Franz Adolf Berwald (1796-1868):

Estrella de Soria

Allgemeine Angaben zur Oper

Entstehungszeit: 1841-48, rev. 1861
Uraufführung: 9. April 1862 in Stockholm (Königliches Theater, zweite Fassung)
Besetzung: Soli, Chor und Orchester
Erstdruck: Stockholm: Musikaliska konstföreningen, 1883
Verlag: Kassel: Bärenreiter, 1993 (BA 4917, Sämtliche Werke Band 17, Seiten 663-842)
Bemerkung: Die schwedische Übersetzung, die anlässlich der Uraufführung zum Tragen kam, besorgte Ernst Wallmark. Für eine moderne Fassung zeichnet Ture Rangström verantwortlich. Er ging behutsam vor, um den dramatischen Fluss, wie er im 19. Jahrhundert üblich war, nicht zu gefährden.

Berwald hatte die Ambition, sich an die französische Grand Opéra anzulehnen, ohne indes seinem Ideal wesentlich nahe zu kommen. Die Geschichte vom siegreichen Eroberer, der eine hochstehende Dunkelhäutige liebt und in Opposition zu seiner bodenständigen Geliebten gerät, vertonte schon Meyerbeer in seiner „Afrikanerin.“ Mit der „Königin von Golconda“ zog Berwald nochmals nach.

Die Uraufführung an der Königlichen Oper in Stockholm fand international Beachtung. Doch ein dauerhafter Erfolg war dem Werk nicht beschieden, denn schon nach fünf Aufführungen wurde sie vom Spielplan abgesetzt. In jüngster Zeit hat man das Werk wieder aus der Versenkung geholt, denn Schweden hat musikgeschichtlich auf dem Gebiet der Oper wenig anzubieten.

Zur Oper

Art: Große romantische Oper in 3 Akten
Libretto: Otto Prechtler
Sprache: deutsch
schwedisch von Ernst Wallmark
Ort: Kastilien
Zeit: 15. Jahrhundert

Personen der Handlung

Estrella: Gräfin von Soria
Salvaterra: kastilianischer Feldherr
Zulma: eine schöne Maurin
Muza: ein Maurenfürst
Sambrano: Freund Salvaterras
Diego: Hofnarr
Der König von Spanien

Handlung

1. Akt:

Salvaterra kann den Jubel seiner Getreuen nicht genießen und sich an nichts mehr erfreuen. Der Liebe süßer Zauber plagt ihn. Ausgesandt wird der magische Strahl von der schönen Maurin Zulma, die sich als Kriegsgefangene im spanischen Lager befindet. In entscheidender Feldschlacht hat Salvaterra den Maurenfürsten Muza besiegt. Der spanische Feldherr pflegt seinen Stolz und kennt seine Pflichten. Deshalb muss er sich damit begnügen, dass ein Traumbild ihm nahe stand. Noch heute trennt sie das Geschick, trotz allem, Zulma war sein ganzes Glück.

Dabei stehen seine Aktien gar nicht schlecht. Die schöne Feindin gratuliert ihm zu seinem Sieg und macht aus ihren zarten Gefühlen keinen Hehl. Im Geiste hat sie gesehen, dass sich um seine Schläfen ein grüner Lorbeerkranz windet. In bangen Stunden webte sie eine Schärpe, die sie ihm nun als Geschenk überreicht. Entzückt nimmt der Überraschte die Gabe an, das Textil wird ihm stets teuer sein. Er soll die Gabe getrost an sich nehmen, denn seine Anwesenheit hat den Schmerz ihrer Gefangenschaft deutlich gelindert.

„Selbst wenn ihr Mund noch verschweigt,
dass ihr Herz sich zu ihm neigt,
kündet doch ihr süßer Blick
ihm der Liebe goldenes Glück.

Seine Augen bergen nicht,
was sein Herz in Liebe spricht.
Wie fühlt Zulma sich beglückt,
dass sein Wesen sie entzückt.“

Beim wilden Schwerterklang hat sie stets an ihn gedacht. Edel, wie sie vor ihm steht, kann man sie nur mit einer Göttin vergleichen. Doch schon vergeht der süße Traum, zerrinnt des Glückes Bild wie Schaum. Zulma versteht nicht, weshalb ihr Liebling zögert. Er soll ihr kundtun, weshalb er nicht zugreift. Salvaterra hat Bedenken, weil er glaubt, dass Muza ihr ebenfalls teuer ist. Blanker Unsinn, zu dem Landsmann war sie nur zutraulich, weil ihr Vater es so bestimmt hat. Nun ist der Erwähnte in der Schlacht gefallen und das Mädchen zeigt sich dem Himmel dafür dankbar. Zulma formuliert ihr Stoßgebet auf schwedisch: „Jag fri! O gud hur jag tackar dig!“ Freude schwellt die trunkene Brust. Ach, er ist sich dessen kaum bewusst.

Muza drängt auf Einhaltung des gegebenen Versprechens, die Geliebte und ihn selbst nach Beendigung des Krieges gegen Lösegeld freizugeben. Das Theaterpublikum fragt sich natürlich, weshalb der Krieg überhaupt begonnen wurde. Ein bisschen Lösegeld kann die Ursache wohl nicht gewesen sein. Klirrte man mit den Waffen nur zum Scherz oder war die Kriegskasse plötzlich leer? Salvaterra verkündet prahlerisch, dass er sein Wort noch nie gebrochen habe. Der König hat Frieden verliehen und nun werden die Fesseln gelöst. Muza muss zu seinem Ärger feststellen, dass Zulma ihn nicht nach Hause begleiten will. Der Enttäuschte wird nachdrücklich:

„Zulma zögre länger nicht!
Lass uns eilen, folge mir.
Denk, o Teure, deiner Pflicht,
dein Verlobter spricht zu dir.“

Das Vaterland kann ihr gestohlen bleiben. Zulma rührt sich nicht vom Fleck. „Jag stanna här.“ Salvaterra kämpft zwischen Pflicht und Liebe. Er fühlt, dass sein Geschick sich hier enthüllen wird.
Muza kleidet seine Empörung in schöne Verse:

„Min död, allt hopp är släckt.
Var sorgen för bestämd?
Mitt ursinne är väckt,
det ropar efter hämmd.“

Der Endreim ist gut vorweggenommen:

„Die Hoffnung ist zerstört.
Wo treibt die Wut mich hin?
Mein Innerstes ist empört,
vor Rache glüht mein Sinn.“

Salvaterra nimmt den Mohren nicht weiter ernst. Sein tiefster Wunsch wurde erhört und er hofft, dass er bald Erfüllung finden wird. Kein Wahn hat Zulma betört - es ist das höchste Glück, dass ihr Herz nun ihm gehört. Die beiden sollen vor ihm erbeben, denn Muza wird nun den Eingebungen der Hölle folgen. Salvaterra und Zulma sollen nicht denken, dass nun Freude in ihr Herz einziehen wird. Der stolze Held soll sich hüten. Muza wird ihm Zulma entreißen.

SZENENWECHSEL

Es gibt noch jemanden auf der Welt, der den siegreichen Helden verzweifelt liebt. Es ist die Titelheldin, ihres Standes Gräfin von Soria und Verwandte des Königs. Estrella hat von der neuen Liebschaft ihres Favoriten Wind bekommen. Nun steht sie am Rande des Abgrunds. Das kranke Herz möge seine Schläge mildern. Heiße Qualen schüren den Brand der Eifersucht. Die Wände ihres Schlosses sollen Antwort geben und bestätigen, dass er sie nicht vergessen hat und noch liebt. Welches Los ist ihr beschieden? Sie braucht dringend Gewissheit. Bald wird der Verräter vor ihr stehen.

2. Akt:

Sambrano erklärt Zulma, dass sie nichts zu befürchten hat und sie soll ihm vertrauen. Zulma hat Muza gesichtet und denkt, dass sie nun beide verloren sind. Sie soll ihm mit ihrem Gefolge schnell in die dunkle Höhle folgen. Er weiß Rat. Doch Muza ist bereits vor der Höhle angekommen und rät seinen Leuten, leise zu sein. Der Chor ist zuversichtlich: „Jetzt ist die Schöne sicher dein, des Ritters Ende soll es sein.“ Die Freunde sollen Fackeln bringen, damit sie in die Höhle eindringen können. Muza wird gleichzeitig von Liebe und Hass geplagt, doch der Chor rät zur Besonnenheit. Die Höhle hat einen geheimen Ausgang. Sambrano und Zulma gelingt die Flucht. Muza hat das Nachsehen:

„Auf fremdem Pfad in dunkler Nacht
Nicht finden kann ich sie,
noch wilder ist mein Zorn entfacht,
so heiß tobt er noch nie.
Mein Leben selber setzt ich ein,
mein muss die Ungetreue sein.
Ja! Fest ist mein Wille, mein Entschluss,
die Rache nur bringt mir Genuss!“

Sie hat das Herz verachtet, das Lieb und Treu' ihr schwor; hat seinen Sinn umnachtet, die Flamme zuckt empor. Er eilt ihr nach, wohin es sei. Wohlan, die Hölle steht ihm bei.

Es muss nachgetragen werden, dass Sambrano Salvaterras Freund ist. Ihm wurde aufgetragen, die Geliebte auf Umwegen in sein Schloss zu bringen. Muzas Opposition blockiert den ungehinderten Ablauf der Entführung. Offenbar denkt Salvaterra nicht daran, Zulma zu ehelichen, sondern er betrachtet sie als seine Mätresse.

SZENENWECHSEL

Estrella hängt in der Warteschleife. Wird das Liebesglück ihr nun lachen oder auf ewig vor ihr fliehen?

„Die Qualen toben wilder
in meinem kranken Herzen.
Der Hoffnung süßer Bilder,
sie weichen finsteren Schmerzen.
Lass ab, du bittere Qual,
stoße ganz den Stahl
in meine Brust
es floh schon lange
der Liebe süße Lust.“

Es ist das Schicksal der Gräfin von Soria, dass der Geliebte nichts mehr von ihr wissen will. Unaufhörlich bedauert sie sich und ihre Klagen finden kein Ende.

SZENENWECHSEL

Der König von Spanien hat die Hochzeitsfeierlichkeiten arrangiert. Es strahlt das Entzücken aus allen Blicken. Die Harfe klingt zum vollen Chor und Jubel dringt ringsum empor. Als Gatte Estrellas ist Salvaterra vorgesehen. Doch der verräterische Hofnarr Diego macht Estrella auf die Schärpe, die er trägt, aufmerksam und verrät ihr, dass es ein Geschenk ihrer maurischen Nebenbuhlerin sei.

Salvaterra durchschaut die Intrige nicht und gibt sich verständnislos. Doch Estrella hat begriffen:

„Schmählicher Verrat,
mich erdrückt der Schmerz!
Zulmas Schärpe
schmückt sein falsches Herz.“

Auf Schwedisch klingt der dramatische Ausbruch so:

„Sländlighet och skam!
Et förräderi!
Se på skärpet!
Det med Zulmas färger.“

Diegos Schadenfreude ist grenzenlos: „Zulmas Schärpe, schön gestickt, ist es das, was sie entzückt?“ Woher soll der König wissen, welche Vorbehalte sich Estrellas bemächtigen? Er gibt Befehl, das Fest zu beginnen.

Die Polonaise wird durch einen Tumult abgebrochen. Muza erscheint und tritt als Ankläger auf. Er behauptet, Salvaterra habe ihm die Braut geraubt. Ist das wahr? Muza zieht das Schwert hervor, hat aber mit der Waffe wenig Übung und verliert den Zweikampf. Der tödliche Ausgang erzürnt den König und ohne zureichende Aufklärung über die Hintergründe bricht ein Strafgericht über den armen Schlachtenlenker herein.

3. Akt:

Am schönen Meeresstrand wartet Zulma auf ihren Salvaterra, um mit ihm in ihre Heimat zu entfliehen. Estrella hat einen Energieschub bekommen und ist ihnen mit einer Schar bewaffneter Männer auf den Fersen. Ihr Geist ist ein wenig umnebelt, denn sie flüstert ihren Leuten gute Ratschläge zu:

„Leise folgt mir nach.
Euer Blick sei wach
und lauscht auf jeden Hauch
Ja, späht in jeden Strauch.“

Nun ist es das Herz Zulmas, welches verzagt. Es kommt zum Dialog zwischen den verfeindeten Damen. Estrella erkennt die Maurin nicht sogleich, weil sie verschleiert ist. Wer mag das Mädchen sein, welches vor Angst nicht reden kann? Estrella nimmt ihr die Gardine vom Gesicht und erkennt die Rivalin.

„Der Tag der Rache kam,
es ist ein süßes Fest.
Er lindert ihren Gram,
der nicht vom Herzen lässt.“

Umsonst fleht Zulma um ihr Leben. Ihrer harrt der Tod. Estrella soll doch ihrer Angst gnädig sein. Nein, die Rache fordert Blut! Zulma sinkt der letzte Mut.

Ein Bewaffneter Estrellas führt Zulma auf die nächstliegende Felsspitze. Er hat die Aufgabe, die Flehende dort herunterzuschubsen.

Estrella kann von ihrer Eifersucht nicht lassen: „Schlägt die Glocke siebenmal, trifft Zulma ihrer Rache Stahl.“ Ein Gewitter zieht auf. Die Naturgewalten sind offensichtlich mit der Lynchjustiz nicht einverstanden.

Der Chor hält zu den Liebenden und fleht, dass der Himmel rechtzeitig einen Blitz senden möge. „Himmel! Himmel! Hämnas detta däd! För hennes brott finns ingen näd.“

Salvaterra kommt rechtzeitig hinzu, macht aber keinen Versuch, die Geliebte aus ihrer miesen Lage zu befreien. Er klagt, dass sein Geschick sich erfüllt und der Traum vom Glück zu Ende sei. Doch Diego wechselt urplötzlich den Charakter und bekommt Gewissensbisse. Nein, nicht länger will er Schurke sein - und soll es kosten Hals und Bein! Der Hofnarr klettert auf den Felsen und sticht den Henker nieder. Zulma sagt dem Himmel Dank, denn sie ist gerettet. „Tack gode Gud! Du var min räddning.” Salvaterra geleitet Zulma vom Felsen schließlich herunter und legt sich mit Estrella an. Ihr böses Herz soll ihr Strafe und Qual werden, schreit er der Verstoßenen ins Gesicht. Salvaterra nimmt Zulma bei der Hand und schifft sich ein. Der Kapitän nimmt Kurs auf den Horizont.

Der Opernbesucher hat die Orientierung ein bisschen verloren, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden fällt ihm schwer. Wer ist nun der wirkliche Übeltäter? Kommt der Kavalier mit seiner Fregatte davon oder läuft das saubere Pärchen auf Grund?

Die Verlassene fordert die Rachegeister der Hölle an, damit das Schiff und das Glück des Verräters an der Felsenklippe zerschellen. „Ha, wie rollt ihr wilder Blick umher, wie schallt ihr Fluch ins weite Meer“, entrüstet sich der Opernchor.

Estrella nimmt sich das Leben und stößt sich aus Verzweiflung den Dolch ins Herz.


Letzte Änderung am 2.2.2009
Beitrag von Engelbert Hellen