchte. Nie schoss der glückliche Schütze einen Pfeil aus seinem Bogen, der nicht das wilde Ungeheuer mit einer tödlichen Wunde durchbohrte. So begann es zu fliehen, zitternd, aber vor den beflügelten Füßen des mächtigen Schützen floh es vergeblich. Mit denkwürdiger Hand entriss Phoebus Apollo ihm die Seele.

Daphne ist es zufrieden. Nun kann auch sie sicherer durch die Wälder gehen, um das irrende Wild zu jagen. Zu Klängen und Tänzen sollen die Hirten wieder zurückkehren.

Durch seine Schönheit geblendet, möchte eigentlich jede Nymphe ein Liebesabenteuer mit Apollo haben. Aber die grausame Härte seines Herzens entzieht sich Klagen und Tränen und jeglicher Annäherung. Großes Erstaunen unter den anwesenden Nymphen, denn Amor ist es gelungen, seine Drohung wahr zu machen. Ein edler Blick aus schönen Augen hat sein Herz getroffen. Daphne ist die Glückliche. Sie soll sagen, wer sie ist, Nymphe oder Göttin? Wozu benötigt sie Köcher, Pfeil und Bogen? Daphne erklärt, dass sie eine Sterbliche sei und dass seine Anwesenheit stört, weil sie gerade ein Wild verfolgt. Wenn Sterblichkeit so schön ist, will Apollo vom Himmel nichts mehr wissen. In welche Richtung ist das Wild gelaufen. Zu was benötigt Daphne Pfeil und Bogen, wenn sie durch die Täler streift. Mit ihren schönen Augen kann sie doch ganz andere Beute machen. Sie will aber keine andere Beute. Sie ist zufrieden, wenn sie auf eine fliehende Hirschkuh oder ein Wildschwein trifft. Stimmt doch gar nicht. Sie ist nicht nur eine Jägerin wilder Tiere, auch gegen die hohen Götter richtet sie die Pfeile aus ihren stolzen Augen. Daphne erklärt, dass sie eine demütige Verehrerin der ewigen Götter des Himmels sei und er solle sie mit seinen Späßchen nicht länger aufhalten. Sie soll ihm doch nicht die Freude versagen, mit ihr in den Wäldern herumzustrolchen, auch er beherrsche die Kunst, mit Pfeil und Bogen umzugehen. Es sei noch gar nicht lange her, dass ein stolzes Tier von seiner Hand getroffen, das Gras mit Blut getränkt hat. Sie sei die Dienerin der Diana und es gibt ein strenges Gesetz, einen Gott als Gefährten abzulehnen. Punktum.

Daphne eilt fort, und Apollo schaut dumm hinterher. Amor hat ihm aufgelauert. Der Knirps wird ständig von dem Gefühl geplagt, unzureichend respektiert zu werden. Die Hirten wissen das. Andere mögen die Taten ruchloser Giganten bejubeln, aber die werden respektvoll die goldenen Pfeile des Amor besingen.

Man besinnt sich auf das Schicksal der Nymphe Echo. Weinend schied sie aus dem Leben. Sie wird nur noch in Höhlen und Felsspalten gehört, wiederhallend als nackter Schatten. Kein Verzeihen wird sie finden, denn Amor duldet nicht die Undankbarkeit eines ruchlosen Herzens.

Vierte Szene:

Mutter Venus muss ihren Sprössling bei Laune halten, damit er es mit seinem Unfug nicht zu bunt treibt. Jener Gott, der den leuchtenden Wagen um die Erde lenkt, weint und seufzt, besiegt von seinem Bogen. Deshalb soll die Mutter aus Edelsteinen und Gold einen schönen Wagen bauen lassen. Mit dem Gefährt will Amor durch den hohen Himmel kutschieren, damit alle Götter den prachtvollen Sieger sehen. Ist deshalb die süße Freude seiner Augen heute so übermütig, weil er Onkel Apollo eins ausgewischt hat? Der Kleine soll es ihr sagen. Wie oft hat er ihr selbst mit seinem Pfeil die weiche Brust durchbohrt, im Himmel und auf der Erde hat sie geseufzt und geweint.

Die Hirten und Nymphen singen den ganzen Tag von der Liebe. Im Wald verbirgt sich noch kein so erbarmungsloses Tier, am weit entfernten Pol entfaltet noch kein so einsamer Vogel seine Flügel, und in den Wellen des Meeres unter den beschuppten Tieren, wohnt kein Herz, das die Liebe nicht fühlt. Nur die Menschen wappnen ihr Herz gegen die goldenen Pfeile, damit die Liebe nicht Einzug hält.

Fünfte Szene:

Tirsi, der Anführer der Hirten, hat die Nase immer vorn. Er hat gesehen, wie Daphne in einen Lorbeerbaum verwandelt wurde, er war nämlich dabei. Das traurige und unglückliche Schicksal der schönen Jägerin erfüllte sich folgendermaßen: Die Bitten des himmlischen Liebhabers verachtend, floh sie wie eine Hirschkuh vor der Liebe des entflammten Gottes. Hin und wieder drehte sie sich um, ob ihr Verfolger das Tempo mithalten kann. Als sie aber merkte, dass Flucht nicht weiterhilft, richtete sie ihre tränenerfüllten Augen himmelwärts, hob die Hände und begann zu klagen. Was sie sagte, hat Tirsi nicht mitbekommen, denn er war zu weit fort. Aber dann ging der Spuk los. Die beiden zierlichen Füße wurden plötzlich unbeweglich und Baumrinde begann sie zu umwickeln. Die Arme und Hände, zum Himmel gereckt, wurden von wilden Zweigen bedeckt. Das lockige blonde Haar, das Gesicht und die weiße Brust sieht er nicht mehr. Die edle Gestalt verliert ihre Konturen und übrig bleibt ein Busch mit Blüten und Grün. Alles ging ratz fatz.

Grausames Schicksal. Was sagt Apollo zu dieser Metamorphose? Der Verdutzte war vor Grauen und Mitleid ganz verwirrt und verweilte lange, wie ein unbeweglicher Fels. Dann hob er die Augen zu den geliebten Zweigen, seufzend und weinend streckte er die Arme aus und umschlang den edlen Stamm und küsste ihn. Die Natur ringsum hat das Theater natürlich mitbekommen und ist gerührt. Die Felder und die Hügel weinen, mitleidig seufzen die Lüfte und die Winde und die Worte, die Apollo sprach, waren so traurig, dass er, Tirsi, beinahe ohnmächtig geworden wäre. Die Vögel hörte er in den Zweigen klagen und das Wild läuft heulend über die Felder.

Die Hirten und Nymphen sind von der Erzählung Tirsis dermaßen gerührt, dass sie auch beginnen zu weinen. Das schöne Haar werden sie nicht mehr sehen, dass frei im Winde flatterte und den klaren Gesang werden sie nicht mehr hören und den heiteren Glanz aus ihren Augen werden sie vermissen. Wo ist das schöne Gesicht, die schöne Hand, der schöne Busen und das süße Lächeln? Amor, der den Schaden angerichtet hat, soll gefälligst mitweinen. O Tränen! o Schmerz!

Sechste Szene:

Apollo, kummerbeladen, sucht Trost bei den Hirten. Der Schmerz, der sich in seinem Herzen gesammelt hat, zeigt sich auf seinem edlen Gesicht. Die Baumrinde wird für immer die holde Schönheit umschließen. Seine Geliebte, sein Schatz, weswegen er schmachtet, obwohl er unsterblich ist, hat sich ihm entzogen. Warum hat sie ihr Antlitz von ihm abgewandt? Himmlische Götter tun doch nichts Böses. Jedes Mal, wenn er mit seinem Wagen am Nordpol ankommt, wird er tausendmal ihren schönen Namen rufen. Er wird nicht aufhören, sie zu ehren und zu lieben. Ihre Blätter und Zweige werden immer sein goldenes Haar umkränzen. Seine Pflanze soll weder Feuer noch Frost fürchten. Ihr ewiger Schmuck soll von hellem Smaragd sein und der Zorn des Himmels sie niemals treffen. Die Könige der Erde werden als Zeichen der Ehre eine Girlande aus Lorbeer auf ihrem Kopf tragen. Keine Herde und kein Hirt soll sie jemals ihres grünen Mantels berauben. Die Blätter werden so hart und saftlos sein, dass sie keinem Schaf schmecken.


Letzte Änderung am 14.10.2008
Beitrag von Engelbert Hellen