Die Eroberung von Granada
Entstehungszeit: | 1850 |
Uraufführung: | 10. Oktober 1850 in Madrid (Real Palacio) |
Besetzung: | Soli, Chor und Orchester |
Verlag: | Madrid: Instituto Complutense de Ciencias Musicales, 2007 |
Bemerkung: | Emilio Arrieta hatte das Glück, dass die spanische Königin Isabella II. (1830-1904) seine Mäzenin wurde. Somit hatte er die Erlaubnis, im königlichen Palast ein Theater einzurichten, in dem „La Conquista di Granata“ seine prunkvolle Uraufführung erlebte. Das Werk trug nicht immer diesen Titel, zeitweilig hieß es auch „Isabel la Católica“. Isabella von Bourbon fühlte sich natürlich mächtig geschmeichelt, dass die Oper, die ihre bedeutende Vorgängerin in ein vorteilhaftes Licht rückt, auch auf sie selbst, die sie mit 13 Jahren Königin wurde und neun Kindern das Leben schenkte, einen bescheidenen Abglanz warf. Das Glück war dem Komponisten, der seine kompositorische Ausbildung in Mailand bei Niccolò Vaccai erhielt, noch ein zweites Mal wohlgesonnen, weil Temistocle Solera, der sich seinerzeit in Madrid aufhielt und für den Günstling der Königin gehalten wurde, für ihn ein passables Libretto schrieb, welches auf den Zeitgeschmack abgestimmt war und Vorzüge und Untugenden enthielt, die auch in Giuseppe Verdis Oper „Nabucco“ auftauchen. Genau genommen gehört die Oper in den italienischen Kulturkreis und wird von den Chronisten als positive Bereicherung des italienischen Repertoirs gewertet. Emilio Arrieta ist kein Epigone Donizettis oder des jungen Verdi, sondern befindet bezüglich des Bekanntheitsgrades und der winzigen Werkauswahl im Bereich Oper lediglich in deren Schatten. Arrietas Melodik ist opulent, leidenschaftlich und hat Feuer. Die Premiere wurde positiv aufgenommen und zur damaligen Zeit gab es etliche Wiederholungen, bis mit einem Mal abrupt die Erfolgsserie abbrach. Viele Komponisten erlebten ein ähnliches Schicksal. Das Teatro Real in Madrid hat im Jahre 2006 den Faden wieder aufgenommen und die Oper mit vorzüglichen Stimmen einem breiten Publikum erneut vorgestellt. |
Art: | Dramma lirico in drei Akten |
Libretto: | Temistocle Solera |
Sprache: | italienisch |
Ort: | Granada |
Zeit: | Ende des 15. Jahrhunderts |
Isabella: | Königin von Spanien (Mezzosopran) |
Zulema: | maurische Adelige (Sopran) |
Gonzalo: | spanischer Ritter (Tenor) |
Lara: | Gonzalos Freund (Bass-Bariton) |
Muley-Hassem: | Zulemas Vater (Bass) |
Boabdil: | König der Mauren (Bariton) |
Alamar: | maurischer Fürst (Bass) |
Almeraya: | Zulemas Dienerin (Sopran) |
Almansor: | Zulemas Bruder (stumme Rolle) |
Weitere: | Turmwächter und weitere |
1. Szene:
Während das Vorspiel von etwa fünf Minuten Dauer erklingt, hat der Opernbesucher die Gelegenheit, sich an der Kunstfertigkeit des Bühnenbildners zu erfreuen, dessen Werkstatt die malerische Kulisse einer wehrhaften Stadt des spanischen Mittelalters, die im Entstehen begriffen ist, aufgebaut hat. In weiter Ferne thront auf den zackigen Felsen der Sierra Nevada die malerische Alhambra, das Statussymbol der Muslime.
Mächtiges Bollwerk und Türme mit Ausguck für die aufmerksamen Wächter sind unerlässlich, denn die frechen Eindringlinge aus dem fernen Arabien, die schon seit siebenhundert Jahren das Terrain behaupten, sollen wieder vertrieben werden. In kriegerischer Absicht unter der Führung Kastiliens haben sich die christlichen Spanier in den Süden der iberischen Halbinsel begeben, um der maurischen Kultur den Kampf anzusagen. Den Sesshaften wird das Heimatrecht abgesprochen und gleichzeitig sollen ihnen die Vorzüge der christlichen Religion unmissverständlich klar gemacht werden.
Der Opernchor ist von dem Genius der spanischen Architekten und Handwerker restlos begeistert und er versucht, den Opernbesucher durch temperamentvolles Engagement für sich einzunehmen. In Windeseile entstehen Gräben, Rampen und Wälle sowie Zinnen und Türme. Buden aus Holz werden errichtet und unerschrocken Markierungen für solide Bauten aus Mauerstein getroffen.
Die rege Bautätigkeit wird von den Feinden des wahren Glaubens – wie kann es anders sein – misstrauisch beäugt. Die Narren werden sich noch wundern und die Frechheit, mit der sie die Herrscherin herausfordern, wird ihnen noch vergehen. Sobald Isabella damit beginnt Macht auszuüben und das Schwert aus dem Futteral zieht, werden die hochmütigen Mauren aufgefordert sein, den Staub unter ihren Fußsohlen zu küssen. Lang lebe Isabella, die in der Lage ist, lediglich mit ihrer Präsenz einhunderttausend Mann zu begeistern!
2. Szene:
Isabella hält Hof. Sie ist umgeben von Rittern, Strategen, Ratgebern und ihren Hofdamen. Alles spricht dafür, den Mauern und Wällen, die im Entstehen begriffenen sind und die Regentin und ihr Gefolge schützen sollen, ihren großen Namen zu geben. Isabella hat diese Vorstellung nicht. Der heilige Franziskus habe ihr vorgeschlagen, die förmliche Urkunde auf seinen Namen auszustellen, weil er in Stunden der Gefahr auf ihrer Seite gestanden sei. Die Kurzform Santa Fé mache sich doch ganz nett. Mit dunklem, warm klingenden Timbre lässt Isabella ihren Vorschlag auf der Zunge zergehen, so dass der Opernchor in Begeisterung für seine Königin ihrem Vorschlag freudig folgt. „Lang lebe Santa Fé“ schallt die Parole über die Mauern der Festung, damit die ungesittete Rasse es hören kann. Ist die edle Dame geneigt, ein paar Worte zur Sache von ihrem treuen Diener Gonzalo zu vernehmen? Wenn es der Königin an diesem Ort gefällt, möge sie doch ihren Hof von Sevilla nach hier verlegen. Obwohl sie dem edlen Ritter Gonzalo von Córdoba gewogen ist, muss er sich sagen lassen, dass er Schwachsinn gedacht und dummes Zeug geredet habe. Sieht er die herrliche Alhambra der Mauren? Das wäre ein standesgemäßer Hof für den katholischen König und seine Königin. Nur dort will sie ihr Schwert niederlegen und nur dort auf dem Thron sitzen. Der Chor ist begeistert, lobt ihren guten Geschmack und Gonzalo pflichtet seiner Herrin bei. „All'armi appella, grande Isabella, tua voce all'anima d'ognun tuonò! - Rufe uns zu den Waffen, große Isabella, deine Stimme hat wie ein Blitz in jedes Herz eingeschlagen!“
3. Szene:
Ein Gesandter der Mauren möchte Isabellas königliche Anwesenheit in Anspruch nehmen und ihr ein Vorhaben vortragen. Was könnte das sein? Der Opernchor rätselt. Isabella ist in aufgeräumter Stimmung und lässt ihm ausrichten, dass er willkommen sei. „A'piedi tuoi“ Die Verbeugung wird aber nur kurz angedeutet, dann überbringt Alamar die Grüße von demjenigen, der die arabische Stadt beherrscht. Der wackere Almansor fordere die fremde Majestät auf, einem Zweikampf mit ihrem besten Ritter zuzustimmen. Der Chor nimmt ihre Antwort vorweg. „Viva Gonzalo!“ Die Gefühle Gonzalos sind gemischt. Er wird die Ursache später erklären. Isabella antwortet dem Boten knapp und präzise: Allah möge ihm zulächeln. Er solle in sein Feldlager zurückkehren und dort erzählen, dass ihr Ritter auf das Signal zum Kampf warte. Alamar verbeugt sich und so schnell wie er gekommen, ist er auch wieder verschwunden. Die Audienz ist beendet, Isabella erhebt sich von ihrem Thron und verlässt mit Gonzalo und den übrigen Rittern die Halle.
Der Opernchor darf seinen Empfindungen freien Lauf lassen. Isabella, die Besiegerin der Mauren, soll lange leben. Der Wunsch nach einem langen Leben gilt auch dem Ritter, den sie erwählt hat. In ihren düsteren Zelten zittern die schurkischen Feinde eigentlich immer, weil sie es gewagt haben, die edlen Spanier herauszufordern. Die Narren sollen sich in acht nehmen. Wenn Isabella das Schwert aus dem Etui zieht, geht es ihnen schlecht. Den Staub unter ihren Füßen haben die hochmütigen Mauren zu küssen.
4. Szene:
Lara, Freund des Gonzalo und ebenfalls ein tapferer Ritter, teilt dem Publikum seine Erwartungen über die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Region mit. Der Spanier wird die erschrockenen Mauren niederschlagen, damit er die Tore zur hochmütigen arabischen Stadt für sie bald öffnen wird. Wie ein Mähdrescher werden sie über die waffenfähigen Männer herfallen und alle niederwalzen, die sich ihrem Sieg in den Weg stellen. Das blühende Land ist auserwählt, damit ehrenwerte Männer es sich untertan machen. Die unterwürfige Herde der Eingesessenen möge sich plagen und den Boden zum Nutzen der Eroberer bewirtschaften. Sie selbst werden in angenehmem Schatten verweilen und das Schwert niederlegen. Die süßen Reben, die an den fruchtbaren Hängen wachsen, werden ihren Durst löschen und den Geist wiederbeleben. Die schönen Mädchen der Besiegten sollen die Gläser füllen und den Bauchnabel kreisen lassen.
5. Szene:
„O Lara amico; nel tuo sen, non visto, lascia ch'io versi il contenuto pianto – O Lara, mein Freund, lass mich ungesehen an deiner Schulter die Tränen loswerden, die ich zurückgehalten habe.“ Er soll sich zuerst einmal beruhigen und dann erzählen, was ihn bedrückt. Er weiß, dass ihm das Leben ohne Zulema nichts bedeutet. Er schwor ihr einst den feierlichen Eid, dass er sein Schwert niemals gegen ihren Bruder oder gegen ihren Vater erheben würde. Der Schuft, der er sei, muss seinen Eid nun gegen seinen Willen brechen. Dafür wird sie ihn hassen, sobald sie sich seiner erinnert. Von ihrem Herzen, welches ein Teil seines Herzens ist, wird er nun verachtet werden, sobald die Würfel gefallen sind, denn mit dem vorlauten Almansor wird er bequem fertig. Lieber würde er jedoch sein eigenes Leben als ihre Liebe verlieren. Was würde sein Herz nicht alles tun, um dem geliebten Mädchen Kummer zu ersparen? Schätzt Gonzalo die Freundschaft, die Lara ihm entgegenbringt, so gering ein, dass er ihm nicht helfen würde, ihn aus dieser ungemütlichen Situation zu befreien. Man muss die Sache ein wenig schlau angehen. Wie wäre es, wenn er, Lara, unerkannt und mit heruntergeklapptem Visier an seiner Stelle das Duell austragen würde? Das Angebot sei sehr großzügig, aber der Freund solle es bitte nicht wiederholen.
Ein kleiner Zwischenfall beendet den Dialog der beiden Freunde. In der Ferne bläst ein Turmwächter ins Horn. In kurzem Abstand wiederholt ein zweiter Trompetenstoß das Warnsignal aus unmittelbarer Nähe. Das Opernpublikum hat aber nichts zu befürchten und kann sich in Sicherheit wiegen, denn in der Tat droht keine Gefahr. An Stelle von Waffengeklirr ertönt aus abschätzbarer Entfernung die angenehme Weise einer Laute. Eine angenehme weibliche Stimme trägt poetische Verse vor:
„Molle zeffiro del cieli che imendo in crespi l'onde“ - transformiert handelt es sich um den Beginn einer Liebesklage. Ist es etwa die Stimme Zulemas, die Kenntnis erhalten hat vom tragischen Geschick, dass der Liebste gegen den Bruder kämpfen wird? Hören wir, was sie zu sagen hat:
„Eine pfeifende Brise,
welche die Wogen kräuselt,
Blumen, die vertrocknen,
wenn die Sonne untergeht,
berichten dem Troubadour,
der nicht um Liebe weint –
dite, dite al trovatore,
chi non piange nell'amore.“
Gonzalo hält den Atem an. Sie ist es, o Gott! Er hat nicht missverstanden, was sie sagen will. Dabei ist sie noch gar nicht fertig:
„Die Nachtigall, welche Tag und Nacht voller Trauer ihrem Partner erzählt,
die Turteltaube, die ihren Gefährten klagend bittet, sie zu lieben,
berichten von diesem Herzen, welches nicht um Liebe weint.“
Gonzalo kann den Aufruhr seines Gemüts vor Lara nicht länger verstecken. Er will davonstürzen, wird aber von diesem zurückgehalten.
Noch zweimal tönt das Signal der Turmwächter, aber Zulema ist mit ihrem Gedicht noch nicht fertig:
„Ah! D'amore al primo istante
è la pace mia sparita
per un bacio del amante
io perduta ho già la vita,
sulla terra del dolore,
chi non piange nell'amore. –
Ah, in dem Moment als ich die Liebe fühlte,
kam mein Friede zu einem Ende.
Durch einen Kuss von meinem Freund
habe ich mein Leben verloren.
Wer weint nicht um Liebe
in diesem Leben voller Sorge?“
Die Stimme schweigt und Gonzalo weiß sich vor Liebesqual kaum zu lassen. Lara sieht mit Bekümmernis den Ausbruch seines Seelenschmerzes. Den Kopf hat er an seine Schulter gelehnt und das Publikum kann seinen Gedanken folgen, denn Gonzalo kleidet sie in Worte: Das arme Mädchen weint, aber es muss nichts fürchten. Er selbst trägt den Tod in seinem Herzen und wird das Opfer eines tückischen Schicksals sein. Lara soll seine Waffen bereit legen. Im Kampf wird er dem Schuft seine Chance lassen. Auf diese Weise will Gonzalo sein Schicksal bewältigen und gleichzeitig seine Liebe schützen.
Doch das Publikum im Parkett möge sich um das Schicksal des Helden nicht ängstigen, denn Lara greift mit geschickter Hand in das Räderwerk des Schicksals und vertritt unerkannt den Freund im Zweikampf gegen Almansor.
6. Szene:
In der Feste der Alhambra gibt es unter anderem selbstverständlich auch einen Turnierplatz für Kampfspiele zwischen Ross und Reiter oder Mann gegen Mann. Zwei Sklavinnen schauen durch das vergitterte Haremsfenster und kommentieren das zu erwartende Spektakel. Die Ankündigung des Duells sei überall zu hören. Auf keinen Fall darf Almansor verlieren, denn wenn sein Schwert den Sieg nicht davonträgt, wer wird sie in Zukunft vor des Feindes Wut schützen? Allah soll sein Volk segnen. Mohammed, der heilige Prophet, soll herniedersteigen und ihren Helden kräftigen.
7. Szene:
Von Almeraya gestützt, bekommt der Opernbesucher Zulema endlich zu Gesicht. Sie befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Ihre Gewänder sind in Unordnung und die Haare zeigen entbunden den Aufruhr ihres Herzens. Ihre Klage ist wirr, es sei ihr, als ob sie seine letzten Worte noch hören könne. Seine Stimme hat ihr Herz in Brand gesetzt, welches nun die Last einer unauslöschlichen Liebe trägt. Im Moment liebt sie ihn noch mehr als jemals zuvor. Zu unendlicher Treue sei sie verdammt und der Gott ihrer toten Mutter – sie war eine Christin – soll doch ihr Leben von ihr nehmen. Ihre Liebe sei unendlich tief, mache aber keine Freude, weil sie ihr hauptsächlich Leiden zufüge. Großer Gott, sie weiß nicht einmal, um was sie noch beten soll. Der Krieg ist wahrhaft ein schlimmes Übel und verursacht viele Tränen. Trotzdem sähe sie es gern, wenn ein friedfertiger Freund erzählen könnte, welches Leid noch schlimmer sein könnte als ihr eigenes.
Welcher unheimliche Ton ertönt aus der Ferne, der Zulema erzittern lässt? Der Chor befürwortet, dass eine schwarze Wolke die Sonne verdunkeln soll. Die Frauen versuchen Zulema zu trösten, denn die königliche Dame hat soeben ihren Bruder verloren. O schicksalhafter Tag! „Giorno fatale! Ahi misera!“ Zulema lässt sich in die weiche Umarmung ihrer korpulenten Dienerin fallen.
8. und 9. Szene:
Ein Sarg wird vorbeigetragen. O Himmel! In ihm liegt der tote Almansor. Wie grauenhaft verstümmelt ist seine Leiche. Sein Lebensende ist ein schlimmer Tag für alle. Es scheint so, dass der Glanz der maurischen Kampfplätze verblasst. Dem Anlass angemessen, verbinden sich die Anwesenden zu einem Trauermarsch und durchkreuzen die Halle, während Zulema wieder zurückkehrt. So ist es also wahr, dass Gonzalo den Almansor getötet hat? O schlimmes Schicksal! Ein erneuter kurz andauernder Schwächeanfall der Getroffenen ist die Folge.
10. und 11. Szene:
Muley-Hassem betritt die Halle, in der schlimmes Schicksal die Untertanen erschütterte. Seine Miene ist gedrückt und die Arme sind über der Brust gekreuzt. Der Dienerin winkt er gebieterisch, dass sie zu verschwinden habe. Zulema will sich in die Arme des Vaters stürzen, doch dort ist sie nicht willkommen. „Bleibe zurück“ herrscht er sie an. Er hatte ein Kind, welches sein ganzer Stolz war. Den armen Almansor hat man nun in einem Sarg davongetragen. Sie nannte sich seine Schwester und sie war seine Tochter. Sie sei die schuldige Geliebte eines elenden Mörders. Der Vater soll nicht so rücksichtslos zu ihr sprechen. Almansor hat den Zweikampf gesucht! Könnte sie ihm – der Vater meint Alamar – ihr Herz nicht immer öffnen? Er soll sie schlagen, aber dann wieder gut sein. Den Mann, den sie liebte wird sie vergessen. Es sei genug der Strafe für sie. Sie schwört, sie will ihn in der Tat nicht mehr wiedersehen. Sie habe sich immer eine gute Tochter nennen können und dem Bruder war sie eine liebende Schwester.
Wenn sich das so verhält wird sie gegen seinen Vorschlag auch keinen Einwand vorbringen. Das beste Mittel, den Schurken zu vergessen, sei ein neuer Partner. Könnte sie den Alamar nicht lieben? Sie soll ihm antworten! „Nein, sie kann nicht!“ So schnell kann ihr Herz einen Wechsel nicht verkraften. Dort muss erst einmal Vakuum einziehen, bevor sie sich jemandem anderen zuwendet.
Die verabscheuenswerte Frau soll sich vor ihm in den Staub werfen. Von ihrem Vater soll sie verflucht sein bis zu dem Tag, an dem sein toter Sohn Almansor an seinem schlimmen Mörder gerächt sein wird. Seine harten Worte soll der Vater zurücknehmen oder befindet sich in seiner Brust kein barmherziges Herz? Sie sei erschrocken und beunruhigt. Sie macht den Vorschlag, sie ins Gefängnis zu stecken, aber er solle bitte das Verfluchen sein lassen, während sie um Milde nachsucht. Muley-Hassem ist nicht zu beruhigen, er tobt so lange bis die Tochter wieder ihrer Neigung folgt, bewusstlos zusammenzubrechen.
1. bis 3. Szene:
Zulema hat sich immer noch nicht beruhigt. Der Vater hat zwar die Befugnis, sein Messer in ihre Brust zu stecken, aber deshalb ist er nicht Herr über ihre Gefühle. Den einsamen silbernen Sternen wird sie ihre Sorge anvertrauen. Er soll ihre unterdrückten Tränen frei fließen lassen und sich damit abfinden, dass sie nicht die schöne Blume ist, die ihren Kopf beugt. Sie hofft, dass der allmorgendliche Tau ihren Kummer benetzen wird und dieser dann verschwindet. Einstweilen steigt immerzu der Geist ihres verstorbenen Bruders vor ihr auf und der Fluch des Vaters blitzt schrecklich in ihrem Herzen. Hoffnung auf Vergebung winkt offenbar nicht.
Die Sklavenmädchen strengen sich an, ihre Herrin aufzumuntern, und erzählen ihr, dass der verliebte Prinz geduldig auf sie warte. Das sei überhaupt kein Wunder, weil die Prinzessin es verstünde, mit ihrem Liebreiz jedes Herz zu bezwingen. Harfenklänge intonieren Hochzeitsgesänge und die Sonne von Granada lächelt ihr zu.
Bei ihr werde sich der Schmerz erst in Glückseligkeit verwandeln, wenn die letzte Stunde gekommen ist, erklärt Zulema, weil sich ihr dann der Himmel öffnen wird. Nicht länger fürchtet sie ihr Schicksal und in das Antlitz des Todes kann sie nur lachen. Mit dem Namen des geliebten Gonzalo auf den sterbenden Lippen, wird sie ihr Leben aushauchen.
4. bis 6. Szene:
Almeraya erscheint und kündet Zulema, dass aus dem Feindeslager ein Bote erschienen ist und sie äußerst dringlich zu sprechen wünscht. Möglicherweise bringt er Botschaft von Gonzalo. Allein der Gedanke daran lässt das Blut kalt durch ihre Adern rinnen und bringt die Erwartungsvolle zum Erzittern. Almeraya soll ihn hereinlassen und draußen warten. Tatsächlich sei er derjenige, der in der Erwartung seines Urteils vor ihr stehe! Was untersteht sich der Mörder ihres Bruders, der seinen Eid brach? Will er sie herausfordern? Ach, sie soll nicht weitersprechen und ihn lediglich anschauen. Sieht sie auf seiner Stirn etwa Merkmale von Feigheit? Mit der Hand auf dem Herzen und den Blick zum Himmel erhoben, schwört der liebe Gonzalo, dass er seinen Eid niemals brach und den Bruder nicht ermordet habe. Aus der Ferne habe er ihre Stimme vernommen und sich dann einen Weg durch die feindlichen Reihen gebahnt, obwohl er keine Rüstung trug. Diese gab er seinem Freund Lara, der ihm vorgeschlagen habe, sich an seiner Stelle mit Almansor zu duellieren. Nur weil dieser seinen Brustpanzer trug, sein Kettenhemd angezogen hatte und seinen, Gonzalos, Helm aufsetzte, glauben die Araber nun, er habe ihren Bruder umgebracht. Zulema zweifelt. Stimmt die Geschichte auch, die Gonzalo ihr mit Enthusiasmus vorträgt?
Eine Flut von Glückseligkeit durchzieht Zulemas Herz. Ihre Seele war schon tot - eine Beute der Verzweiflung - aber eine innere Stimme sagte ihr, sie solle die Hoffnung nicht aufgeben. Das glanzvolle Licht seiner Treue würde zu ihr dringen, sie möge nur Geduld haben. Hat sie etwa geglaubt, er könne einer solchen Schandtat fähig sein, und ihren Bruder töten? Ein frommer Augenaufschlag begleitet seine Worte: Lieber wäre er gestorben, als sein Wort zu brechen! Wenn sie ihn noch als ihren Schatz betrachte, soll sie ihm die Hand geben.
Zulema rät, schnell zu fliehen, weil er sich in äußerster Gefahr befinde, so lange sie nicht mit ihrem Vater gesprochen und sich ihm nicht zu Füßen geworfen habe. O himmlische Liebe! Wird er sie wiedersehen? Sie soll ihm einen Zeitpunkt sagen, wann er sie in den Armen halten kann. Er soll morgen wieder kommen! Entweder tot oder lebendig wird sie die Seine sein. Beide umarmen sich. Ein bisschen Zeit für das Liebesduett verbleibt ihnen noch:
„Viviam nell'iride
d'aurata speme,
alito ad alito,
e core a cor;
fino che l'anime
potranco insieme
volare agli angeli,
spirando amor!
Lasst uns leben zusammen leben.
In einer Aura von Hoffnung
verschmelzen unsere Geister und
vermischen unsere Herzen sich
bis unsere Seelen, Liebe atmend,
gemeinsam aufsteigen können
zu den Engeln.“
Das sechste Bild führt den Zuschauer auf einen maurischen Friedhof. Das muss sein, weil dort Almansor begraben liegt. Der Frauenchor hat sich in Trauer gekleidet und Asche auf sein Haupt gestreut. Mit ihren Tränen benetzen sie die Blumen, die sie auf das Grab gestreut haben. O weh! Bald wird er zu Staub zerfallen sein - er, der lange Zeit ihr Held war. Er war die Zeder - hoch wie der Turm von Ismael - die Herrlichkeit der Gläubigen und sie Liebe der Mädchen. Bald wird er zu Staub zerfallen.
7. Szene:
Maurische Krieger schleppen einen spanischen Gefangenen herbei. Es ist Gonzalo, dem es nicht gelang, so unbemerkt zu entwischen, wie er gekommen war. Vor dem Grab des Helden, den er erschlug, soll er sich entschuldigen und furchtbare Buße tun. Das Haupt soll ihm von den Schultern gehoben werden. Nicht einmal den Gram eines alten Vaters hat er respektiert und ihn mit seiner schlimmen Tat beleidigt. Gonzalo bleibt gelassen: Weshalb soll das eine Beleidigung sein, wenn ein spanischer Edelmann den maurischen Fürsten bittet, ihm die Tochter zur Frau zu geben? Nun gut, wenn es ein Sakrileg gewesen ist, soll der Provozierte in Anbetracht seines Amtes nach arabischem Gesetz Recht sprechen. Juristische Kenntnisse sind hierzu unerlässlich und die Person, die assistiert, sollte hierzu befugt sein.
8. Szene:
In aller Eile kommen noch mehr Leute hinzu. Es sind Zulema, Almeraya, Muley-Hassem, Alamar - der Opernbesucher traut seinen Augen nicht - und Lara. Eine herrliche Ensemble-Szene auf dem Friedhof soll den Abschluss des zweiten Aktes krönen. Temistocle Solera hat es eingerichtet.
Zornentbrannt hört Alamar, dass Zulema gemeinsam mit dem Geliebten sterben möchte. Welches Opfer will die geliebte Frau auf sich nehmen? Doch was hat sein Freund an diesem Ort verloren? Gonzalo sieht ihn von Feinden umringt! Der Edelmütige hatte nichts anderes im Sinn, als ein Missverständnis aufzuklären. Er sei es gewesen, der den edlen Almansor im Kampf besiegt habe. Allein zu diesem Zweck sei er in Gonzalos Rüstung geschlüpft, damit der Freund den Eid halten kann, den er einst geschworen hatte. Muley-Hassem muss wissen, dass ein Spanier stolz ist und niemals einen Schwur bricht. Lara besteht auf der Gültigkeit seiner Aussage, obwohl der Freund verbal dagegen setzt. Man solle dem Lügner nicht glauben, denn alle hätten gesehen, dass er, Gonzalo, den Sieg davongetragen habe.
Vom Edelmut der beiden Freunde ist Muley-Hassem tief bewegt und sein Herz ist gerührt. Lara schwört, dass Gonzalo mit der Sache nichts zu tun hat, wendet sich direkt an Zulemas Vater und attestiert ihm, dass er - alt und weise - Urteilsvermögen besitze. Alamar sieht seine Felle davon schwimmen und reagiert äußerst heftig: Wenn nicht zu klären ist, wer im Duell der wahre Gegner gewesen sei, sterben eben beide! „Los vorwärts“ Die Wachen sollen sich auf die beiden Eindringlinge werfen, doch Muley-Hassem gebietet Ruhe. Er will wissen, wer es wagt, in seiner Gegenwart Befehle zu geben. Er sei zwar schon alt, aber seine Hand sei nicht zu lahm, das Schwert zu gebrauchen. Boabdil sitze auf dem Thron, aber er sei des Königs Vater. Die umstehenden Frauen spenden flüsternd Beifall, denn in der Tat wäre es eine Schande, zwei Meisterwerke der Evolution an Stattlichkeit und Ebenmäßigkeit im Wuchs dem Tode zu überantworten.
Die beiden Fremden mögen ungeschoren nach Santa Fé zurückkehren. Der Vater habe ihnen vergeben! Gonzalo besinnt sich auf eine freundliche Geste. Er macht dem Ehrwürdigen sein kostbares Schwert zum Geschenk. Seine Seele - sagt er - erwarte den Tag, dass er ihm seine löbliche Tat wieder gutmachen könne. Lara hält für den guten Schluss auch noch einen Trumpf in der Hand: Die Flamme heiliger Freundschaft sei in seiner Brust plötzlich aufgeflammt, nur deshalb habe er die Initiative ergriffen und den Gegner im Duell getötet; es wäre ihm aber trotzdem möglich gewesen, den Helden zu umarmen, den das Schicksal zum Opfer bestimmt habe. Zulema zitiert ihre liebe Mutter und ist in zweckmäßiger Dankbarkeit vor dem Vater auf die Knie gefallen. Die muslimischen Frauen stehen in ihrer Haltung auf Seiten der beiden christlichen Freunde, während die Männer meinen, dass diese nicht unbestraft davonkommen sollten, weil sie den Tod des geliebten Almansor verschuldet haben und die Gerechtigkeit auf der Strecke geblieben sei.
Alamar kann seinen Zorn nicht unterdrücken; er ärgert sich, weil er mit seiner Intrige nicht durchgekommen ist. Er hatte sich ausgemalt, dass Almansor seinen Rivalen unschädlich macht, damit die Gunst der Prinzessin sich anschließend ihm zuwenden könnte. Nun hat er seinen Gönner verloren, die Prinzessin will nichts von ihm wissen und den Vater hat er in Opposition gebracht - dagegen darf er seine Männer hinter sich wissen. Die schlimme Beleidigung, sich vor ihnen gedemütigt zu sehen, wird er nicht vergessen. Der Zorn, der sich in seinem Gesicht zeigt, kann nur durch das Blut der Übeltäter abgewaschen werden. Die Zeit arbeitet für ihn.
1. und 2. Szene:
Königin Isabella wird ihren Willen durchsetzen. Sie befiehlt, dem mutigen Genuesen alle Mittel zur Verfügung zu stellen, die er für seine hohe Tat benötigt - auch wenn das Konzil ihm die Mittel hierfür abgeschlagen hat. Gleichzeitig erkennt sie, dass es nicht unbedingt günstig war, mit seinem Anliegen zu ihr zu kommen. Columbus täte gut daran, zu fliehen, weil die Massen seiner spotten werden.
Jenseits der Meereswogen will er unbekannte Küsten entdecken. Bei Gott, der Ligurier ist ganz schön inspiriert! Doch Isabella begreift die brillante Idee, die zum Ziel hat, die Durchlässigkeit des Ozeans zu enttarnen. Wenn es funktioniert, wird mit seinem Ruhm der Name Isabellas auf ewig verbunden sein. Die Völker zweier Welten werden ihre Königin preisen und möglicherweise wird edles Gold Spaniens Schatzkammern füllen. Ferdinand wird sich ihrer Ansicht anschließen, und vor der Wut der höfischen Neider wird sie ihn schützen. Sie lässt nach Gonzalo schicken, weil sie zusammen mit ihm überlegen will, wie sie ihre Stärke ausbauen kann.
3. Szene:
Der wackere Gonzalo habe schon zu lange untätig zugesehen, wie die süße Luft, die von den Spaniern täglich eingeatmet wird, durch den Atem der ortsansässigen Feinde vergiftet wird. Weshalb sagt er nichts und heftet seine Augen auf den Boden? Er sei ihr bester Ritter und die Königin sieht mit bewölkter Stirn, dass er seinen Wert abstumpft, indem er sich kampfunlustig zeigt. Gonzalo erklärt der Königin mit bewegenden Worten sein emotionales Dilemma, gibt sich unterwürfig und rechnet mit Verständnis, welches er auch bekommt. Isabella weiß, dass nur Gonzalo ihre militärischen Wünsche wirksam erfüllen kann und zeigt sich im Moment nachgiebig. O wie ihr Herz leidet, auf die heißbegehrte Alhambra verzichten zu müssen!
4. Szene:
Gonzalo dreht seine Einstellung um einhundertachtzig Grad, denn ein geheimer Bote aus der Alhambra hat ihm die Botschaft gebracht, dass Alamar seine geliebte Zulema und ihren Vater ins Gefängnis geworfen hat. Nun will er nur noch Krieg und drängt die Königin, den Feinden die erbetene Waffenruhe abzuschlagen. Erfreut erkennt Isabella ihren Ritter, so wie sie ihn sich wünscht. Sie übergibt ihm feierlich ihr eigenes Schwert, damit es den Pfad bahne, der zum Sieg führt. Gonzalo erkennt den symbolischen Wert von Isabellas unbesiegbarer Klinge und verspricht, auf der Alhambra das Kreuz aufzupflanzen.
5. bis 7. Szene:
Im Thronsaal der Alhambra hält König Boabdil Kriegsrat, um der militärischen Gefahr der Belagerer zu begegnen. Die Familien der Zegri und der Abencerragen sind genötigt, sich im Angesicht der Gefahr brüderlich zu umarmen und jede Fehde, die sie ansonsten trennt, vorübergehend zu ignorieren. Die närrische Uneinigkeit, die den König schon zu Verzweiflung getrieben hat, scheint überwunden. Boabdil notiert Kampfbereitschaft und Siegeswillen seiner Untertanen, welches sich zu seiner Freude in Schlachtgesängen äußert. Zu den Waffen!
INTERMEZZO
8. Szene:
In einem unterirdischen Verlies sind Muley-Hassem und Zulema gefangengesetzt. Ein schmaler Lichtschacht lässt den Raum nicht in völliger Dunkelheit versinken. In Erinnerung an die verstorbene Mutter sucht man sich gegenseitig zu trösten. Großer Kummer drückt auf die Stimmung, doch Muley-Hassem hatte in der Nacht einen erquickenden Traum. Tausend liebliche Wahrnehmungen versetzten die Seele des Alten in freudige Aufregung. Seine verstorbenen Frau ist ihm erschienen, hat ihn bei der Hand genommen und auf die Spitze eines Berges geführt. Dort saß eine andere Frau auf einem Thron und trug eine Krone auf dem Kopf, die mit zwölf Sternen geschmückt war. Der Welt zeigte sie ein prächtiges Stück Holz. Mit dem rechten Fuß trat sie auf den Kopf eines furchtbaren Drachen. Geflügelte Geister hielten sich in der Nähe auf. Sie sangen von der ewigen Herrlichkeit der Mutter des Königs aller Könige.
Zulema gibt dem Traum, der sich noch weiter fortspinnt, eine christliche Deutung und antwortet ihrerseits mit der biblischen Geschichte von Marias Berufung. Temistocle Solera ergeht sich in Sentimentalität und theologischem Schwulst, wie seine Zeit es liebte und zielt auf die Bekehrung Muley-Hassems zum Christentum, die durch einen Lichtstrahl von der Decke optisch begünstigt wird. In seinem Herzen fühlt der schnöde Verratene nun den unbekannten König, von dem er sich Rettung aus der misslichen Lage verspricht. Diese trifft tatsächlich ein, denn man hört Waffenlärm von aufeinanderprallenden Schwertern. Aus der Ferne ruft eine Stimme nach Zulema.
9. Szene:
Die Absperrung wird gewaltsam geöffnet und siehe da, die Rettung ist da. Gonzalo erscheint, legt sein bluttriefendes Schwert zur Seite, damit Zulema sich in seine Arme stürzen kann. Dem Muley-Hassem erklärt Gonzalo, dass er jetzt frei sei und er damit rechnet, sich als seinen Sohn bezeichnen zu können. Ihn zu rächen, seien die Spanier aufgestanden, kämpften und gewannen. Keine Einwände von dem Befreiten! Der Bund fürs Leben der beiden jungen Leute wird durch eine väterliche Umarmung besiegelt.
10. Szene:
Der Löwenhof der Alhambra badet in der Morgensonne. In glänzender Rüstung tritt Königin Isabella vor ihre Krieger. Lara lässt sich aus dem Vordergrund nicht fortdrängen, denn er hält für alle deutlich sichtbar die Fahne mit dem christlichen Symbol.
Isabella äußert sich zufrieden: „Gut gemacht, meine Männer! Wir haben gewonnen! Wohlbehalten hier oben angekommen, kann ich nun endlich meine müden Füße im Löwenbrunnen kühlen. Die glückliche Neuigkeiten soll unverzüglich überall verbreitet werden. „Prodi, sia gloria a voi“ - „Viva Isabella“.
Letzte Änderung am 8.5.2011
Beitrag von Engelbert Hellen