Uraufführung: | 16. Mai 1829 am Teatro Ducale in Parma |
Spieldauer: | ca. 150 Minuten |
Art: | Lyrische Tragödie in zwei Akten |
Libretto: | Felice Romani nach Voltaire |
Sprache: | italienisch |
Zeit: | Historischer Hintergrund ist die Zeit der Kreuzzüge |
Orosmane: | Sultan von Jerusalem (Bass) |
Corasmino: | Wesir und Freund des Sultans (Tenor) |
Zaira: | Favoritin des Sultans (Sopran) |
Fatima: | Freundin Zairas, Sklavin im Harem (Sopran) |
Lusignano: | Vater Zairas, aus altem fränkischen Adel (Bass) |
Weitere: | Ritter, Offiziere, Wachen, Sklaven |
Der Harem, festlich geschmückt und in Feststimmung, bereitet sich auf die Hochzeit des Sultans mit seiner Favoritin Zaira vor. Die Auserwählte, eine Christin, die es in den Harem nach Jerusalem verschlagen hat, ist überglücklich von dem Mann ihres Herzens auserwählt worden zu sein, ahnt aber noch nicht, dass dunkle Wolken sich über ihrem Haupt zusammenziehen. Die Erinnerungen an ihre Vergangenheit hat sie aus ihrem Herzen weggewischt; nur ein kleines goldenes Kreuz, welches sie um den Hals trägt, erinnert an ihr vormaliges Leben. Orosmane ist ihr in Liebe und Aufrichtigkeit der Empfindung zugetan und bringt ihr höchste Wertschätzung entgegen.
Nun ist da die Freundin Fatima, die selbst gern den Platz an der Seite des Sultans eingenommen hätte, die ihr den Vorwurf macht, in Missachtung ihres christlichen Glaubens einen Muslimen heiraten zu wollen. Sie proklamiert: "Zaira liebt, und Liebe ist ihr eigenes Gesetz."
Eine Clique von Hofbeamten will auf dem Thron von Jerusalem keine Christin sehen und widersetzt sich, wird aber vom Wesir, der die Verbindung ebenfalls missbilligt, zur Mäßigung angehalten. Corasmino, des Sultans bester Freund und in Loyalität seinem Herrn verbunden, will nicht Gegner sein und sucht nach tragbaren Lösungen.
Orosmane erhält Besuch aus dem Frankenland, ohne zu wissen, dass es sich bei dem Gast um Zairas Bruder Nerestano handelt. Dieser besucht mit Zaira auch seine Landsleute im Kerker, in dem sich auch der alte Lusignano befindet. Dem Gefangenen des Sultans, einstmals mächtiger Rivale um die Macht im Gefolge König Balduins, ist von seiner Glorie nichts geblieben.
Lusignano hat in Zaira und Nerestano seine beiden Kinder wiedererkannt, von denen er dachte, dass sie verloren gegangen seien, als er festgenommen wurde. Das goldene Kreuz am Halse Zairas, ein Taufgeschenk, gab das Signal des Wiedererkennens.
Man ist bestürzt über die bevorstehende Hochzeit Zairas mit dem Sultan und das Wehklagen des alten Mannes nimmt keine Ende. Der nun folgende Psychoterror von Vater und Bruder bringt Zaira in Bedrängnis, mindert aber nicht ihre Liebe zum Sultan. Die Unvereinbarkeit ihres Schwures, auf eine Heirat zu verzichten, aber den Mann ihrer Liebe nicht zu verlassen, ist Zaira nicht bewusst.
Nerestano beendet seinen Besuch. Die Trennung zwischen Bruder und Schwester ist schmerzvoll und von Bekümmernis geprägt. Die Vorhaltungen Lusignanos haben Verwirrung gestiftet. Die beiden nehmen Abschied in einer letzten verzweifelten Umarmung. Die Szene wird vom Wesir beobachtet. Er sieht Zairas Betrübnis und Nerestanos Verstörtheit und zieht in Unkenntnis des Verwandtschaftsverhältnisses den Schluss, das Sklavenmädchen liebe den jungen Franken und plane, den Sultan zu hintergehen.
In Zairas Gemächern drängt Fatima das Mädchen, auf seiner Entscheidung zu beharren, Orosmane nicht zu heiraten, um auf diese Weise den Glauben der Väter zu behalten und um die Liebe des Vaters und des Bruders nicht zu verlieren, die sie nach so vielen Jahren des Wartens wiedergefunden hat. Als der Sultan Zaira besucht, bittet sie ihn unter Tränen, ihr noch etwas Bedenkzeit zu geben.
Lusignano stirbt! Die fränkischen Ritter versammeln sich an einem abgelegenen Platz und betrauern ihren Führer. Der Sultan gibt die Erlaubnis, den alten Ritter nach christlichem Ritus ehrenvoll zu beerdigen. Zaira ist es im Hinblick auf die bevorstehende Hochzeit nicht erlaubt, bei der Trauerzeremonie anwesend zu sein.
Der Wesir offenbart dem Sultan den Verrat, der ihn erwartet. Corasmino hat einen Sklaven dabei überrascht, wie er eine geheime Nachricht zu Zaira bringen soll und den Brief eingezogen, den er nun dem Sultan präsentiert. Die Botschaft stammt von Nerestano, in welcher er das Mädchen in der kommenden Nacht zu einem Stelldichein in einem verwilderten Garten in der Nähe einer Moschee treffen will.
"Wenn Du nicht kommst", so endet der Brief, "wirst Du mich in der Morgenfrühe tot auffinden". Orosmane hat nun keine Zweifel mehr über den Verrat der Frau, die er liebt. Corasmino rät dem Sultan zur Besonnenheit und schlägt vor, den Brief zu Zaira gelangen zu lassen. Als Zaira die Botschaft bekommt, ist sie einmal mehr zerrissen von dem unüberwindlichen Konflikt zwischen ihren Gefühlen der Liebe und dem Versprechen, welches sie dem Mann gegeben hat, der sie liebt und favorisiert und der Zusage, die sie ihrem Vater gemacht hat, welcher ihr wie durch ein Wunder wiedergegeben war.
In diesem Moment ist ein Trauergesang zu hören, als Zaira entmutigt auf dem Balkon steht. Nun erst erfährt sie ihres Vaters Tod. Unfähig dem seelischen Druck und der Betrübnis zu widerstehen, fällt sie bewusstlos zu Boden. Damit weckt sie das Erstaunen der Sklavenmädchen und der Wachen, die angerannt kommen und nicht verstehen können, weshalb die Frau, die zur Gemahlin des Sultans auserkoren ist, vom Tod eines Christensklaven dermaßen erschüttert ist.
Die letzte Szene zeigt einen abgelegenen Platz außerhalb der Palastmauern. In kurzer Entfernung sieht man durch die Bäume das Minarett einer Moschee. Orosmane und Corasmino, im Schatten verborgen, warten auf das Erscheinen von Zaira, die in Begleitung von Fatima auch bald kommt. Nerestano ist ein wenig später zur Stelle.
Das Mädchen hat sich entschlossen, ihrer Liebe zu Orosmane abzuschwören, um in ihr eigenes Land zu ihrem Volk zurückzukehren. Der dunkle Schatten des Vaters ist aufgestanden zwischen Zaira und ihrer Liebe.
Aus dem Schutz der Dunkelheit springt Orosmane plötzlich hervor und sticht auf die Frau ein, von welcher er denkt, dass sie an ihm des Verrates schuldig geworden ist. Aus den letzten Worten der sterbenden Zaira, erfährt er, dass Nesterano ihr Bruder und nicht ihr Liebhaber ist. Zu spät bedauert der Sultan seine alberne und ärgerliche Eifersucht. Orosmane tötet sich selbst und bricht über dem leblosen Körper der Frau zusammen, die nun nicht mehr die Seine sein kann.
Zur Uraufführung:
Als Bellini im März 1829 an der Komposition zu Zaira zu arbeiten begann, hatte er bereits einen beträchtlichen Namen. Il Pirata und La Straniera hatten an der Mailänder Scala zunächst im Oktober 1827 und später im Februar 1829 immensen Erfolg eingebracht. Il Pirata hatte bereits die Landesgrenzen überschritten und wurde im Jahre 1828 in Wien aufgeführt. Im April desselben Jahres wurde das Teatro Carlo Felice in Genua mit einer anderen Bellini-Oper Bianca und Fernando (zweite Fassung) eingeweiht.
Kein Opernkomponist des 19. Jahrhunderts außer Gioacchino Rossini hat seine Opernkarriere in solch brillanter Weise eröffnet. Und doch war Zaira, mit welcher Bellini ein anderes Opernhaus einweihte, das Nuovo Ducale in Parma am 16. Mai 1829, ein Misserfolg. Es war, dessen war man sich sicher, kein aufregender Theaterskandal wie später im Jahre 1861 die Aufführung des Tannhäuser (Richard Wagner) in Paris. Die Gerichtsbarkeit war im Teatro anwesend und hätte Rowdy-Protest nicht erlaubt. Für Bellini war es trotzdem ein Fiasko.
"Die Musik der Oper wurde nicht sehr geschätzt, obwohl zu einigen Passagen im ersten Akt sehr applaudiert wurde" so der Bericht des Inspektors des Königlichen Theaters am Abend des 16. Mai 1829. an den folgenden Abenden ward Maestro Signore Bellini nach Beendigung des ersten Aktes vom Publikum lange vor den Vorhang gerufen, aber er war nirgends zu finden und ein Herr der Direktion fühlte sich verpflichtet, vor dem Publikum zu erscheinen, um es zu beruhigen. Der Applaus war anhaltend, aber nur bei einigen Besuchern.
Was waren nun die Gründe für die Niederlage? Vermutungen gab es viele.
Bellini hatte das Libretto Cesare in Egitto eines Rechtsanwaltes von Parma, Luigi Torrigiani, abgelehnt und diesen so gekränkt, eigentlich ein nichtssagender Fall.
Zudem, während er an seiner Komposition schrieb, ward das Gerücht verbreitet, dass der Maestro diese Oper nicht besonders liebe. Der Librettist erzählte, Verse und Oper seien zeitlich weniger als in einem Monat vervollständigt worden, eine völlig überflüssige Bemerkung wie
Bellinis Biograph Cicconetti später feststellte.
Die Tatsache, dass er selten zu Hause zu finden war und seine häufigen Spaziergänge mit Freunden durch die Straßen von Parma, seine Präsenz abends in Gruppen zu sorgloser Konversation, verursachte im Publikum über ihn gemischte Gefühle.
Bellinis Stil war nicht nur unterschiedlich, sondern stand auch, wenn man an die Buffo-Opern denkt, in Opposition zu Gioacchino Rossini, welcher sich unter dem Volk von Parma kultgleichen Respekt erworben hatte. Mit La Straniera hatte Bellini sich selbst vom Rossini-Stil radikal distanziert.
Die Zeitgenossen fragten sich, warum Bellini nicht einen zweiten Startversuch unternahm, vielleicht in Mailand, in Neapel oder anderswo, möglicherweise in einer überarbeiteten Fassung, so wie er es mit Bianca e Fernando auch gemacht hatte.
Warum hat Bellin seine Zaira nicht gegen jede Kritik verteidigt, so wie er es später mit seiner Beatrice gemacht hat. Wollte er keine leicht gewonnenen Erfolge, wie sie Giovanni Pacini und Giuseppe Saverio Mercadante ständig zufielen?
Für Zaira tödlich, griff Bellini zu einem Trick, um wenigstens einen Teil der Musik zu retten. Er transportierte einzelne Passagen in spätere Opern, so dass Zaira ausblutete. Das meiste Material landete in I Capuleti e i Montecchi. Um sich nicht selbst ins Zwielicht zu rücken, verbot es sich, die Zaira noch einmal zum Leben zu erwecken. Bei einem schmalen Bestand von zehn Opern hätte es dem Ruf geschadet, bei sich selbst Anleihen zu machen. Gioacchino Rossini und auch Gaetano Donizetti waren in diesem Punkt unbekümmert, konnten es sich infolge quantitativer Überproduktion auch leisten.
Zaira heute:
Die heutige Zeit mit ihrer triebhaften Sucht nach Urfassungen und Öffnern von Strichen bietet die Chance, die Zaira in ganzer Pracht wieder auferstehen zu lassen. In Kenntnis der historischen Umstände lokaler Aversionen, die eine Verbreitung verhinderten, will das Publikum von heute den ganzen Bellini!
Überschneidungen des musikalischen Materials mit späteren Opern werden großzügig toleriert und reizt die Musikwissenschaft zur Analyse. Felice Romani bietet in seinem Libretto den Vorzug eines schlüssigen und plausiblen Handlungsablaufes mit gleichmäßig verteilten Bravourstücken. Die Handlungsträger werden überschwänglich bedacht.
Der historische Hintergrund ist im Libretto nur angedeutet. Orosmane trägt die Charakterzüge Sultan Saladins, einer Lichtgestalt orientalischer Überlieferung. Lusignanos historische Existenz ist nur angedeutet. Man geht locker miteinander um – es wurde nicht nur gemetzelt – aber in der Sache ist man unversöhnlich. Die Problematik zweier Kulturkreise, die sich magisch anziehen und gleichzeitig ausschließen, provozieren die großen Gefühle, an denen die Akteure zerbrechen, auch heute noch.
Die Zeiten haben sich geändert, Gewänder und Gepflogenheiten ebenfalls. Die großen Gefühle und Auseinandersetzungen sind geblieben und haben oftmals den gleichen Auslöser.
Es bietet sich nahezu an, pseudohistorische Dekorationen und Kostüme auszuwechseln, um die Handlung der Oper in die Welt von heute zu transportieren.
Zaira ist lebensfähig!
Letzte Änderung am 29.6.2005
Beitrag von Engelbert Hellen