Johann Christian Bach (1735-1782):
Entstehungszeit: | 1779 |
Uraufführung: | 14. Dezember 1779 in Paris (Grand Opéra) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Art: | Lyrische Tragödie in drei Akten |
Libretto: | Alphonse-Denis-Marie de Vismes de Saint-Alphonse nach dem Libretto von Philippe Quinault für die Tragödie „Amadis“ (entstanden 1684) von Jean-Baptiste Lully |
Sprache: | französisch deutsch von Henner Leyer und Marco Arturo Marelli |
Ort: | an imaginären Plätzen |
Zeit: | im Mittelalter |
Amadis: | ein Ritter (Tenor) |
Prinzessin Oriane: | seine Geliebte (Sopran) |
Arcalaus: | ein Magier (Bariton) |
Arcabonne: | seine Schwester (Alt) |
Urgande: | eine Fee (Alt) |
Coryphäe: | eine Chorführerin (Sopran) |
Ardan Canil: | der Geist des toten Bruders (Bass) |
Weitere: | Gefangene, Nymphen und die Allegorien Gerechtigkeit und Tapferkeit (Sopran) sowie Zwietracht, Wollust, Neid, Hass (Sopran, Alt, Tenor, Bass) |
1
Weiß von den anwesenden Theaterbesuchern zufällig jemand, weshalb Amor das Herz von Arcabonne unablässig quält? Sie wird standhaft bleiben und der Liebesgott soll ihr keine Steine den Weg legen, denn wichtig ist nur die Pflicht, der sie folgen muss. Arcabonne ist dazu verdammt, nur Hass zu empfinden, und Furcht und Schrecken sind es, die sie verbreiten wird. Ihren Koloraturen ist zu entnehmen, dass sie das Antlitz des heiß Ersehnten voraussichtlich wiedersehen wird. Doch seine Blicke voller Liebe und Zärtlichkeit muss sie vergessen.
2
Arcalaus findet die Tränen und die dunkle Verzweiflung überflüssig, denn der schweigende Wald wird ihren Schmerz kaum lindern. Ihre Schwäche, die sie bereit ist zu sühnen, will Arcabonne bekennen: Vor einem Untier, vermutlich war es ein wilder Eber, schütze sie der Retter in drohender Gefahr. Ohne seine Hilfe wäre sie jetzt tot. Den Lohn, den sie ihm geben wollte, hat er bedauerlicherweise verschmäht, nicht einmal seinen Namen hat der Herzlose ihr genannt. Die gute Tat, die er vollbrachte, genügte ihm, um seinem Ego zu schmeicheln. Doch sein Kopfschmuck war nicht korrekt festgezurrt. Ein Windstoß ließ ihn zur Erde gleiten und der flatternde Helmbusch lag im Dreck. Arcabonne sah sein liebes Gesicht und den üppigen blonden Haarschopf eines strahlenden Helden und um die Ruhe ihres Herzens war es geschehen. Sein Blick wurde zum Schicksal ihres Lebens. Der Gott der Liebe hat sie mit seinem Pfeil getroffen. Nun brennt das Sehnen tief im Herzen und schlägt voller Pein. Arcalaus soll ihr nun bloß nicht erzählen, dass es die Liebe ist, die sie in ihren Bann geschlagen hat.
Arcalaus denkt überhaupt nicht daran, ihr diesen Gefallen zu tun, denn wer im Leben Glück und Liebe sucht, wird schmählich betrogen. Ziemt es der Schwester überhaupt, ein weiches Herz zu besitzen? Wie soll mit einem solchen Organ Liebe und Zwietracht gedeihen? Nebenbei bemerkt: Die Liebe ist nur ein Irrtum. Arcabonne nimmt die abfällige Bemerkung ernst. Von ihrem Bruder hat sie die schreckliche Kunst der schwarzen Magie erlernt und jetzt soll er, falls er es vermag, ihr mit seinem Zauber helfen, aus Amors Macht frei zu kommen. Helfen kann er nicht, aber der Geforderte hat gute Ratschläge: Dem schmählichen Taumel soll sie entfliehen, weil der Hass dazu bestimmt ist, ihr Herz zu regieren. Wenn sie mit ihm im Reich der schwarzen Künste herrschen will, ist Härte gefragt. Der Liebe soll sie entsagen und dem falschen Bann der tückischen Macht einfach entfliehen.
Nun wird Arcalaus konkret: Die Schwester soll nicht vergessen, dass das Blut, welches Amadis vergoss, nach Rache ruft. Gewiss wird sie sich erinnern, kontert die Gemaßregelte: Die Schmach, die sie traf, verdient den schlimmsten Tod. Jetzt will das Opernpublikum aber wissen, was Amadis eigentlich verbrochen hat! Nun, allein schon der Name „Amadis“ lässt Arcabonne vor Wut erzittern, denn er erschlug Ardan, das arme Bruderherz. Jetzt erkennt Arcalaus an der Erregung die Schwester wieder; der Zorn kleidet sie vortrefflich. Schreckliche Rache soll für heute ihr Trost sein, als Gegengift für die grausamen Qualen, welche die Liebe ihr bereitet. Amadis, der das Geschwisterpaar so furchtbar beleidigt hat, soll nun erbeben. Das Blut des Bruders schreit unaufhörlich nach Vergeltung und die Rache soll süß sein. Oriane, seine Geliebte, soll auch büßen. Furien sollen sie ergreifen und ihren Leib zerreißen.
3
Arcalaus hat Dämonen nach oben beschworen, schmeichelt ihnen und trägt sein Anliegen vor. Zunächst unterstellt er, dass sie Geister seien, welche gute Taten nur mit Schmerz ertragen können, weil ihr Wesen voller Neid und Bosheit ist. Am Bösen, welches sie ständig im Sinn haben, würden sie süße Lust empfinden. Nun sollen sie sich bereit halten, seiner Wut zu dienen und seinem Hass zu helfen. Die Dämonen erklären sich fähig zu tun, was er von ihnen verlangt. Für kurze Zeit sollen sie doch bitte ihre Gruft verlassen und in Form von Gift düstere Zwietracht und ewigen Hass auf seinen Feind gießen. Seiner Wut möchten die Dämonen der Zwietracht, des Hasses, des Neids und der Lust gern dienen, er soll ihnen nur den Namen des Opfers nennen! Sie drängen auf Tempo, denn auch sie möchten endlich wieder süße Lust empfinden. Die finsteren Mächte sind erstaunt, als der Name Amadis fällt, denn dieser liebt und wird geliebt! Arcalaus verspricht, die Dämonen mit seinem Zauber zu unterstützen. Der Bösewicht plant, seine Liebe zu Oriane zu zerstören.
Schon sieht man wie Amadis und Oriane aus dem Wald kommen. Offenbar haben sie sich gezankt. Um so besser für Arcalaus' Absichten!
4
Amadis will endlich wissen, weshalb die unbarmherzige Prinzessin ihm ständig entflieht. Sie stellt die Gegenfrage, was das heißen soll, dass er sie unablässig verfolgt. Kapiert er nicht, dass ihr sein Verhalten neuen Kummer schafft? Er wird ihr immer folgen, weil sein Herz nur ihr allein gehört. Das stimmt doch gar nicht! Er liebe eine andere, behauptet die englische Prinzessin. Er sei ihr nicht treu! Wie kann sie nur solchen Argwohn hegen? Der unbegründete Verdacht trifft ihn schwer. Oriane bleibt konsequent. Er habe sie verraten und jetzt empfinde sie nichts mehr für ihn. Beide beschuldigen sich gegenseitig, sadistisch veranlagt zu sein. Die Seele genießt die Qual, die den anderen verzehrt! Das Frage- und Antwortspiel beginnt von vorn: „Warum entflieht Ihr mir?“ „Warum verfolgt Ihr mich?“ Amadis soll sich nicht verteidigen. Seine Liebe sei Lüge und sein Herz schlage für eine andere! Sie soll sich doch bitte nicht von Eifersucht verblenden lassen. Sein Herz war immer nur für sie entbrannt. Nein, nein, es war nur ein Strohfeuer. Er soll es doch unverhohlen zugeben, wenn sein Herz neuerdings für eine andere schlägt. Das Heucheln soll er lassen und seinen Treuebruch bekennen. Himmel, welche Verblendung! Ist das Kind noch zu retten?
5
Amadis ist allein und nimmt sich Zeit für eine Arie von beträchtlicher Länge: Die Geliebte wird er niemals wiedersehen. Sie ging und kommt nicht mehr zurück. Der Schmerz macht ihm zu schaffen und in seinem großen Leid erträgt er das Leben nicht länger. Das treulose Herz, die grausame Seele hat die Schnur, welche sie verband, zerrissen. In der Tat, Argwohn und Zwietracht, Hass und Verblendung sind der Lohn für seine Treue. Die schönen Tage der Liebe sind entflohen. Die Wonnestunden kommen nicht wieder, weil er sein Glück verloren hat. Selbst wenn sie ihn verachtet, bleibt er ihr treu, beschließt Amadis trotzig. Hassen kann er sie nicht, auch wenn sein Leid noch so schwer ist. Damit wäre alles gesagt und das Publikum hat auch alles verstanden. Da Amadis mit seinem Schmerz noch nicht fertig ist, wiederholt er den ganzen Text noch einmal.
6
Ein unsichtbarer Gefangenenchor ruft um Hilfe. Das grausame Schicksal soll einhalten und sie verschonen. Amadis erkundigt sich, wer ruft und was los sei. Offenbar ist der Ritter die Anlaufstelle für alle und jeden, die in Bedrängnis geraten und Hilfe brauchen. Die erste Frage wird nicht beantwortet, doch die Stimmen erklären, dass sie gerettet werden möchten, weil sie an einem Schreckensort gefangen sitzen. Oriane sei auch unter ihnen und ersehne den Tod. Er soll schleunigst kommen und die Feindesburg bezwingen, denn ihr Geschick verdiene es, gelindert zu werden. Das darf doch nicht wahr sein! Oriane eine Gefangene finsterer Mächte? Niemals darf Amadis solche Schmach zulassen. Er soll sich bitte beeilen und der Unglücklichen helfen; es gilt, eine feindliche Festung zu bezwingen, appelliert der Chor in Wiederholung. Amadis fürchtet weder Tod noch Gefahr. Seinem Schwert habe noch jeden umgehauen, betont der Angeber. Oriane soll durchhalten, Amadis ist im Anmarsch! Er kommt und wird die Sache anpacken, selbst wenn es sein Leben kostet. Es wird befreit oder gerächt, entweder das eine oder das andere. Wohlan!
7
Der Übeltäter ist der lausige Arcalaus. Wer sonst! Dämonen pur und in Verkleidung hat er um sich versammelt. Für die Lust sorgen etliche Nymphen. Arcalaus ist der Wortführer der sonderbaren Clique, die er um sich versammelt hat. „Verwegener halt ein“ brüllt er, um Eindruck zu schinden. „Du rennst in Dein Verderben!“ Er sei dazu bestellt, diesen Ort zu bewachen und denke nicht daran zu weichen. Arcalaus bekommt die angemessene Antwort. Er soll den Weg frei geben und den langmütigen Amadis nicht reizen! In Ruhe lassen soll der Schändliche das Mädchen, sonst treffe ihn mit Rache gepaart sein maßloser Zorn. Vollkommen richtig, Oriane sei in seiner Macht und bei dem Versuch, sie zu befreien, wird das Großmaul in den Tod gehen. Die beiden Gegner sind sich näher gekommen. „Verräter! Wohlan. hier ist die Strafe für deine schändlichen Taten!“
Den Beginn des Zweikampfs mit der Waffe bekommt das Publikum nicht mit, denn dummerweise bricht ein Szenenwechsel herein. Wegen unzureichender Körperkräfte kann Arcalaus physisch den Kampf nicht gewinnen, deshalb setzt er auf Intelligenz, die dem Ritter auf breiter Linie fehlt. Des Magiers Zauberkunst ist beträchtlich und das Theaterpublikum kommt nicht umhin, das grandiose Bühnenbild, welches sich auftut, zu bewundern.
Die liebliche Landschaft von Kythera, die Sommerfrische der Göttin Venus, berauscht den Opernbesucher. Offenbar ist die Liebesgöttin nicht zu Hause, denn allerhand Gesindel hat sich breit gemacht. Nymphen stellen die Allegorie von Zwietracht und Unzucht dar, während Hass und Neid sich als Kavaliere verkleidet haben.
Amor halte sie in seinem Reich gefangen und seiner Macht würden sie erliegen, wehklagt die bunte Gesellschaft. Es würde keinen Nutzen bringen, das Herz zu verschließen, Amors Qualitäten soll Amadis in vollen Zügen genießen. Der junge Held soll sich zu ihnen setzen und die Waffen niederlegen. Süßes Glück winke ihm, seine Keuschheit solle der Jüngling an der Garderobe deponieren.
BALLETTEINLAGE
Amadis glaubt unter den Tanzenden Oriane wahrgenommen zu haben. Tatsächlich sie ist hier. O Himmel! Wie ist das möglich? Zürnt sie ihm nicht mehr? Gehört sie jetzt wieder ihm? Ihre liebevollen Blicke und ihr sanftes Lächeln vertreiben alle Qual und Not, welche die Hölle geschaffen hat. Amadis erzählt Oriane, dass die Trennung von ihr ihm schreckliche Qualen bereitet habe. Sie nun wiederzusehen sei für ihn Wonne und Glück. Über sein Leben und seine Freiheit soll sie verfügen!
Der Dämonenchor lockt, dass Amadis kommen soll, um Amors Zauber zu genießen. Fern aller Furcht und aller Sorgen winke das Glück. Zurufe aus dem Publikum, der Zauber sei faul und Oriane eine verkleidete Dämonin dringen nicht bis an das Ohr des wonnetrunkenen Amadis.
8-9
Der Wärter erklärt, dass ihr Geschrei sinnlos sei und der Himmel sie nicht hören könne. Die Gefangenen sind der Ansicht, dass das Leid, welches sie erdulden, nun genug sei und das Unglück enden sollte. Doch Arcalaus befiehlt, dass die Gefangenen, die Amadis befreien wollte, in Ketten die Treppe heraufkommen sollen, denn der nahe Tod warte auf sie. Der Ungemütliche freut sich, dass der Feind seiner Wut nicht mehr entrinnen kann und allergrausamste Rache den bezwungenen Amadis treffen wird. Arg wurde er von diesem beleidigt und immer heißer verzehre ihn die Glut des Hasses. Der Tod auf dem Opferstein sei dem Schuldigen und allen anderen sicher. Arcabonne ist zur Scharfrichterin bestellt und die Priesterin soll die Gefangenen auf dem Opferstein abschlachten. Bevor der Ritualmord an den Gefangenen beginnt, beschwört die Priesterin den Geist des toten Bruders, dass er aus dem Grab heraufkommen möge, um sich an dem Gemetzel zu laben. Im Leben sei er der Schrecken der Welt gewesen, und jetzt soll er das Blut annehmen, welches die erzürnte Schwester in heiligem Zorn vergießen wird. Aus der tiefen Gruft hört Arcabonne das Stöhnen des Begünstigten. Er soll nicht länger klagen, denn die grausamste Rache, welche die Wut ihr eingibt, wird an den Gefangenen vollzogen.
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Ardan Canil ist alles andere als zufrieden, denn er argwöhnt, dass die Schwester nicht Wort halten und Verrat üben wird. Doch Arcabonne widerspricht, denn die Glut ihrer Seele lechze nach Vergeltung. Doch Ardan zweifelt an der Durchführung ihrer Aufgabe. In der Hölle wird er auf sie warten, um die Wankelmütige für ihre Schwäche zur Rechenschaft zu ziehen! Nachdem der Geist wieder verschwunden ist, erschaudern die Gefangenen erst einmal und finden den Tag und den Ort furchtbar, vor dem selbst die Geister der Hölle nicht halt machen.
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Arcabonne waltet ihres Amtes und schickt sich an, mit dem Strafvollzug zu beginnen. Doch Himmel, was sieht die Unbarmherzige? Es ist Amadis, der seinen Nacken auf den Opferstein beugt. „Stoß zu“ sagt der Verzweifelte, er begehre nicht mehr, als dass sein grausiges Geschick sich hier erfülle. Doch was sieht der Theaterbesucher durch sein Opernglas? Den Geliebten kann die Unselige nicht treffen, denn der Dolch entsinkt ihrer schwachen Hand. Eigentlich sollte der Unglückliche sich über die Wende seines Schicksals freuen, doch er jammert, dass der Racheengel sich endlich entschließen soll, sich seiner zu erbarmen. Mit dem mörderischen Stahl soll die Priesterin das Herz, welches unaufhaltsam leidet, durchbohren.
Doch Arcabonne entscheidet anders: Sie ist gerührt und will ihrem Hass entsagen. Er soll jetzt den Lohn für seine mutige Tat von damals fordern. Nun gut, die Großmütige soll die Ketten der Gefangenen zerbrechen, damit sie in Freiheit nach Hause gehen können. Sein Wort sei ihr Pflicht, ihr Herz habe er bewegt. So schnell geht das! Wie gut, dass Arcalaus nicht zugegen ist. Wo er sich zurzeit aufhält, weiß nur der Librettist.
Die Gefangenen sind frei und bekommen sogleich Besuch. Coryphäe naht und lädt die Gefangenen ein, in das Reich des Friedens mitzukommen. Es tönt der Gefangenenchor folgendermaßen:
12
„Hinaus in die Freiheit!
Wir danken für den Sieg,
den Amadis hier errang.
Seiner Tapferkeit zum Lohne
sind wir von der Knechtschaft frei.
Ja, Amadis überwand
blassen Neid und Zornesrasen,
ja, Amadis überwand
der Hölle Macht.“
Eine Quadrille leitet über zum dritten Akt.
13
Arcalaus ist mit sich selbst nicht zufrieden. Zwar hat er durch seine Zaubermacht Oriane eingefangen, aber ihre Schönheit hat nur Unglück gebracht. Ihr verzweifeltes Klagen genießt er mit Genugtuung und ihre Tränen sieht er gern fließen. Vorteilhaft sieht das Mädchen aus, was Ardan seinerzeit veranlasste, sich um sie zu schlagen. Jetzt schmort der Letztgenannte in der Hölle und findet keinen Frieden. Arcabonne meint auch, dass die Schönheit Orianes ausreiche, um sie zu bestrafen. Gut, dann wird Arcalaus dafür sorgen, dass sie leidet. Der tote Amadis soll der Gefangenen vorgeführt werden. Es wäre doch gelacht, wenn die Hochnäsige nicht kleinzukriegen ist. Die Schwester soll ihren Hass bitte nicht in Schweigen und einem tiefen Seufzer äußern.
Arcalaus soll sich glücklich schätzen, dass er nur die Gefühle des Hasses und der Rache kennt. Jetzt muss Arcabonne mit der Sprache herausrücken. In dem Fremden, den sie liebt, fand sie ihren Lebensretter. Soll das etwa heißen, das Amadis noch lebt? Selbstverständlich hat Arcabonne eine Entschuldigung für ihr Versagen. Die heftigste Rache vermag gegen die Liebe gar nichts. Der Feind hat sie betört, doch eine andere konnte ihn für sich gewinnen. In jedem Fall sei ihre Qual größer als die Strafe, die ihm zugedacht war. Der lausige Arcalaus weiß sich vor Bosheit nicht zu lassen. Bevor er mit Lust die beiden Liebenden zum Opfertod führt, soll Hymen, der Hochzeitsgott, sie vereinen. Arcabonne findet die Idee überhaupt nicht witzig.
14
Oriane sitzt in ihrem Verlies, eiserne Ketten schmücken ihre Handgelenke. Wer kann ihr noch Schutz und Zuflucht sein? Sie wendet sich an den Himmel. Die Geister der Hölle haben sich grausam gegen sie verschworen, wehklagt sie und nun sei sie vollkommen schutzlos. Früher war Amadis ihr starker Beschützer, doch - wie Männer so sind - wurde der Liebste untreu und folgte einem anderen Glück. Das beste wäre, ihn zu vergessen. Der Himmel soll ihr dabei helfen und sich ihrer Not erbarmen.
15
Der lausige Arcalaus gießt Öl ins Feuer und benutzt die Eifersucht der Wehklagenden, ihr verbal zuzusetzen. Er lässt durchblicken, dass sie dem Verräter aufs Neue verfallen werde, sobald sie ihn sehen würde. Auf keinen Fall, erwidert Oriane, wird er ihr Herz noch einmal erringen, denn zu groß sei ihr Stolz, als dass die Liebesketten, die er brach, sich wieder schließen könnten. Arcalaus' Prahlerei, dass er den Helden besiegt habe, stößt auf Unglauben. Das sei unmöglich, verteidigt Oriane den Treulosen, denn jeder fürchtet ihn und bewundert seine Kraft. Nun verstehe einer den Schlingerkurs von Oriane! Dem flatterhaften Freund, der sie schnöde verließ, habe sie ewigen Hass geschworen, doch seinen Mut und seine Kraft müssen auch seine grausamsten Feinde bewundern. Seine Intelligenz lässt sie vorsorglich außen vor, weil es in diesem Bereich nichts zu bewundern gibt. Arcalaus soll sich in jedem Fall in Acht nehmen - vor dem unbesiegbaren Helden.
Mit seiner Hexerei hat Arcalaus es geschafft, Oriane den angeblich toten Amadis als Trugbild vorzugaukeln. Koloraturketten sind ihre Antwort.
„Was sehe ich? O welch grausamer Anblick!
O Schicksalsschlag, o schweres Los!
Gott, welcher Schmerz! Amadis ist tot!
Mein Zorn war sein Verhängnis,
ich klage ihn der Untreu' an.
Ach wie gern erweckt' ich ihn zum Leben,
gäb das Leben dem Freund zurück;
mag er auch leben für die Rivalin.
O Schicksalsschlag, o schweres Los!
Gott, welcher Schmerz! Amadis ist tot!“
Soweit das Rezitativ, jetzt kommt die Arie:
„Wie grausam quält mich mein Gewissen;
die Qual zerreißt mein armes Herz.
Ach, war ich ungerecht und herzlos,
Ach, ich bin's die dich ins Unglück stieß!
Ach, wäre dein Herz mir treu geblieben,
ach hättest du meine Liebe gefühlt!
Wie grausam quält mich mein Gewissen;
komm, o Qual, zerreiß mein wundes Herz!
Keine Pein, die der Neid bereitet,
keine Qual, die der Hass empfindet,
ist diesen harten Qualen gleich.“
Oriane stürzt ohnmächtig zu Boden. Wie nicht anders zu erwarten, empfinden Arcalaus und Arcabonne süße Lust. Damit ist die Situation festgefahren. Die Oper soll aber noch weitergehen.
16-18
In Donner und Blitz erstrahlt der Himmel. Die mächtige Fee Urgande kündigt sich an. Vor ihrer Macht muss sich der Erdkreis beugen und die Unheilkündende fordert die diabolischen Geschwister auf, zu erzittern. Sie sollen das liebende Paar nicht länger quälen, sondern ihre Intimsphäre achten und sie in Ruhe lassen. Arcabonne fasst sich als Erste: Es ist aus, sie hofft nichts mehr. Die Götter spotten ihrer Macht. Arcalaus phantasiert noch ein bisschen von Sieg und Triumph, dann überantwortet Urgande beide den Mächten der Finsternis.
19
Im Palast der Fee Urgande findet das liebende Paar sich wieder. Die Gefahr hat sich verzogen und jetzt kommt es zwischen den Liebenden zur klärenden Aussprache. Die Fee übernimmt die Therapie und süße Bande verknüpfen die Herzen aufs neue. Heil sei Amadis, dem jungen Helden. Eins bisschen Ballett und eine Hymne auf Amor beschließt die Oper.
Letzte Änderung am 28.12.2016
Beitrag von Engelbert Hellen