Entstehungszeit: | 1895-97 |
Uraufführung: | 30. März 1904 in Wuppertal-Elberfeld (in deutscher Sprache) 1935, Covent Garden Oper, London (in englischer Sprache) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Art: | Lyrisches Drama in 1 Prolog, 3 Akten und 1 Epilog |
Libretto: | C. F. Keary nach einer Erzählung von George Washington Cable |
Sprache: | englisch deutsch |
Ort: | Plantage in Louisiana |
Zeit: | in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts |
Koanga: | ein afrikanischer Prinz und Woodoo-Priester (Bariton) |
Palmyra: | eine Mulattin, Halbschwester von Clotilda (Sopran) |
Don José Martinez: | ein Plantagenbesitzer (Bass) |
Clotilda: | Don Josés Frau (Mezzosopran) |
Rangwan: | ein Voodoo-Priester (Bass) |
Weitere: | acht Plantagen-Töchter (Sopran und Mezzosopran) |
Haltet ein! Haltet ein! Die jungen Töchter der Plantagenbesitzer sind zu einer kleinen Partie zusammengekommen und vom Tanzen ganz erschöpft. Die Luft ist stickig im Raum und man setzt sich nach draußen. Schaut, dort drüben, ist das nicht Onkel Joe? Welch wundervolle Geschichte könnte er uns erzählen. Renée hat nicht viel Mühe, Onkel Joe zu überreden. Die Nacht sinkt hernieder und der gelbe Mond wird bald aufgehen. Und du, lieber Onkel Joe, willst Du uns nicht erzählen von Liebe und Schmerz, Geschichten die schon weit zurückliegen. „Aber es gibt nichts Neues,“ protestiert der Gerufene. Oder soll es die Geschichte vom letzten Mal noch einmal sein? Oh ja, bitte! Es ist die Erzählung von Koanga und Palmyra. Oh, man liebt diese Geschichte. Beginne! Alle lauschen der Stimme des Alten.
Während des Zwischenspieles hat die Nebelmaschine eine Wolke produziert. Diese überbrückt einen Zeitraum von 200 Jahren. Das Bühnenbild hat sich verändert und zeigt den Garten einer Plantage mit Sklavenhütten zur Rechten. Der Prospekt eröffnet den Blick auf ein Zuckerrohrfeld, im Hintergrund begrenzt durch einen Waldsteifen. Es ist dunkel. Nur der Vollmond erhellt die Szene.
Oh, Palmyra kann nicht schlafen. Ihre Gedanken drehen sich und sind weit weg von den Menschen ihrer Umgebung und den Sklaven. Sie kennt kein anderes Leben, aber sie sehnt sich weit fort. Die Sterne beginnen zu bleichen und werden bald ganz verschwinden. Das Horn erschallt, um die Arbeiter aus ihren Betten zu holen. Ein neuer Tag zeigt sein Gesicht, geprägt von Schweiß und Arbeit auf den Feldern.
Palmyra hört die Stimme des Sklavenaufsehers Perez. Dieser fordert die Arbeiter auf, endlich aufzustehen und beschimpft sie als „faulen Haufen“. Oder sie werden seine Peitsche schmecken! Träges Sklavenpack! Alle Türen öffnen sich, um der Stimme des Vorarbeiters zu lauschen. Man reibt sich die Augen und der Alltag beginnt.
„Ah, da kommt Palmyra“ Wie lange muss sie diesen Menschen noch ertragen. Der Aufseher Perez hat sie erspäht. „Oh liebliche Palmyra, weshalb drehst du dich weg?“ Muss er sie ewig verfolgen? So wie die Sonne die Erde wärmt, wärmt ihre Schönheit sein Herz. Sie ist wie eine goldene Lilie auf dem grünen See oder wie der vereinzelte Topas an einem golden schimmernden Armband. Augen, die funkeln wie Sterne, setzen sein Herz in Brand. Perez hat wie gewohnt seinen poetischen Anfall. Haben muss er sie als seine Braut, die liebliche Palmyra. Er versucht sie zu umarmen, aber die heftig Umworbene befreit sich selbst. Nein, das wird nimmer sein. Gewiss will er nur seinen Stolz befriedigt sehen. Er soll sie in Ruhe lassen. „Dummes Mädchen!“ Muss er sie erinnern, dass sie ein Sklavin ist. Nein, sie ist freier, freier als er. Das törichte Kind hat sich gefälligst geehrt zu fühlen, wenn der Aufseher einen Heiratsantrag macht, anstatt hochnäsiges Getue an den Tag zu legen und ins Haus zu rennen. Sie hasse ihn, fürchte ihn aber nicht, weil sie alles der Mistress erzählen wird.
Don Martinez hat einen Sklaven eingekauft. In Ketten wird er dem neuen Besitzer vorgeführt, weil er gefährlich ist. Einen Aufseher hat er bereits mit einem Hieb niedergestreckt. Es ist Koanga. Palmyra erkennt an den Schmucknarben, dass es sich um einen Prinzen aus Dahomey handelt. Der Vorgeführte fleht die Voodoo-Götter an, Rache zu nehmen an seinen Widersachern. Das Blut der Verräter soll in den Mississippi fließen und brennen sollen sie, die Unterdrücker, über tausend Feuern.
Seine Heimat wird er nie wiedersehen, nicht den Quémmé-Fluss, wie er träge dahinzieht, nicht die weiten schattigen Wälder, wo tagsüber die Schlangen zischen und große wilde Tiere ihre Beute bei Nacht jagen. Er vermisst der Felsen Höhe, über die erhabene Adler gleiten und das Wasserloch, wo das Rotwild trinkt in der Abenddämmerung. Das Klopfen in den Adern, wenn er nachts dem Wild hinterher schleicht, ist nicht mehr da. Verraten wurde er und ist nun Gefangener, das Fleisch wurde weggerissen von der Peitsche. Koanga erklärt den Voodoo-Göttern feierlich und aus tiefster Inbrunst, dass er niemals als Sklave gehorchen und arbeiten werde. Er schwört es feierlich. Höret seinen Eid!
Don Martinez hat den Ergüssen des sonst äußerst schweigsamen Menschen aufmerksam zugehört. Kühne Worte für einen Prinzen, aber eines muss er lernen. Die Sklaven, die er gekauft hat aus Übersee, zahlen ihm den Preis zurück durch Arbeit. Señor Perez wird ihm jetzt erzählen, welche Arbeit er zu tun hat.
Der Aufseher ist von dieser Aufgabe nicht begeistert und wendet ein, dass solche Leute zur Arbeit niemals tauglich seien. Er wird nicht gehorchen wollen. Diese Sorte Leute kennt er nur allzu gut. Dann muss eben die Peitsche benutzt werden, entgegnet der Patron, und nach einer kleinen Weile werden wir sehen, wie er für uns arbeiten wird. Aber das wäre Zeitverschwendung! Er würde sich nie unterwerfen, er würde weder stöhnen noch schreien, eher lachend in den Tod gehen. Prinz und Priester sei er über eine wilde Rasse. Sein Stamm müsste sich für ihn schämen. Sein Vater würde sich aus seinem Grab erheben und seine Seele fände keinen Frieden im Tod, wenn der Sohn sich herablassen würde, eine Beschäftigung auszuüben.
Das sei alles Unsinn, korrigiert der also Belehrte. Perez muss einen Weg finden, ihn zu zähmen. Ob Prinz oder Priester, dieser Schwarze ist jetzt ein gemeiner Sklave wie alle anderen auch. Das Geld, welches er für die Atlantik-Kreuzfahrt bezahlt hat, will er durch Arbeit erstattet bekommen, sonst werden die Gebeine in der Sonne bleichen. „Ah“ reagiert Palmyra und die Umstehenden nehmen Notiz von ihr. Könnte nicht sie einen Beitrag liefern, seine Meinung zu wechseln? Wenn Ketten und Peitsche nichts ausrichten, könnte vielleicht ihre Lieblichkeit vorherrschen oder sanftes Streicheln. Das Mädchen ist tödlich erschrocken, möchte nicht für Zwecke benutzt werden, die auch ihrem Stolz entgegenlaufen. Sie fürchtet sich vor Schwarzer Magie, denn Koanga kennt sich mit dem Woodoo-Zauber aus. Señor Martinez sieht den Zauber mehr auf ihrer Seite und das Mädchen startet einen Versuch.
Seite an Seite werden sie arbeiten, und dann wird das Schicksal durchaus zu ertragen sein. Statt den Speer wird er die Sichel schwingen und hat bei der Arbeit genügend Gelegenheit an den trägen Quémmé-Fluß zu denken. Sie findet noch viele liebe Worte von inniger Süße und schafft es tatsächlich, ihn einzuwickeln. Von einer fremden Macht wird ihre Zunge gesteuert, ohne dass sie vom Gehirn kontrolliert wird.
Welche süße Stimme betört da Koangas Ohren. Wie silberne Sturzbäche, die von den Felsen stürzen in Sommers Mittag einschläfernder Stille, ertönt ihm Palmyras Gesang. Wie schnell liebende Worte seinen Ärger zerstreut haben. Vergessen wird er, dass er ein Prinz ist und gemeinsam mit Palmyra als seine angetraute Frau Sklavenarbeit verrichten. In Eile hat der den Woodoo-Göttern geschworen, derartiges niemals zu tun, doch der Quémmé-Fluß ist Weit weg. Er wird die eifersüchtigen Götter um Entschuldigung bitten müssen. Andere sollen Rache nehmen für sein geknechtetes Volks und an seinen eigenen Widersachern.
Gut gemacht Palmyra! Schau dass du ihn immer auf Flamme hältst. Welch ein Vorteil würde es für die Plantage sein, den Dahomey-Prinzen zu gewinnen. Kein anderer Sklave würde es wagen, ungehorsam zu sein gegen einen Voodoo-Priester. Er würde sie kontrollieren und sie würden für ihn mit Freuden arbeiten. Martinez wird einen Aufseher aus ihm machen, dessen Wert nicht mit Gold aufzuwiegen ist und ihm Palmyra zur Frau geben. „Das Mädchen gehört jetzt ihm,“ bestimmt Señor Martinez.
Die Sklaven auf den Feldern singen: „D’lila was a woman fair, pleasant looking with black hair... Let me tell what Samson done. He fought a lion and made him run.”
Perez ist zu Tode erschrocken und macht einen Umstimmungsversuch. Er will Palmyra nicht verlieren. „Aber Sir, sie können doch Donna Clotildas Mädchen nicht einfach ihm geben.“ Wer sagt, er kann sie ihm nicht geben? Señor Martinez ist belustigt. In diesem Moment kommt Donna Clotilda aus dem Haus und Simon flüstert ihr etwas ins Ohr. „Komm Clotilda, Du kannst schon die Vorbereitungen für die Hochzeit treffen,“ befiehlt Don José. Nein, sie muss ihn nicht heiraten. Wie der Herr Gemahl sich das denkt. Palmyra wurde in ihre Obhut gegeben, als sie noch ein kleines Mädchen war. Die Frau des Hauses redet natürlich Unsinn. Sie soll hinschauen, wie der Charme des Hausmädchens bereits zu wirken beginnt. Aber würde sich nicht der Pastor weigern, solch eine ruchlose Tat abzusegnen? Sein Segen reicht vollkommen. Er will jetzt nichts mehr hören und der Confessor wird schon Frieden halten.
Ein großartig angelegtes Vokal-Quartett, in dem jede der beteiligten Personen seinen Empfindungen Ausdruck gibt, beschließt das Finale des ersten Aktes:
Palmyra fühlt bange Vorahnungen in ihrem Herzen vor kommendem Unheil. Das Voodoo wird ihr großen Kummer bringen. Ihr ganzes Leben hat sie in unbestimmter Sehnsucht nach dem Einzigen gerufen. Durch Zauber wurde er ihr gesandt. Nie wird sie Frieden finden.
Koanga überlegt. Hat er wirklich die Zuneigung dieses lieblichen Wesens errungen. Gehört sie tatsächlich ihm? Der große Voodoo-Gott soll ihm zuhören. Vergessen soll er sein Gelübde, welches er im Zorn machte. Er soll ihn nicht verdammen, weil er schwach geworden ist. Oh, das Mädchen soll bei ihm bleiben. Der Eifersüchtige soll auch nicht Rache suchen! Er, der Gott, ist weit weg, aber sie, Palmyra, ist hier. Koanga fleht, fühlt sich unsicher und hat ein schlechtes Gewissen. Wird die Gottheit sich beschwatzen lassen?
Oh, die liebste Mistress war immer so nett und verständnisvoll zu ihr. Nun wird Palmyra ihre milde Sorge verlassen müssen und ein eigenes Leben an der Seite des Gatten führen. Aber nie wird sie vergessen, dass die Mistress es war, die ihr die Mutter ersetzt und wie ihr eigenes Kind behandelte. Doch seitdem sie den Prinzen kennt, welcher der eigenen Rasse angehört, kann sie den Frieden ihres Geistes nie mehr genießen, zu turbulent sind die Ereignisse und ihre Gefühle.
Martinez frohlockt. Die Arrangements sollen getroffen werden. Bald ist sein Geburtstag, doppeltes Fest. Er hat keine Befürchtungen, dass seine Pläne umgestürzt werden könnten. Für Clotildas Einwände hat er taube Ohren. Der Dahomey-Prinz wird den Respekt des Patrons besitzen, es wird ihm gut gehen, wenn er anständig arbeitet und die anderen zur Arbeit anhält. Dafür darf er die Kleine heiraten.
Wie kann Don José ohne ihre Zustimmung ihr treues kleines Mädchen einem Fremden zur Frau geben? Donna Clotilda ist außer sich. Schon als Kind hat sie sich ihrer angenommen und jetzt soll sie ohne ein Wort ihren Dienst verlassen, um einen heidnischen Sklaven, der sich nie bemühte Christ zu werden, nachzufolgen. Der Gemahl verdirbt den Lebensweg dieses armen Mädchens, nur um seine Grillen zu befriedigen.
Simon Perez hätte nie geglaubt, dass Palmyra einen anderen heiraten würde, als ihn, zumal die Mistress wohldisponiert seinen Plänen gewogen war. Gott verdamme diesen Prinzen und Don José und seine Launen. Aber noch ist es nicht soweit. Er wird einen Weg finden, diesen Plan zu durchkreuzen. Mit List wird Palmyra sein werden.
Die Sklaven auf den Feldern singen das Lied von Samson und Dalila.
Clotilda und Perez stimmen darin überein, dass diese Hochzeit auf keinen Falls stattfinden darf. Sie ist ein Desaster. Wenn doch nur einer die Starrsinnige von diesem schrecklichen Akt abhalten könnte. Ihr Mann soll es nicht wissen, aber Palmyra ist ihres Vaters eigenes Kind und somit ihre Halbschwester. Die Ratlose hat niemanden, der Ihr helfen könnte, außer Perez. Aber würde sie zustimmen, wenn er die Halbschwester heiraten würde. Ein Sklave ist nicht das Richtige für die Tochter des Besitzers einer Zuckerrohrplantage. Ihr Wort genüge ihm, und er wird sich etwas ausdenken.
Wie die Zeit vorbeifliegt. Sie fühlt eine Kraft in ihrem Herzen, welche sie gegen ihren Willen fortzieht. Ihr Leben war einsam und eintönig und die Zukunft wird nicht viel Veränderung bringen. Nun hat sie eine Liebe, die sie ihr eigen nennt, mit der sie ihre Freuden teilen kann und die ihre Tränen trocknen wird. Oder ist es ein Traum und wenn sie aufwacht am Morgen, wenn die Welt noch schläft, wird er an ihrer Seite liegen oder wird sie sich wieder allein finden.
Perez möchte, dass die Umworbene ihm zuhört, aber sie will nichts von ihm wissen. Die Hausherrin mischt sich ein. Warum so halsstarrig und stolz? Will sie etwa ihrer Religion und ihrer Konfession abschwören? Das einzige, was Koanga ihr bringen kann ist immerwährende Schande. Was wagt die Mistress ihr zu sagen. Wer hat die Schande über ihr Volk gebracht?
Perez sieht, dass man Palmyra so nicht überzeugen kann. Er bittet Clotilda, sie mit ihm allein zu lassen, weil er einen besseren Plan habe. Perez verrät der Erschrockenen nun das Geheimnis ihrer hohen Herkunft und denkt in seiner Einfalt, nun einen Schritt weitergekommen zu sein. Ein Negersklave und eine Plantagentochter, das passe doch nicht zusammen. Er bringt sich selbst erneut in Vorschlag, ein vergebliches Unterfangen, wie er selbst bald erkennen muss. Sie hasst ihn und er schwört Rache. Clotilda berichtet er seinen Misserfolg. Jetzt muss Gewalt angewandt werden, um die Hochzeit zu verhindern.
Der Tag der Hochzeit ist gekommen. Palmyra ist prächtigen gekleidet und trägt kostbaren Brautschmuck.„Hier kommt der Bräutigam“ verkündet Senor Martinez. In feierlicher afrikanischer Tracht, so wie man sich einen Bräutigam vorstellt, erscheint Koanga. „Komm mein Prinz, begrüße deine Frau. Danach wollen wir zusammen anstoßen.“ Hoch lebe das Paar. Die Sklaven freuen sich und wünschen Glück.
Koanga schaut in die Runde, er nähert sich langsam mit großer Würde Palmyra und legt seine rechte Hand auf ihren Kopf. Seine Stimmung ist gedämpft. Die Schönheit seines Landes kann er ihr nicht zeigen. Dem Ruf seiner Heimat mag er nicht lauschen. Als friedlicher Sklave wird er hier an ihrer Seite die aufgetragene Arbeit angenehm empfinden. Seine Widersacher werden ihn zwar verspotten und an den Feuern in der Nacht wird die Geschichte die Runde machen, Koanga ist ein Sklave. Palmyra versucht ihn aufzuheitern und beteuert ihre tiefempfundene Liebe.
Clotilda schlägt vor, nun Wein miteinander zu trinken. Der Priester könne seinen Service später abwickeln. Getränke werden serviert. Palmyra kniet dem Brauch gemäß vor ihrem Mann nieder und reicht ihm den Becher. Auch Perez toastet mit: Einen Becher Wein auf das Wohl des glücklichen Paares. Den Sklaven geht es heute gut. Ein improvisiertes Ballett tritt auf und tanzt nach kreolischen Rhythmen. Der Chor freut sich: Er wird sie gewinnen heute Nacht, wenn die Sonne untergeht und der Whippoorwill in den Zweigen singt.
Simon Perez sieht seine Stunde gekommen. Begleitet von einigen Kumpanen, greifen sie Palmyra und schleppen sie unter Gewaltanwendung fort. Laut schreit sie um Hilfe, aber Koanga hat Hemmnisse, die veränderte Situation sofort zu begreifen. Wer stiehlt ihm seine einzige Freude? Wer wagt es dem Willen von Don José zu trotzen? Koanga wendet sich an ihn, den er im ersten Moment für den Urheber hält. „Bring sie zurück,“ fordert er den Master auf „Oder mein Fluch wird dich treffen.“ „Erbärmlicher Sklave, mein Stock soll dich zum Zittern bringen.“ Die Menschen flüchten. Koanga bleibt allein zurück, fällt auf die Knie, streckt die Arme aus und bittet die Voodoo-Götter ihren Fluch über seine Widersacher herabzusenden. Er flüchtet in die dunkle Nacht hinaus.
Eine Lichtung in der Wildnis. Ragwaan, ein ranghoher Woodoo Priester erwartet Koanga bereits im Kreise anderer Entlaufener, und begrüßt ihn als mächtigen Prinzen, Führer einer noblen Rasse. Welcher Zauber wird heute nacht stattfinden? Alle Vorbereitungen sind getroffen. Es ist Neumond Selwangas heilige Nacht. Die Götter des Himmels und der Erde werden ihre Macht zeigen. Ein Tier wurde geschlachtet und das Blut ins Feuer gegossen. Die Beschwörung beginnt, es wird schaurig. Die Götter des Voodoo senden Koanga als Strafe für seinen Wortbruch eine furchtbare Vision. Palmyra sieht er wehklagen, ihre einzige Liebe, sie zu beschützen sei weit weg. Ein furchtbarer Schrei ertönt. Das Bild zerfließt und lässt Koanga in furchtbarer Angst zurück. Er ahnt, welches Leid seiner Frau zugefügt wurde.
Gedrückte Stimmung herrscht am folgenden Morgen auf der Plantage. Die Schwarzen haben Angst vor dem Zauber Koangas und befragen den Master nach Palmyra. Sie sei im Begriff gewesen zu heiraten, aber der wilde Dahomey Prinz sei einfach weggelaufen und habe ihn selbst sogar tätlich angegriffen. Die Sklaven möchten, dass der Master Frieden mit Koanga schließt, denn Keiner wird der Macht des Woodoo entkommen. Martinez hat jedoch – so erzählt der seinem Aufsehen - einen Trupp Berittener angefordert, die den Entlaufenden suchen sollen.
Überraschend tritt Paymyra aus einer Hütte und fragt nach Koanga, ob er tot sei. Niemand würde in Zukunft für sie sorgen. Die Schwarzen machen sich eilig aus dem Staub. Perez trägt erneut seine Werbung vor und bekommt die übliche Abfuhr. Koanga wird sie nicht hören, er sei Tausend Meilen weit weg. Er habe den Master angegriffen und darauf stünde schwere Strafe. Palmyra durchschaut seine Lüge.
Koanga steht plötzlich vor ihnen. Bei den sieben ägyptischen Plagen, Pezez wird seine Untat büßen. „Töte ihn wie einen Hund, gönne mir das Vergnügen“ schreit Palmyra ihren maßlosem Hass hinaus. Perez bekommt Angst und flieht. Koanga verfolgt ihn, holt ihn ein und tötet ihn mit seiner Sichel.
Die Berittenen sind soeben eingetroffen und haben die Situation im Griff. Ein gezielter Schuss auf den Fliehenden und Koanga fällt zu Boden. Man trägt den Sterbenden herbei und legt ihn zu Füßen Palmyras nieder. Ein letzter kurzer Abschied der beiden Liebenden von einander. Koanga erliegt seiner Verletzung. Palmyra bietet sich den Voodoo-Göttern als Sühneopfer an und ersticht sich.
Ein Interludium des Orchesters - die Nebelmaschine sorgt für den nötigen Dunst - und wir sind wieder in der Gegenwart. Die Mädchen haben der Erzählung von Onkel Joe gelauscht. Und das ist alles wirklich passiert? Wie schrecklich! Renée wird nicht mehr ruhig schlafen können. Immerzu hört sie Palmyras furchtbaren Schrei. Jeanne, Hélène, Aurore, Olive und Paulette ergeht es genau so.
Frederick Delius war 35 Jahre alt, als er die Partitur zu „Koanga“ beendete. Er wohnte im Quartier Latin in Paris und war so gut wie unbekannt. Zwei Jahre später erhielt er die Gelegenheit, in London ein Konzert zu geben. Der zweite Teil bestand in Auszügen aus seiner neuen Oper „Koanga“. Noch weitere fünf Jahre musste er warten, um seine Oper zum ersten Mal in seiner Gesamtheit hören zu können. Dr. Hans Haym aus Wuppertal-Elberfeld konnte sein widerstrebendes Team schließlich überreden, das Stück zur Aufführung zu bringen. Zu diesem Zweck wurde das Libretto vom Komponisten und seiner Frau ins Deutsche übersetzt. Haym übernahm die Einstudierung und dirigierte selbst einige Aufführungen im Jahre 1904. Dann wurde es still um das Werk.
Die Oper „Koanga“ ist einzigartig und zieht die volle Aufmerksamkeit auf den, der sich mit dem Gehalt und der Musik intensiv beschäftigt. In Delius’ Schaffen stand sie immer abseits, gesondert vom Rest der Musik. Gewöhnlich, wenn der Komponist ein Werk geschrieben hatte, verlor er das Interesse daran. Dieses erneuerte sich kurzfristig, wenn er die Komposition wieder zu Gehör bekam. Für „Koanga“ galt diese Regel nicht. Zu sehr band ihn das Sujet an seine Jugendzeit in Florida, als er dort eine Orangenplantage bewirtschaftete. Es war seine große Sehnsucht, das Werk einmal szenisch in englischer Sprache aufgeführt zu sehen. Diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen.
Letzte Änderung am 15.12.2006
Beitrag von Engelbert Hellen