John Cage (1912-1992):

Europera

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1987/1990
Bemerkung: Der Titel ist ein Wortspiel aus "Europa", "Oper" und dem englischen Pronomen "Your", das Cage so erkärt: "Die Europäer haben uns jahrhundertelang mit ihren Opern überschüttet - und jetzt gebe ich ihnen das Ganze auf einmal zurück."

Beschreibung

Europera 1 & 2:

In dem zweigeteilten Stück treten 19 Sänger und Sängerinnen (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor, Bariton, Bassbariton, Bass) auf, die im wesentlichen nach Noten nicht mehr geschützter Komponisten singen. Es handelt sich bei Europeras 1 wie auch 2 um ein Potpourri bekannter, berühmter, vielgespielter Opernmelodien, ohne dass aus den einzelnen Musikstücken ein sinnvoller Zusammenhang konstruiert werden könnte, zumal der Computer entscheidet, zu welchem Zeitpunkt nun die einzelnen Orchesterinstrumente ihre Fragmente aus der 200jährigen Operngeschichte abliefern. Die schwarz-weiße Beleuchtung, die historisch-folkloristischen Kostüme, aber auch die Requisiten sind von der "Handlung" und von dem, was gesungen wird, vollkommen unabhängig; alles ist von allem getrennt. Die Solisten haben selbst ausgewählt, was sie bringen wollen, und brauchen auch keinen Dirigenten, da sie sich mit Uhren selbst kontrollieren.
Alles in allem wird also ein Kunterbunt von Melodien, die aus Tonwerken der Opernliteratur entnommen sind, geboten. Wenn auch verschiedentlich eine Handlung im konventionellen Sinn angedeutet wird oder aus möglichen und unmöglichen Situationen herauszulesen wäre, bleibt alles ein Torso oder im surrealistischen Nonsens stecken. Die in ihrer Präzision bewundernswerte Aufführung dauert über zwei Stunden (Europera 1: 90 Minuten / Europera 2: 45 Minuten) und bietet ein wohltönendes Opernsammelsurium mit köstlichen parodistischen Szenen, also gute Unterhaltung.

Europera 3 & 4:

Mit acht Sängern, zwei Pianisten und zwölf Grammophonen dauern die "Europeras 3" genau 70 und die "Europeras 4" 30 Minuten. Es werden Opernarien gesungen, Operntranskriptionen gespielt, und schließlich hört man gar zwölf Grammophone mit weiteren Opernstückchen, die mehr oder weniger verzerrt und selbstverständlich tantiemenfrei sind. Eine Handlung oder wenigstens eine Andeutung davon ist nirgendwo zu erkennen.

Europera 5:

In Europera 5 (60 Minuten) treten nur noch zwei Sänger und ein Techniker in Erscheinung. Ein Pianist hat Zufallsoperationen zu vollbringen, leer flimmert ein Fernsehbildschirm vor sich hin, stumm ragt der Trichter eines Grammophons empor. Hat Cage nur an eine alte Kultur voller Subjektivität und Emotionalität erinnern oder auch auf den Geisteszustand eines europäischen Bildungsbürgers und dessen seelisches Mobiliar hinweisen wollen?


Letzte Änderung am 26.10.2003