Friedrich Cerha (1926-2023):

Baal

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1974-80
Uraufführung: 7. August 1981 in Salzburg (Salzburger Festspiele)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Spieldauer: ca. 195 Minuten
Erstdruck: Wien: Universal Edition

Zur Oper

Art: Oper in zwei Teilen (zu 25 Bildern)
Libretto: Friedrich Cerha nach Bertold Brecht
Sprache: deutsch
Ort: Deutschland
Zeit: Nachkriegszeit

Personen der Handlung

Baal: ein Gewalttätiger auf der Suche (Bariton)
Ekart: ein Freund (Bass)
Johannes: ein Freund (Tenor)
Mech: ein Fabrikant (Sprechrolle)
Emilie: seine Frau (Mezzosopran)
Johanna: die Braut von Johannes (Sopran)
Sophie: Baals Freundin (Sopran)

Handlung

1. Akt:

Erstes Bild: SOIRÉE

Auf einer Abendgesellschaft hat Baal eigene Gedichte vorgetragen und erzielt damit ungeteilte Bewunderung. Vier nickende alte Herren melden sich nacheinander zu Wort: der erste findet die Verse himmlisch; der Ton sei gut getroffen worden. Diese raffinierte Einfachheit! Der zweite lobt die fabelhafte Technik. Himmlisch, phänomenal! Baal trinkt ein Glas in einem Zug. Seine Umgebung beachtet er nicht.

Der Gastgeber - angeblich sein früherer Arbeitgeber - gesteht ganz offen, dass er es empörend findet, diesen Mann jetzt in solch elenden Verhältnissen vorzufinden. Die Leute müssen wissen, dass er diesen Meister in seiner Kanzlei als Schreiber angestellt hatte. Er bezeichnet es als Schande, dass unsere Gesellschaft es zulässt, solch eine Persönlichkeit zum Tagelohn arbeiten zu lassen. Jawohl! Es ist eine Schande, bestätigt der dritte Kopfnicker. Sein Entdecker - Mech heißt er - wendet sich mit großer Geste an Baal und prophezeit ihm, dass sein Genie noch die Welt erobern wird. Er ist stolz darauf, dass man seinen Salon als die Wiege seines Weltruhms bezeichnen wird. Baal hebt sein Glas und trinkt auf sein Wohl.

Piller will ein Essay über ihn schreiben. Er habe die Zeitungen hinter sich! Ein junger Mann will wissen, wie der liebe Meister es nur mit dieser verfluchten Naivität macht. Das sei ja homerisch! Der vierte ältere Herr nickt mit dem Kopf. Eine junge Dame erinnert er mit seinem Stil eher an Walt Whitman. Aber sie hält ihn natürlich für bedeutender. Piller versucht, sich zu steigern und bringt Verlaine ins Gespräch.

Baal ruft den Kellner; er soll ihm noch bitte von dem Aal bringen. Er denkt, wenn er isst, muss er nicht Konversation machen. Die junge Dame wendet sich dem jungen Mann zu, der neben ihr steht, und meint, dass der Dichter eine bedeutende Hoffnung sei. Was heißt hier Hoffnung, er ist eine Erfüllung - eine Hoffnung ist er selbst auch.

Zwei Herren haben ganz andere Sorgen und führen Börsengespräche. Der Weizen stünde schon bei 49 - Fabelhaft! Weiß der andere schon, dass Baumann & Co. gestern die Zahlungen eingestellt hat? Mech erzählt, dass er Zimthölzer kaufe! Ganze Wälder Zimthölzer schwimmen für ihn die brasilianischen Flüsse abwärts. Aber er würde auch seine Lyrik herausgeben.

Emilie fragt Baal, ob es stimmt, dass er in einer Dachkammer wohne? Wenn sie es genau wissen will: Er wohnt Klauckestraße 64. Nun lasst doch den Mann mal in Ruhe essen. Kunst sei doch auch Arbeit. Nimmt er Cognac? Es ist noch alles da. Eine ältere Dame schiebt vorbei und äußert, dass breite Hüte vollkommen unmodern seien. Eine jüngere setzt dagegen, dass die kleinen hohen von Meyers himmlisch sind. Mech macht einen Gedankensprung und empfiehlt Baal zu reisen. Die abessinischen Gebirge wären etwas für ihn. Plötzlich fasst Mech einen Entschluss. Er will seine Lyrik herausgeben und die Zimthölzer schwimmen lassen. Baal schlägt etwas anderes vor: Weiße Hemden könnte er gebrauchen, aber sie müssten weich sein. Macht er sich nichts aus dem Verlagsgeschäft? Emilie schwärmt von Baals Gedichten. Er sei darin so zart.

Baal wendet sich an Mech: Es schwimmen Zimthölzer für Sie, Mech? Abgeschlagene Wälder? Emilie bittet Baal, dass er nicht so viel trinken soll. „Handeln sie nicht auch mit Tieren, Mech?“ „Sind sie dagegen?“ Baal streichelt Emiliens Arm und wendet sich eisig an Mech: „Was gehen sie meine Gedichte an?“ „Ich wollte Ihnen einen Gefallen tun!“ Piller versucht Baal abzulenken, der langsam unleidlich wird. Er wendet sich Emilie zu und fragt, ob sie immer in weiten Ärmeln gehe. Jetzt muss er aber mit dem Wein aufhören.
„Jetzt schwimmen die Hemden hinunter, die Lyrik ist schon hinunter geschwommen!“ nimmt Piller die Konversation auf. „Mech sagt, dass ihm alle Tiere des lieben Gottes gefallen. Aber mit den Tieren kann man nicht handeln! Kommen sie meine Herrschaften!“ Baal erkundigt sich bei Johannes, wie der Herr heiße, und bekommt den Namen Piller genannt. „Piller, Sie können mir altes Zeitungspapier schicken!“ Piller wird wütend, Baal sei Luft für ihn, auch für die Literatur sei er Luft. Aber Emilie hält zu ihm. Sie weiß nicht, man sollte sich um ihn kümmern!

Baal sitzt unbeweglich vor seinem Glas und denkt an die Sintflut und die Arche Noah, in welcher alle Tiere
Platz hatten und sich alle einträchtig neben einander aufhielten. Nur der Ichthyosaurus ist nicht gekommen, weil er im Moment keine Zeit hatte. Man machte ihn darauf aufmerksam. Dass die Flut kommen würde. Aber er sagte, dass er daran nicht glaube. Baal glaubt, dass er selbst auch nicht eingestiegen wäre.

Der Diener kommt, verbeugt sich steif und überreicht ihm seine Garderobe. Baal quittiert mit einem Fußtritt. „Was erlauben sie sich, sie versoffenes Genie!“ Es kommt zur Massenkeilei.

Zweites Bild: VOR BAALS DACHKAMMER

Die Wohnung ist ziemlich schäbig; überall bröckelt der Putz ab. Baal unterhält sich mit seinem Freund Johannes über dessen Geliebte ziemlich ungeniert. Im Traum hat er gesehen, wie sie von einem Mandelbaum beschlafen wurde. Die knorrigen Äste umschlangen ihren unschuldigen weißen Leib. Wenn er sie umarmt, zittert sie wie Espenlaub; sie ist erst siebzehn. Wenn Frauen gebären, endet es meistens mit einem ungeheuren Schrei, als würde ein neuer Kosmos zur Welt kommen, dabei ist es nur eine kleine Frucht. Die Liebe ist so, wie man eine Orange zerfleischt, dass einem der Saft in die Zähne schießt.

Drittes Bild: WIRTSSTUBE

Zwei Chauffeure, einer bürgerlicher aussehend als der andere, sitzen etwas abseits an einem Tisch; an der Theke steht die Kellnerin Luise. Meint doch der eine zum anderen: Der Mensch, der nicht arbeitet, ist ein Geschwür am gesunden Leib der Gemeinde und muss herausgeschnitten werden. Er sollte es so ausdrücken: Er ist ein Luxus. Die Frage ist einfach gestellt: Ist er nötig oder nicht? Er ist nicht nötig. Opern sind auch nicht nötig. Er hat solchen Quatsch noch nie gesehen und ist mit dieser Einstellung ganz zufrieden. Dagegen kennt er einige Menschen, die nach Poesie hungern. Das sei eine Frage nach dem Genie; nein, das ist nur für Genies eine Frage.

Baal kommt herein, gesellt sich zum Chauffeur Horgauer, der mit der Kellnerin Luise an der Theke steht, und hält ihm einen Vortrag über den Abend bei Mech. Es hat dort Streit gegeben, weil er seinen Wein ausgespuckt hat und jetzt läuft ihm seine Frau nach und er hat es satt, sie am Hals zu haben. Geil sind die Weiber wie die Stuten, aber dümmer - ihnen gehört der Hintern versohlt.

Johannes kommt und stellt Baal seine Braut Johanna vor. Johanna freut sich, weil ihr Freud ihr einige von seinen Liedern vorgelesen hat. Johanna bekennt, dass sie sehr eifersüchtig auf Baal ist, weil Johann immer von ihm schwärmt. Sie soll es ruhig zugeben, dass sie in ihn verliebt ist. Es ist jetzt Frühjahr und er wartet auf Emilie. Da kommt sie auch schon.

Emilie ist empört, dass er sie hierher bestellt hat! Lauter Gesindel und dazu noch eine Branntweinschenke.“ „Luise, einen Korn für die Dame!“ Emilie argwöhnt, dass Baal sie lächerlich machen will. „Nein, Du wirst trinken. Mensch ist Mensch!“ Aber er sei kein Mensch. Luise hält das Glas hin und umarmt sie. Emilie sucht absolut Streit und Baal fragt, ob sie nicht noch lauter schreien kann.

Johannes findet es interessant hier, wie das einfache Volk singt und seine Späße treibt. Horgauer hat sich zu dem beiden anderen Chauffeuren an den Tisch gesetzt und spielt Karten mit ihnen.

Johanna will mit Johannes schon aufbrechen, aber Baal protestiert: Der Himmel sei violett, besonders wenn man besoffen ist. Emilie mischt sich ein: Immer, wenn er zu viel getrunken hat, schwatzt er dummes Zeug. Sie bereut, dass sie hergekommen ist. „Merkt sie das erst jetzt?“

Die Kartenspieler haben einen Disput: „Trumpfsau, gestochen.“ Johanna will mit Emilie Brüderschaft trinken. Baal nimmt die Gitarre von der Wand, gesellt sich zu den Kartenspielern und stimmt „Die Ballade von de Evelyn Roe“ an:

„Als der Frühling kam und das Meer eine intensive blaue Farbe angenommen hatte, fand die junge Evelyn keine Ruh. Sie bat den Kapitän, sie mit ins Heilige Land zu nehmen, sie muss zu Jesus Christ. Sie soll mitfahren, weil er und die Mannschaft aus Narren bestehen und sie so herrlich ist. Ihre Seele gehört dem Herrn Jesu Christ. Er wird es ihnen lohnen, denn sie sei nur ein armes Weib. Der erwähnte Herr ist schon gestorben und kann die Passage nimmermehr bezahlen. Aber wenn sie den Matrosen ihren süßen Leib zur Verfügung hält, kann sie mitkommen.

Sie fuhren hin in Sonn' und Wind
und liebten Evelyn Roe.
Sie aß ihr Brot und trank ihren Wein
und weinte immerzu.

Sie tanzte nachts, sie tanzte tags.
Sie ließen das Steuer sein.
Evelyn Roe war so scheu und so weich;
sie waren härter als Stein.

Evelyn wunderte sich, weshalb die Reise so lange dauerte und fragte den Kapitän, wann sie in des Herrn heilige Stadt ankommen würden. Der Kapitän lachte und küsste sie. Schuld daran sei allein Evelyn Roe.

Die tanzte nachts, sie tanzte tags.
Da war sie wie ein Leichnam matt.
Und vom Kapitän bis zum jüngsten Boy
hatten sie alle satt.

Sie trug ein seiden' Gewand auf dem Leib,
der siech und voller Schwielen war,
und trug auf der entstellten Stirn
ein schmutzzerwühltes Haar.

Nie seh' ich dich, Herr Jesu Christ
mit meinem sündigen Leib.
Du darfst nicht gehen zu einer Hur'.
Ich bin so ein armes Weib.

Sie lief wohl lang von Raa zu Raa,
und Herz und Fuß taten ihr weh:
Sie ging wohl nachts, wenn's keiner sah;
sie ging wohl nachts in die See.

Sie überließ sich den dunklen Wellen und die
wuschen sie weiß und rein.
Nun wird sie wohl noch vor dem Kapitän
im heil'gen Lande sein.

Als im Frühling sie in den Himmel kam, schlug Petrus die Tür vor ihr zu. Gott hatte ihm gesagt, dass er mit der Dirne Evelyn Roe nichts zu tun haben will. Doch als sie in die Hölle kam, riegelten die Teufel die Tür auch zu. Mit der frommen Evelyn Roe wollen sie auch nicht nicht gemein sein. Sie ging durch Wind und durch den Sternenraum und wanderte immerzu. Sie wankte oft, nie blieb sie steh'n. Die arme Evelyn Roe.“

Baals Dichtkunst wird allgemein gelobt. „Einen Sherry-Brandy für den Herrn!“ Horgauer fragt, ob er das alles eigenhändig selbst gemacht habe. Der erste Chauffeur sagt, dass er Achtung vor jeder Leistung habe, sei es auch nur auf wenigen Gebieten. Wenn er sich auf etwas Nützliches werfen würde, könnte er geradezu Spediteur werden, ergänzt der zweite. So einen Schädel müsste man haben, gibt Horgauer noch eins drauf. Baal erwidert, dass der Schädel allein nicht ausreiche, es gehöre auch noch ein Hinterteil dazu.

Ekart, ein anderer Trunkenbold, will Baal ein ein besseres Lokal entführen. Er drückt sich sehr poetisch aus, kann aber nichts erreichen. „Komm, sagt er, Bruder Baal, wie zwei weiße Tauben fliegen wir selig ins Blau! Flüsse im Frühlicht, Gottesäcker im Wind, und der Geruch der unermesslichen Felder.“ Johanna mahnt Herrn Baal, dass er standhaft bleiben soll und setzt ihren Willen durch.

Viertes Bild: BAALS DACHKAMMER

Johanna scheint früher schon einmal mit Baal liiert gewesen zu sein. Es spielt sich eine häusliche Szene ab, die sich um Schlafen und Waschen dreht.

Fünftes Bild: WIE NUMMER VIER

Baal hat zwei Schwestern zu Besuch. Für die Liebe scheint ihnen das Zimmer zu hell. Die jüngere will, dass sich die älteste Schwester zuerst auszieht, denn das letzte Mal war sie zuerst an der Reihe. Wenn sie fertig sind, können sie zu ihm kommen. Baal dauert die Prozedur zu lange und erklärt barsch, dass beide zugleich dran kommen. Die Ältere bringt das Gespräch auf ein Mädchen, das ins Wasser gegangen ist. Sie hieß Johanna. Weiß man warum? Die Mutter klopft nun an die Tür! Um Gottes Willen, machen Sie auf! Die Schwestern zanken sich, ob Baal die Tür nicht lieber zulassen sollte.

Sechstes Bild: WIE NUMMER VIER UND FÜNF

Baal hat einen Disput mit einer Dame, die er brutal hereinschleift. Dies sei seine Kammer und sie solle lieb zu ihm sein! Vorher fängt er Streit mit Johannes an und will ihn rausschmeißen. Johannes ist stocksauer, weil Baal sich an seine Johanna herangemacht hat.

Sophie nimmt ihn in Schutz und reklamiert, dass ihm der junge Mann doch nichts getan habe und bittet, sie fortzulassen. Er macht die Tür weit auf: „Im ersten Stock unten müssen Sie rechts gehen.“ Er sei ihr nachgelaufen und habe sie unten vor der Tür aufgehoben. Man wird sie hier finden. Hier wird sie niemand finden! Sie kennt ihn gar nicht. Was will er ihr tun? Wenn sie so summ fragt, kann sie gleich wieder gehen. Aber er habe sie auf offener Straße überfallen und sie weiß überhaupt nicht, wieso sie noch da ist? Da kann er ihr Auskunft geben. Er soll bitte nicht schlecht von ihr denken. Warum nicht? Sie sei ein Weib wie jedes andere. Der Kopf ist verschieden, die Knie sind alle schwach. Er reißt sie in die Arme und sagt: „Ich heiße Baal!“ Er sei so hässlich, dass man erschrickt. Sie heiße übrigens Sophie Barger. Sophie lässt sich zum Bett führen und legt den Kopf an seine Brust. Wie alt ist sie eigentlich, will er noch wissen. Siebzig, höhnt sie. Hat er richtig gehört? Dann ist sie das Böse gewohnt.

Siebtes Bild: STRASSE; VOR EINER NIEDRIGEN SCHENKE

Es ist am Morgen des Fronleichnamtages. Die Kirchenglocken läuten, so dass es Baal ganz schummrig ums Herz wird. Wenn nur sein Magen nicht so schwach wäre. Er sollte ein neues Leben anfangen: still, friedlich und beschaulich. Wäre er etwas frommer, würde er gewiss ein guter Christ sein. Er kann niemanden leiden sehen. Von fern hört er eine Prozession näher kommen; eigentlich könnte er da mitgehen. Zuschauer sammeln sich an der Schenke. Buben reißen Zweige von den jungen Birkenbäumchen ab. Er klopft an den Fensterladen, ruft den Wirt heraus und macht ihn auf den Missstand aufmerksam, nachdem er einen Jungen beim Kragen genommen hat.

Weiß er dann nicht, dass es an Fronleichnam Brauch ist, Häuser und Plätze mit frischem Grün zu schmücken? Er soll sich doch beruhigen. Es sei eine viehische Rohheit, junge Bäume abzuschlagen, protestiert Baal. Er solle bitte nicht die Heiligkeit der Prozession stören. Oder hat er keine Religion im Leib? Mörder, was haben euch die jungen Birken getan? Ruhe! Polizei! Ein Wahnwitziger! Hut ab, vor dem Allerheiligsten! „Polizei!“ „Saustall!“ Die Polizei kommt: Ruhe, nur keinen Skandal, der Herr kommt mit zur Wache! Jawohl! Abführen!

Achtes Bild: MAINACHT UNTER BÄUMEN

Baal ist wieder mit Sophie zusammen und sie nächtigen im Wald, weil ihm seine Wirtin die Unterkunft gekündigt hat. Hört er, wie der Regen durch die Blätter tropft? Sophie hat einen Tropfen auf dem Hals gespürt. Sie möchte sich in ihm verkriechen, weil sie nackt ist. Er ist betrunken, schwankt und der Himmel ist schwarz. Ihre alte Mutter denkt bestimmt, dass sie ins Wasser gelaufen sei, weil sie seit drei Wochen nicht zu Hause war. „Jetzt sind es drei Wochen, sagt die Geliebte in den Baumwurzeln, als es dreißig Jahre waren. Und da war sie schon halb verwest“, spottet Baal.

Neuntes Bild: KABARETT

Baal hat bei Mjurk eine Anstellung in dessen Kabarett gefunden. Was er vorträgt und mit seiner Gitarre begleitet, ist ein Loblied auf das „stille Örtchen“. Es sei ein Ort, mit dem er zufrieden ist - drüber die Sterne und drunter Mist. Vereinbart ist, dass er mit Schnaps bezahlt wird. Sein Durst ist unermesslich, doch während der Vorstellung gibt es nichts zu trinken. Wenn er keinen Schnaps bekommt, gibt es auch keine Lyrik. Er soll nicht so viel saufen, sonst kann er eines Nachts überhaupt nicht mehr singen, meint Mjurk. Wozu singt er dann? Mjurk hebt hervor, dass er ihn eigenhändig entdeckt habe. Wann hat je eine so feine Seele in einem solchen Fettkloß gesteckt? Wenn er heute als Persönlichkeit dasteht, tut er es trotz seines Talents, denn damit verstimmt man die Leute nur. Der Fettkloß macht den Erfolg, nicht die Lyrik; sein Schnap saufen ruiniere ihn noch. Baal hat die Diskussionen um den vertraglich vereinbarten Lohn satt. Er will abhauen. Mjurk versteht seine Gereiztheit überhaupt nicht, er verdient doch enorm. Er solle seine Geliebte an die frische Luft setzen. Er drängt Baal einen Frack auf, halbnackt gehe man bei ihm nicht auf die Bühne. Aus Protest geht Baal ohne Gitarre in die Vorstellung, er zieht den Frack nicht an.

Es gibt Vorschussapplaus und Baal lässt ein obszönes Couplet vom Stapel:

„Hat ein Weib fette Hüften,
leg ich sie ins grüne Gras,
Rock und Hose tu' ich lüften
zärtlich, denn ich liebe das.

Treibt das Weib die schöne Sache
feurig doch im Übermaß;
geb' ich ihr die Hand und lache
freundlich, denn ich liebe das.“

Die Leute trampeln und pfeifen. Doch Ball schickt sich an zu verschwinden. Er wird seine Nummer zu Ende singen wie es vertraglich vereinbart ist oder er holt die Polizei, poltert Mjurk. „Weitersingen“ fordert sein Publikum, doch Baal ist auf dem Abort verschwunden. Mjurk hämmert mit der Faust gegen die Tür. Zum Teufel, er verbietet ihm sich einzuschließen! Mjurk öffnet die Tür mit Gewalt, doch der Geier ist ausgeflogen. Das Klofenster steht offen. „Ohne Schnaps keine Lyrik!“ kommentiert der Kellner schadenfroh.

Zehntes Bild: NACHTCAFÉ

Ekart und Baal sitzen in einem Nachtcafé. Baal wird von der Polizei gesucht und vorher will er ihm seine Freundin Sophie andrehen. Ein Polizist tritt an seinen Tisch, legt ihm die Hand auf die Schulter und verhaftet ihn im Namen des Gesetztes. Ekart hat eine solche Situation schon lange kommen sehen. Sophie schreit auf und klammert sich an ihn. Hat er wieder Unglück gehabt? Sie will mit ihm gehen! Das Schicksal komme wie eine weiße Wolke in der Dunkelheit, die bald wieder verschwinden wird. Der Polizist erklärt der gnädigen Frau, dass er nur seinen Dienst versieht.

Elftes Bild: GEFÄNGNISZELLE

Baal sitzt mit seiner Gitarre auf einer Bank und erhält Besuch vom Gefängnisgeistlichen. Beide können sich nicht leiden und verschaukeln sich wortgewandt gegenseitig. Der Pfarrer hatte sich erhofft, dass die seelischen Qualen in ihm eine Stimmung erzeugt, die ihn für die Religion empfänglich macht. Müßiggang sei aller Laster Anfang. Baal stimmt ihm zu. Er hat keine Ehrfurcht. Fürchtet er nicht die Macht der Gesellschaft, die er zu seinem Feind gemacht hat, dass sie ihn einfach erdrückt, weil er überall anstößt wie an diese vier Wände? Er lebe von der Feindschaft. Ihn interessiert alles, soweit er es fressen kann. Töten ist keine Kunst, aber auffressen! Jeder wird einmal müde, und dann wohin mit ihm? Dann wird der Pfarrer kommen oder er wird schlafen, erst wenn er für ergiebige Träume gesorgt hat. Er sinkt immer tiefer! Dank seines Schwergewichtes tut er es mit Genuss. Es geht mit ihm abwärts, aber er denkt, er geht gut. Er sei demütiger als er.

Nichts sei so furchtbar als die Einsamkeit. Bei ihnen sei keiner allein. Sie seien alle Brüder. Es war bisher sein Vorsprung, dass er allein war. Er möchte keinen zweiten Mann in seiner Haut haben. Der Pfarrer sei gekommen, um ihm die Ruhe seiner Seele wiederbringen. Er soll ihm den blauen Himmel, eine Hand voller Ähren, weiche Frauenarme und die Freiheit geben, dass er hingehen kann, wo er will. Das ist die Ruhe seiner Seele!

Er wird einmal für alles bezahlen. Er hat schon bezahlt! Er hat im Dreck gelegen und für die Schönheit hat er sich zum Krüppel schlagen lassen. Sie haben ihn so lange geprügelt, dass er jetzt eine Hornhaut hat, hinter der er ab und zu sogar zartfühlend sein kann. Jetzt sollen die anderen sogar schuld sein an seinem Verbrechertum? Der Geistliche beschimpft ihn als aufgedunsenen Kosmos und tollwütigen Hamster, den er nun den Würmern überlässt. Er knallt die Tür hinter sich zu. Die Pfaffen soll der liebe Gott holen!

Zwölftes Bild: GRAUER GEFÄNGNISHOF

Baal erhält Besuch von seiner Mutter. Er legt zärtlich seinen Arm um sie und geht mit ihr im Gefängnishof spazieren. Jetzt beginnt ein neues Leben, Mama. Er will arbeiten, dass seine Muskeln springen. Sie wird
es gut haben. Wird es auch dabei bleiben? Er sei voller Kraft. Die Einsamkeit habe ihm wohl getan. Aber alle sind gegen ihn. Baal ist zuversichtlich. Es sei, als ob ein Wall um sie herum wäre. Sie beide gehören zusammen, gegen alle. Die Mutter will von der Vergangenheit nichts sagen, aber sie sei voller Sorge. Dass aber auch so ein Lümmel aus ihr herauskroch, vor dem sie zittern musste! Aber ab jetzt wird alles anders.

Der Wärter verkündet, dass der Vorstand beschlossen habe, dass er frei sei. Beide sind gerührt. Baal nimmt die Mutter auf den Arm, nimmt seine Gitarre und schreitet mit ihr aus dem Gefängnistor ins Freie.

2. Akt:

Erstes Bild: BÄUME AM ABEND

Baal wird von der Polizei gesucht. Er sucht Schutz im Wald bei den Holzfällern. Diese betrauern einen Kameraden, der bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen ist und im Gras liegt. Er wurde von einem Baum erschlagen. Im Leben stand er wie eine Eiche. Er war nicht gleich tot, er litt noch. Ein guter Bursche war er, der Teddy. Früher hatte er irgendwo einen kleinen Laden. Das war seine Glanzzeit. Baal beugt sich über den Leichnam und flüstert, dass er jetzt seine Ruhe hat und sie ihre Unruhe haben. Beides ist gut. Der Himmel ist schwarz. Die Bäume zittern. Am Horizont blähen sich die Wolken auf. Man kann essen. Nach dem Schlaf wacht man auf. Er nicht! Es wird geblödelt: Baal kommt nicht daher, wo gearbeitet wird, bemerkt ein Holzfäller bissig. Baal lobt, dass Teddy fleißig und freigebig war, auch war er verträglich? Davon übrig bleibt als Tatsache, dass Teddy nicht mehr ist. Wo er wohl jetzt weilt? Baal zeigt auf ihn. Hier ist er! Was geschieht jetzt mit ihm? Er hat keinen, der ihn will. Er war nur für sich allein auf der Welt.

Einer der Holzfäller hat einen guten Einfall. Wie wäre es, wenn sie auf das Wohl von Teddy etwas trinken? Baal hält den Vorschlag für unsittlich. Quatsch, unsittlich! Aber was sollen sie denn trinken? Schnaps! Baal stimmt für den Antrag; Schnaps ist sittlich. Was für einen? Natürlich Teddys Schnaps. Baal findet es eine Schande. Und warum? Nun, es ist Teddys Eigentum. Das Fässchen darf nicht zerbrochen werden. Teddy hat eine Frau und fünf arme Waisen. Man streitet über die Anzahl. Es seinen nur vier. Baal empört sich. Wollen sie etwa den armen Waisen den Schnaps ihres Vaters wegsaufen? Ein Holzfäller meint, dass Teddy überhaupt keine Familie hatte. Eine Familie hatte er nicht, aber Waisen. Aber der zweite Holzfäller überlegt, dass die Waisen Teddys Schnaps wohl nicht saufen werden. Gut, aber es ist Teddys Eigentum. Die Kumpel werden ärgerlich, weil Baal nur schwatzt, aber keinen Verstand hat. Er muss verrückt sein, dass er keinen Schnaps will. Sie wollen ohne ihn zu Teddys Schnaps gehen.

Der Schnaps ist nicht mehr da. Das Fässchen Brandy lag immer unter Teddys Bett. Baal wird verdächtigt, das Fässchen schon ausgetrunken zu haben. Wo war der Leichenschänder, der Schweinehund, der Beschützer von Teddys armen Waisen? Nichts ist erwiesen, verteidigt sich Baal. Doch die Meute fällt über ihn her. Er faselt nur noch dummes Zeug. Sie sollen den Himmel über den Bäumen anschauen, der jetzt dunkel wird. Ist das nichts?

Zweites Bild: EBENE, HIMMEL, ABEND

Sophie beklagt sich, dass sie von Baal schlecht behandelt wird, nachdem sie von ihm schwanger ist. Sie kann nicht mehr weiter. Warum läuft er so? Sie hängt an seinem Hals wie ein Mühlstein und er spielt mit dem Gedanken, sie auf die Straße zu setzen. Ekart empört sich, dass er sie in ihrem Zustand allein lassen will; er bleibt jedenfalls bei ihr. Ach, das ist ja noch schöner! Ihretwegen will er sich von ihm verabschieden. Sophie sagt, dass sie nichts dafür kann, sie würde auch noch seinen Leichnam lieben. Baal will nicht wissen, was sie mit Ekart getrieben hat, als er im Knast saß. Hat er sie ihm nicht an den Hals geworfen? Er soll sein verfluchtes Maul halten, solange sie daneben steht.

Sie soll sich trollen und ihre dreckige Unterwäsche nicht in seinen Tränen waschen. Ekart setzt sich zu Sophie und rät ihr, zu ihrer Mutter zurückzukehren. Doch sie fleht Baal an, dass er sie schlagen soll, wenn sie ihm zu langsam geht; so lange sie noch Füße hat, will sie versuchen sein Tempo mitzuhalten, aber er soll sie nicht davonjagen. Sie soll sich mit ihrem dicken Leib in den Fluss legen, denn jetzt hat er sie endgültig satt bis an den Hals. Jetzt wird Ekart rabiat: Wieso steht das verkommene Vieh überhaupt noch da? Ist es im Schnaps oder in der Lyrik ersoffen?

Aber wenn die Nacht kommt und es dunkel wird, fürchtet Sophie sich. Angst braucht sie nicht zu haben, in ihrem Zustand tut ihr keiner was. Sie soll zu den Flößern gehen. Heute ist Sankt Johannis, und da sind sie besoffen. Baal zieht Ekart mit sich fort. Es wird dunkel und da müssen sie ein Nachtquartier haben. Im Gehölz gibt es Mulden, wo kein Wind hinweht. Er will ihm etwas über Tiere erzählen. Sophie steht allein im Dunkeln, schreit in äußerster Verzweiflung: Baal, Baal, Baal, Baal, Baal und stürzt dann hin.

Drittes Bild: SPITALSCHENKE

Die beiden Freunde treffen hier auf Bolleboll, Maja und Gougu. Es ist zweifelhaftes Gesindel und man führt eine bizarre Unterhaltung über Krankheiten wie Lungenspitzenkatarrh, Krebs und Magengeschwüre. Die Dialoge sind konfus und man gerät schnell in Streit miteinander. Zum Schluss bewirft man sich mit Trinkgläsern.

Viertes Bild: LAUBDICKICHT, FLUSS DAHINTER

Baal ist lyrisch zumute. Er sitzt im Laubwerk „Das Wasser ist warm, auf dem Sand liegt man wie Krebse. Dazu das Buschwerk und die weißen Wolken am Himmel.“ Er ruft nach Ekart und gibt eine Liebeserklärung von sich. Hat er die Wolken vorhin gesehen? Ja, sie seien schamlos. Vorhin ging ein Weib vorüber. Baal mag keine Weiber mehr.

Fünftes Bild: LANDSTRASSE, WEIDEN, MORGENDÄMMERUNG

Ekart schläft im Gras und Baal hält seine Gitarre und vertont „Das Lied vom ertrunkenen Mädchen“: Als sie ertrunken war und hinunterschwamm von den Bächen in die größeren Flüsse, schien der Opal des Himmels sehr wundersam, als ob er die Leiche begünstigen müsse.

„Talg und Algen nisteten sich bei ihr ein,
so dass sie langsam viel schwerer ward;
kühl schwammen die Fische an ihrem Bein...“

Man philosophiert miteinander: „Die großen Städte strecken ihre Gelenke über die alte Landschaft. Wir sind die letzten, die die ebene Fläche noch sehen. In neunundvierzig Jahren kannst du das Wort Wald ausstreichen. Der Mensch wird dann auch verschwinden.“ „Weil er kein Herz mehr hat“, ergänzt Ekart.

Sechstes Bild: JUNGE HASELSTRÄUCHER

Baal sitzt unter den Zweigen eines Haselstrauches, als eine junge Frau vorbeikommt und sich erkundigt, wo sein Freund sei. Er soll ihm sagen, dass sie hier war. Er lädt sie ein, sich neben ihn zu setzen, doch sie will lieber stehen. Er sagt, dass er in letzter Zeit zu viel Eier frisst und befürchtet, in die Zoologie zurückzufallen. Sie überhört die Bemerkung und sagt nur, dass sie seinen Freund liebt.

Er fragt, was sie ihn angehe, greift nach ihr, um sie an sich zu drücken. Sie reagiert heftig und bedeutet ihm, dass er sie nicht anlangen soll, denn er sei ihr zu schmutzig. Er fasst sie an die Kehle und fragt, ob das ihr Hals sei. Weiß sie auch, wie man Tauben oder Wildenten im Gebüsch still macht? Die Frau ist erschrocken und versucht sich loszureißen. Mutig sagt sie ihm unverblümt, dass er sie in Ruhe lassen soll. Sie fällt ja um, sie wollte wohl zwischen die Weiden gelegt werden. „Mann ist Mann!“ - er fällt über sie her. Sie zittern und bittet, dass er sie loslassen soll. Er schimpft sie eine „schamlose Wachtel“ und schleift sie ins Gebüsch.

Siebtes Bild: AHORN IM WALD

Ekart macht Baal Vorwürfe, dass er sich noch überfrisst und schließlich platzen wird. Den Knall möchte er noch erleben. Er hat ein Lied gemacht: Will er es hören? Es heißt „Der Tod im Wald.“ Es handelt von einem Mann, der im ewigen Wald starb, wo ihn der Wind umbrauste. Er starb wie ein Tier im Wurzelwerk verkrallt und starrte in die Wipfel. „Unnütz bist du und wild wie ein Tier. Eiter bist du, Dreck, du Lumpenhaufen. Sonne frisst du weg in ekler Gier. Hol der Teufel alle Sünden. Oh, trotz Hunger und Geschwür. Leben will ich, Eure Sonne schnaufen.“

Ekart unterbricht ihn. So weit ist es jetzt mit ihm gekommen. In der letzten Zeit hat er viel Lyrik gemacht. Uns er hat wohl schon lange kein Weib mehr gehabt.

Baal steht auf, streckt sich und schaut in die Wipfel des Ahorns, die vom Wind bewegt werden und beginnt zu lachen, zuerst still, dann lauter, schließlich schallend, bis das Orchester einfällt. Ekart begreift, dass er das Mädchen getötet hat.

Achtes Bild: KAMMER VON BAALS MUTTER

Baal besucht seine Mutter und begründet sein Erscheinen damit, dass er sie wieder einmal sehen wollte. Er sieht sie groß und still an und erkundigt sich nach ihrem Befinden. Er klopft seine Sprüche, dass jetzt alles besser wird. Sie sei ganz zusammengefallen, als wolle sie sich absichtlich kleiner machen. Das ist auch kein Wunder in dem elenden Loch. Alles wird anders. Er verspricht es, denn jetzt will er endlich etwas tun.

Er kommt nicht ohne Erfolge. Nicht nur die Polizei weiß, wer er er ist. Damit ist es vorbei. Er arbeitet jetzt: Große Bücher wird er schreiben, das hatte sie wohl nicht erwartet. „Kind, wie geht es Dir?“ Sehr gut meint er, Sicherheit vortäuschend. Er wird ein ordentliches Haus kaufen mit einem Garten dazu. Und sie bekommt eine Magd. Sie lächelt still und als er den Kopf herunter auf die Decke beugt, fährt sie über sein Haar. Plötzlich sinkt sie zurück und ruft nach Luft. „Baal, Baal, hilf!“ Er nimmt sie ungeschickt auf den Arm und will sie zum Fenster tragen. Sie stirbt und er legt sie zurück auf das zerwühlte Bett. Baal ist erschüttert und er ruft ihr noch zu, dass in drei Wochen die Kirschblüten aufbrechen. Kleine Mutter, nennt er sie zum Abschied und dann geht er hinaus in die Abenddämmerung.

Neuntes Bild: IN DER BRANNTWEINSCHENKE

Die Gesellschaft trifft sich wie gewohnt in der Branntweinschenke. Vom Tod von Baals Mutter hat man vernommen und rechnet, dass er vorbeikommt, um sich Geld für die Beerdigung zu leihen. Der Wird ist ein anständiger Kerl und spendiert auch etwas für Getränke, besonders wenn die Leiche eine Mutter war. Horgauer fragt Johannes, ob ihm etwas weh tut und er sagt, dass es schade um ihn ist. Horgauer ist gegenteiliger Ansicht und meint, dass Baal mit der Zeit immer ekelhafter wurde Ekart nimmt ihn in Schutz; er nehme ihm nie irgendetwas übel, er sei wie ein Kind.

Baal kommt zur Tür herein. Was sei das hier für ein armseliges Loch geworden. Hier habe sich nichts verändert, nur er sei, wie es scheint, feiner geworden. Johannes meint, hier sei es doch wirklich gemütlich. Er spendiert Baal einen Schnaps. Manchmal träume er schauerliches Zeug. Seine ertrunkene Freundin geht ihm durch den Kopf; sie war doch erst siebzehn. Der grüne Tang im Haar steht ihr nicht übel, ein bisschen verquollen und weißlich schaut sie aus, gefüllt ist sie mit stinkendem Flusstang, gefunden hat man sie noch nicht. Johannes ist geistig umnachtet, Horgauer aber auch. Was ist Fleisch? Es zerfällt wie Geist. Meine Herrn, er sei vollkommen besoffen, aber er habe Ahnung von einer höheren Welt. Sie sollen sich beugen und demütig sein und den alten Adam ablegen. Dann fällt er geräuschvoll vom Stuhl.

Plötzlich entschlossen greift Baal nach seiner Gitarre und zerschlägt damit die Lampe. Er kommt nach vorn und kündet an, dass er einen musikalischen Vortag halten wird.

„Von Sonne krank und ganz von Regen zerfressen,
geraubten Lorbeer im zerrauften Haar
hat er seine ganze Jugend, nur nicht ihre Träume vergessen,
lange das Dach, nie der Himmel, der drüber war.“

Baal unterbricht, greift sich an den Hals, als ob ihn etwas würgen würde. Seine Stimme sei nicht ganz glockenrein! Er stimmt seine Gitarre und Ekart ermuntert ihn, dass er weitersingen soll.

„O ihr, die aus Himmel und Hölle vertrieben!
Ihr Mörder, denen viel Leid geschah!
Warum seid ihr nicht im Schoß eurer Mütter geblieben,
wo es stille war und man schlief und war da?“

Horgauer findet das Lied gut und stuft es bei der Romantik ein. Er zieht sich mühsam am Tischrand hoch und wird ärgerlich, weil er wegen der Dunkelheit sein Glas nicht findet. Es ist doch schön im Dunkeln. Mit dem Champagner im Leib und mit dem Heimweh ohne Erinnerung. Plötzlich pflaumt er Ekart an, ob er sein Freund sei? Dieser bestätigt es, aber er solle weitersingen.

„Schlendernd durch Höllen und gepeitscht durchs Paradies
still und grinsend, vergehenden Gesichts
träumt er gelegentlich von einer kleinen Wiese
mit blauem Himmel drüber und sonst nichts.“

Ekart sitzt mit Luise auf dem Schoß, versucht ihren Arm von seinem Hals zu lösen, steht mühsam auf und fragt Baal, was er habe, seine Eifersucht sei lächerlich. Mit einem Ruck zieht er im Jähzorn das Tischtuch mit den Gläsern und dem Geschirr herunter und brüllt: „Warum soll ich keine Weiber haben?“ Baal wirft sich auf seinen Freund und der Tisch fällt um. Die beiden ringen miteinander. Der betrunkene Horgauer lacht und sieht, wie Baal ein Messer zückt. Die beiden Chauffeure wollen Frieden stiften und schreien: „Auseinander!“ „Loslassen!“ „Haltet ihn!“ Luise sieht das Messer in Baals Hand und ruft nach Jesus und Maria. Horgauer sieht, wie er zusticht. Baal läuft zur Tür, sieht zurückschauend, was er gemacht hat. Mit dem Ausdruck des Bedauerns sagt er wehmütig und ganz leise „Ekart“ und verschwindet in der Finsternis.

Zehntes Bild: EINE DIELE MIT OFFENER TÜR UND OFFENEN FENSTERN

Baal geh zur Theke, bestellt sich ein Bier und trinkt hastig in langen Zügen. Zum Solo des Saxophons beginnt Baal zu tanzen, zuerst langsam und dann vital, wenn auch etwas schwerfällig. Er ist vollkommen fremd in dem Tanzlokal, doch die Scheu ist bald überwunden. Er greift sich ein Mädchen, welches sich an der Theke mit dem Wirt unterhält und denkt, dass sie nichts anderes im Kopf hat, als mit ihm zu tanzen. Sie fordert ihn auf, sie loszulassen, doch er umfasst sie nur noch heftiger, ohne die ablehnende Haltung zu Kenntnis zunehmen. Die anwesenden Burschen werden aufmerksam und es gibt Ärger. Der Fremde wird als verdammter Schweinehund beschimpft und zur Tür hinausgedrängt. Er soll verschwinden, aber wo soll er hin? Er reißt sich den Hemdkragen auf und wischt sich den Schweiß von der Stirn „Dreckhammel, blöder“ wird er noch beschimpft. Die Burschen gehen auf ihn los! Die Situation entspannt sich erst, als er draußen ist. Unklug agiert und dumm gelaufen, lieber Baal!

Elftes Bild: LANDSTRASSE AM ABEND

Baal wird von der Polizei verfolgt. Sie vermuten, dass er nach Norden den Wäldern zugelaufen ist. Der Nieselregen nervt sie. Wer ist er denn eigentlich? Vor allem ein Mörder. Und was macht er den ganzen Tag? Alles Mögliche: Zuvor Varieté-Schauspieler und Dichter, dann Holzfäller, Liebhaber einer Millionärin, Zuhälter und Zuchthäusler. Bei einem Mord fassten sie ihn. Wegen einer Kellnerin, einer eingeschriebenen Dirne, erstach er seinen besten Freund. Riesenkräfte hat er, dabei ist er im Wesen ziemlich kindisch.

So ein Mensch hat gar keine Seele. Er gehört zu den wilden Tieren. Wenn nur irgendwo Schnaps zu haben wäre?

Zwölftes Bild: BRETTERHÜTTE IM WALD

Auf seiner Flucht ist Baal bei den Holzfällern im Wald angekommen. Man überlässt ihm eine schmutzige Matratze und er muss sich ihr Gespött gefallen lassen.

„Was willst Du? Du pfeifst ja aus dem letzten Loch. Das sieht ja ein Kind, und wer interessiert sich für Dich, hast Du jemand? Na also, Zähne zusammen. Mitunter beißen Burschen ins Gras, die noch Spaß an mancherlei hätten. Aber Du hast ja nicht einmal Papiere. Habe keine Angst: Die Welt rollt weiter, kugelrund, morgen früh pfeift der Wind.“

„Stelle Dich doch auf einen etwas überlegenen Standpunkt. Denke dir, eine Ratte verreckt. Na also, nur nicht aufmucksen.“

„Gibt es noch Luft für Dich, Dicker? Sing eins.“ „Lass ihn, er ist ein kalter Mann, bevor der schwarze Regen aufhört.“ „Mischt die Karten!“ Einer der Holzfäller lästert: „Mit Stinken könntest Du Dir morgen ein wenig einteilen. Wir schlagen Holz bis Mittag und wollen dann essen.“ Baal will sie mit einer Geste am Gehen hindern. Könnten sie nicht noch etwas dableiben, fleht er schwer atmend. „Sollen wir Mama spielen?“ Er soll allein verrecken. „Du bist eine völlig erledigte Angelegenheit“ Baal sagt „Danke.“ Die Männer sind weg und Baal kriecht in die Mondnacht hinaus.

Dreizehntes Bild: FRÜHE IM WALD

Einer der Holzfäller interessiert sich dafür, was ein Mensch denkt, bevor es ans Sterben geht. Kaum hörbar habe er ganz hinten in der Gurgel geröchelt: Er höre noch auf den Regen.


Letzte Änderung am 6.12.2015
Beitrag von Engelbert Hellen