Ali-Baba oder Die vierzig Räuber / Ali-Baba or The Forty Thieves
Entstehungszeit: | 1833 |
Uraufführung: | 22. Juli 1833 in Paris (Grand Opéra) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Erstdruck: | Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1834 ? |
Bemerkung: | Cherubinis Stil schließt an die Reformen Christoph Willibald Glucks an, der die Oper vom barocken Schwulst befreite und mit klaren einfachen Formen den Klassizismus in Frankreich einläutete. In der letzten Oper des florentinischen Meisters kommen gerade diese Attribute besonders zur Geltung. Es überrascht, dass die Uraufführung in italienischer Sprache 130 Jahre auf sich warten ließ (Mailänder Scala, 1963). Grollten seine Landsleute dem Meister etwa deshalb, weil er sich in Paris etabliert und Italien den Rücken gekehrt hatte? Was lange währt, gelingt oft besonders gut! Die italienischen Version verzichtet auf umständliche Rezitative, durch einen plausibel gestalteten Text werden die kompositorischen Ambitionen des Meisters noch unterstützt. Die musikalischen Strukturen sind einfach und klar und erinnern an Beethoven. Das heißt natürlich nicht, dass im zweiten Akt auf ein festliches Ballett von 15 Minuten Dauer verzichtet werden muss. Die deutsche Version erlebte im Jahre 1835 in Berlin die Aufführung der Gaunerkomödie. Erleichtert nimmt das Publikum zur Kenntnis, dass nicht - wie in der Erzählung aus Tausendundeiner Nacht - Morgiane die vierzig Räuber auf grausame Weise vom Leben zum Tode befördert, sondern Beamte die Verantwortung für tragisches Missgeschick übernehmen. Woher sollten die Gesetzeshüter schließlich wissen, dass sich in den Kaffeesäcken nicht Mokka befindet, sondern Räuber dort einen üblen Plan aushecken? Der grausame Tod von vierzig Menschen lässt den deftigen Humor nicht auf der Strecke bleiben. Nadir soll mit Délia glücklich werden und Ali-Baba sei ein langes Leben vergönnt. |
Art: | Oper in einem Prolog und vier Akten |
Libretto: | Eugène Scribe und Anne Honoré Joseph Duveyrier |
Sprache: | französisch |
Ort: | Wald um den Berg Sesam |
Zeit: | zur Märchenzeit |
Ali-Baba: | Kaufmann aus Ispahan (Bass) |
Délia: | seine Tochter (Sopran) |
Morgiane: | ihre Dienerin (Sopran) |
Nadir: | verliebt in Délia (Tenor) |
Aboul-Hassan: | Vorsteher der Zollbehörde (Bass) |
Ours-Kan: | Räuberhauptmann (Bass) |
Thamar: | sein Vertreter (Bass) |
Calaf: | Schatzmeister der Diebesbande (Tenor) |
Phaor: | Sklave in Ali-Babas Diensten (Bariton) |
Weitere: | Räuber, Soldaten, Zollbeamte, Sklaven und Sklavinnen, Bajaderen, Volk |
Die italienische Version der Oper sieht Ali-Baba nicht als Sympathieträger, denn er steht in dem Ruf, ein alter Geizkragen zu sein, der es nur darauf abgesehen hat, seine Schatzkammern zu füllen. Er scheut sich nicht, seine einzige Tochter an den Meistbietenden zu vermarkten, ohne auf ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen. Diese hat sie an einen armen jungen Mann namens Nadir verloren. Der Unglückliche liebt die Kaufmannstochter ebenfalls, hat aber keine Chance, sie zur Gattin zu bekommen, denn er hat kein Geld - dem Vater ist aber materieller Besitz wichtig. Er sieht seine aussichtslose Lage voller Betrübnis und geht in den Wald, um den Bäumen sein Leid zu klagen: „Speme non v'è, tutto é perduto!“
Doch was sieht sein dreckbespritztes Auge? Drei Männer kommen den Berg herunter und einer von ihnen spricht mit lauter Stimme die deutlich verständlichen Worte: „Sesamo! Sesamo! Apriti!“ Es klingt wie ein magischer Befehl und ist es auch: Der Berg öffnet sich wie von Zauberhand. Die drei Männer, es sind Ours-Kan und seine Komplizen Thamar und Calaf, verschwinden in der Höhle und der Hügel schließt sich prompt mit viel Getöse. Nadir hat genug gesehen - die Höhle ist mit Wertgegenständen und Schatztruhen bis zur Decke gefüllt. Die laut und deutlich gesprochene Formel hat er vernommen und sich gemerkt. Sobald die Luft rein ist, wird er handeln.
Nadir hat zudem noch mitbekommen, dass die Männer planen, eine Karawane zu überfallen. Unverkennbar benötigen die Räuber Platz in der Höhle und deshalb ist es moralisch gerechtfertigt, wenn ein Teil der vorhandenen Schätze vorher umgelagert wird. Die wirklichen Eigentümer des Goldes und der kunsthandwerklichen Gegenstände sind nicht mehr zu ermitteln und die Diebe sollen nun in ihrer eigenen Höhle erfahren, wie schändlich es ist, andere zu berauben. Nadir versucht sein Glück, spricht die magischen Worte „Sesam öffne dich“ und Sesam tut, wie ihm geheißen. Das Wort „Sesam“ ist der Name des Berges und nicht die Kurzform von „Simsalabim“, wird vorsorglich nachgeschoben.
In Ali-Babas Haus finden die Vorbereitungen für Délias Hochzeit mit Hassan statt. Aboul-Hassan ist Vorsteher der Zollbehörde, eine Respektsperson mit geregeltem Einkommen und als Mann in den besten Jahren als Schwiegersohn herzlich willkommen. Den Protest seiner Tochter hört sich der verantwortungslose Vater in Ruhe an, ist von ihren flehenden Worten auch gerührt, aber die Aussicht, an Hassans Reichtümer zu gelangen, bestimmt ihn, an seinem alten Entschluss festzuhalten. „Sposa sarà, si, si, la figlia mia!“ Der Opernchor genießt die Hochzeitsstimmung: “Oh, qual fortuna! Oh, quale gioia!”
Die Weise einer klagenden Flöte dringt aus Richtung Straße in den Palast. Sofort erkennt Délia die Melodie. Morgiane meldet den Besuch eines hübschen jungen Mannes, der den Brautvater sprechen möchte. Die Dienerin ist von seiner Erscheinung begeistert: „Dio com'è bello.“
Eine gute Nachricht bringt der Vorgelassene mit. Seine Vermögenslage habe sich erheblich gebessert und er besitze nun zehnmal mehr Geld als sein Rivale. Délia fleht den Vater an, den alten Bräutigam zu verjagen und den neuen Bewerber zu akzeptieren. Auch wenn es gegen die guten Sitten verstößt, lässt der Brautvater sich tatsächlich umstimmen. Nadir hat stichhaltige Argumente. Er stachelt die Gier des Kaufmanns an und erzählt ihm, dass er nicht nur zahlreiche Sklaven sein eigen nennt, sondern auch arabische Kamele und tatarische Pferde in Fülle besitze. Ali-Baba kann nicht lange standhalten - seine Raffgier geht mit ihm durch - und Nadir bekommt den Zuschlag. Die Hochzeitsfeier mit seiner Person im Mittelpunkt an Délias Seite wird fortgesetzt. Das Glück des Paares ist jedoch nur von kurzer Dauer.
Aboul-Hassan lässt sich nicht sang- und klanglos verabschieden. Machtvoll droht er mit Sanktionen. Ali-Baba horte in seinem Gewölbe unverzollte Ware, tönt er - es seien vierzig schwere Säcke, mit dem zollpflichtigen Genussmittel Mokka gefüllt. Hassans Alternative an den alten Gauner lautet, dass Délia entweder wieder an seine Seite wechselt oder der Kadi furchtbar zuschlagen wird. Ali-Baba steckt in tausend Nöten! Wird er am Ende der betrogenen Betrüger sein? Der Verschlagene kann keine andere Lösung finden, als sein Versprechen an Nadir zurückzunehmen und Aboul-Hassan die Braut zurückzugeben. Damit wäre die Ehrenkränkung gesühnt und Hassan ist versöhnt.
Wer hätte das gedacht? Nadir gelingt es, den Rivalen zu bewegen, auf den Besitz von Délia zu verzichten und tritt ihm als Gegenleistung einen Teil seines Vermögens ab. Ist Aboul-Hassan etwa noch besitzwütiger als Ali-Baba? Nicht zu fassen, dass er leichten Herzens auf das schöne Mädchen verzichtet, um welches er zuvor nachdrücklich gekämpft hat!
Ali-Baba drückt seine Furcht aus, Nadirs Reichtum könne nun weggeschmolzen sein, doch dieser versteht zu trösten: Leere Truhen kann er jederzeit wieder auffüllen - er sei reicher als jemals zuvor. Das ist Musik in Ali-Baba Ohren. Sicherheitshalber befiehlt er seinem Diener Phaor, die Kaffeesäcke aus dem Blickwinkel zu rücken und auf seine Festung Erzerum zu schaffen.
Ein bisschen suspekt ist dem Raffgierigen die Sache schon. Allzu gern hätte er die Art und Weise erfahren, wie Nadir urplötzlich zu Vermögen gekommen ist. Ali-Baba denkt, dass er die Zunge des Zurückhaltenden bei Ausgelassenheit und Tanz lösen wird und gibt ein kleines Fest.
BALLETTMUSIK
Die beabsichtigte Wirkung tritt nicht ein. Nun muss der Schweigsame unter Druck gesetzt werden. Das Mädchen wird aus seinem Blickwinkel geschafft und soll Phaor auf die Zitadelle Erzerum begleiten. Dort wird sie bleiben, bis Nadir sich entschließt, zu sprechen. Der Verliebte kann ohne Délia nicht leben und lässt sich überreden, das Geheimnis zu lüften. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt der Gedrängte von dem Berg Sesam und wie man mittels eines Zauberspruchs in die Höhle gelangt, um sich dort völlig zwanglos an den angehäuften Schätzen gütlich zu tun. Ein Gespür für Fairness hat Ali-Baba nicht, so dass er unaufhörlich daran denkt, die Wertsachen in seinen Besitz zu bringen. Sesam soll sich auch für ihn öffnen, doch er vergisst, sich die Zauberworte aufzuschreiben. Ein schwerwiegender Fehler, wenn sich im vorgerückten Alter Gedächtnisprobleme einstellen!
Das Pech will es, dass Délia auf der Reise nach Erzerum von Räubern überfallen wird. Nadir ist sich sicher, dass Aboul-Hassan für die Entführung verantwortlich zu machen ist und ruft seine Männer zu den Waffen, um die Geliebte zu befreien. „Presto andiamo!“
Délia befindet sich aber nicht in der Obhut Aboul-Hassans, sondern in der Diebeshöhle. Diese ist der Unterschlupf von vierzig Räubern, von denen Ours-Kan, Thamar und Calaf, ihr Schatzmeister, anwesend sind. Sie träumen von Reichtum und Luxus und diskutieren ihre letzten Raubzüge. Die Beute war armselig, doch mit Délia haben sie einen guten Fang gemacht.
Die Ganoven verlassen vorübergehend ihr Versteck. Wenn doch nun der Vater endlich käme, um sein Kind zu befreien! Schon ist er da: „Al solo dire: Sesamo! La roccia s'è aperta.“ Doch die Luft ist nicht rein. Die Strolche kommen mit Verstärkung zurück, damit sich ein Räuberchor bilden kann. Ali-Baba fällt das Zauberwort nicht ein, welches die Höhle öffnet, damit er flüchten kann. Die Bande will den Gefangenen sogleich töten, doch Délia verhandelt und hat Erfolg. Den Schatzmeister kann sie für ihre Idee gewinnen, denn sie erklärt ihm, dass der seltene Besucher ein reicher Kaufmann sei und gewiss ein hohes Lösegeld einbringen wird.
Doch der Geizkragen denkt nicht daran, tausend Dukaten für seine Rettung zu bezahlen, eher würde er sterben, als sich von einer solch hohen Summe zu trennen. Délia befindet sich in Bedrängnis und unterbreitet den Räubern einen Plan, wie an das Geld heranzukommen ist. In der Tat verdient eine solche Summe es, stilvoll überreicht zu werden. In der Zitadelle von Erzerum soll bei einem festlichen Diner mit Tanz und Musik das Geldgeschenk an den Mann gebracht werden.
Von Morgiane erfährt der todtraurige Nadir, dass der Vater mit zwei unbekannten Männern in Erzerum angekommen ist. Die Dienerin denkt, dass die beiden Männer den Schlossherrn aus drohender Gefahr befreit haben. Doch Délia klärt Morgiane über ihren Irrtum auf. Es sind keine ehrenwerten Kaufleute, sondern der Räuberhauptmann Ours-Kan und sein Buchhalter. Böses führen sie im Schilde!
Man hält Kriegsrat. Nadir überwältigt zunächst den Schatzmeister, während sein Chef das Schloss inspiziert. Doch Morgiane ist ein schlaues Mädchen. Sie hat beobachtet, wie völlig unbekannte Männer die Säcke mit den Kaffeebohnen entleeren und selbst hineinkriechen. Was hat das zu bedeuten? Ist etwa zur Nachtzeit ein Überfall geplant?
Das Fest beginnt und wird durch den Tanz von Sklavenmädchen belebt. Doch plötzlich dringt Gepolter in den Festsaal. Ours-Kan denkt, dass es seine Männer sind, die nun den Überfall starten. Im Gegenteil, es ist Aboul-Hassan, der mit seinen Beamten nach dem Schmuggelgut sucht und nun unfreiwillig zum Retter wird. Er befiehlt, die Säcke in Brand zu stecken, um die vierzig Räuber zu rösten. „O celeste giustizia!”
Letzte Änderung am 26.1.2009
Beitrag von Engelbert Hellen